Fendrik und Jarik schauten sich an, zeigten erfreutes Grienen und rückten mit ihren Oberkörpern näher. Beide sahen erwartungsvoll drein und bemühten sich ihrer Erwartungshaltung nicht zu überdeutlich zum Ausdruck zu bringen. Wie kleine Kinder, denen man ein Geheimnis verraten möchte und so konnte Ben sich ein bescheidenes Grunzen nicht verkneifen.
»Ich werte eure Gesichter als Zustimmung oder das ihr bereits mit meiner Überlegung gerechnet habt.«
»Gerechnet nicht, aber gehofft«, gestand Fendrik mit geneigtem Kopf.
»Jarik, du scheinst dich in der Mark bestens auszukennen. Wir brauchen einen Ort, an dem die Jäger ungestört sind, bleiben und vor allem trainieren können. Nach Möglichkeit abseits ...« Ben sah sich um »... von dieser Siedlung. Ich möchte keine Zuschauer und die Männer sollen sich nicht ablenken lassen. Es gibt ordentlich zu tun.«
Jarik schürzte die Lippen, verzog die Gesichtszüge zu einer Denkermine und nickte. »Es gibt eine kleine Schlucht, weitestgehend baumfrei und mit festen Untergrund. Wir versammeln uns bei dieser in regelmäßigen Abständen, um uns auszutauschen. Sie ist auch weit genug von diesem Platz entfernt, sodass niemand den Weg auf sich nehmen würde, dort haben wir unsere Ruhe.«
»Sehr gut, was meint ihr, wie viele Jäger dort auf einmal trainieren können? Kann man vor Ort einen Unterstand errichten, wo ich mit meinem Zeugs hantieren kann?«
Die Antwort erhielt er diesmal von Fendrik, der deutlich begeisterter schien als sein Bruder. Er richtete sich auf und klopfte sich den Staub von der Hose. »Einen Unterstand kann man durchaus bauen und Jäger, hm – schätzungsweise vier Hundertschaften in der gesamten Mark. Wir können aber nur etwa zwei stellen, da die Übrigen stets auf Ausritt sind und niemals mehr als diese zweihundert bekannt werden dürfen. Die Schlucht ist größer als Jarik zugibt und führt weit ins Gebirge hinein. Man könnte diese vermutlich sogar verbarrikadieren. Es dauert natürlich etwas, bis wir die Männer komplett versammelt bekommen.«
Bens Gedanken schweiften in die Ferne und sortierte diese sichtlich, dabei versuchten die Brüder merklich dahinterzusteigen, was in ihm vorging. Jarik gesellte sich zu Fendrik, der anfing die Essensreste beiseite zu räumen und Ben wieder und wieder fragende Blicke zuwarf. Dieser nahm jedoch nicht einen dieser wahr, so gedankenversunken er mit immer noch unterschlagenen Beinen dasaß.
»Gut. Jarik, ich möchte einen Unterstand und das geforderte Material in dieser Schlucht haben. Grenz diesen ab, am geeignetsten durch eine Umzäunung, wo wir unsere Pferde laufen lassen können. Wir brauchen auch Hochsitze an Bäumen, um unliebsame Neugierde vorzeitig abzuhalten. Die Leute werden wissen wollen, was im Wald so vor sich geht – vor allem dieser Fettklops. Du Fendrik, suchst in den umliegenden Siedlungen nach den Besten. Schaffe mir mit den hiesig Anwesenden eine Hundertschaft in diese Schlucht. Mit ihren Zelten versteht sich. Sie sollen sich dort entsprechend einrichten. Dieser Ort soll vorerst ihr neues Zuhause sein.«
Jarik weitete ungläubig die Augen. »Du willst ein verdammtes Heerlager zusammenstellen? Das wird definitiv auffallen, auch wenn die Schlucht ausreichend weit von hier entfernt ist.«
»Das wird es Jarik, und genau das ist die Vorbereitung auf das, was wir fordern – Zusammenhalt und Verschwiegenheit. Wie viel Zeit werdet ihr brauchen? Ah, und wir benötigen genug Holz und Stroh, mit denen wir üben können.«
»Wenn ich mich gleich aufs Pferd schwinge, kann ich in etwa fünf Tageswenden mit der gewünschten Anzahl Männer zurück sein.«
»Und ich brauche dieselbe Zeit um alles vorzubereiten. Auch wenn es mir nicht sonderlich behagt, ich schenke Dir mein Vertrauen. Ich werde mit Eric sprechen und veranlassen, entsprechendes Baumaterial in die Schlucht schaffen zu lassen. Über genügend Hochsitze verfügen wir bereits, da wir bei unseren Treffen nie die Gefahr der Neugierde außer Acht lassen.«
»Dann ist es beschlossen. Fendrik, regle bitte deinen Aufbruch und schau, dass dich angemessen Jäger begleiten. Du Jarik organisierst den Lageraufbau. Danach möchte ich mit dir über deine Heimat reden. Mich interessiert, wie ihr lebt. Ich möchte noch mehr wissen, als über das was wir beim Essen gesprochen haben.«
Fendrik war bereits unterwegs, um Yaeko Bescheid zugeben sowie Verpflegung und Ausrüstung für die kommenden Tageswenden zusammenzutragen. Jarik machte ein verhaltenes Gesicht und rümpfte angeregt die Nase, als er seine Bedenken offen ansprach. »Benjamin, versteh mich nicht falsch, wenn ich um einiges reservierter wirke als mein Bruder. Es ist nur, wir haben seit vielen Jahreswenden gelitten. Genau genommen seit drei Generationen, wir kennen es nicht anders. Ich wünsche mir ein Leben mit Zukunft und mit dir an der Seite kann dies durchaus zutreffen.« Jarik spürte eine ruhende Hand auf seiner linken Schulter und verstummte.
»Du fürchtest eventuelle Konsequenzen. Jarik, ich versuche mich selber nicht unnötigerweise in Gefahr zu bringen und somit auch euch nicht. Es gibt keinen anderen Weg etwas zu unternehmen, wenn man nicht bereit ist, den ersten Schritt zu wagen.«
Sein Blick senkte sich unterwürfig und seine gestrafften Schultern entspannten sich. »Gut. Ich gehe und bereite unser künftiges Lager vor. Sprich mit einem der Jäger, die hierbleiben und die Stellung innerhalb der Sieldung halten. Jeder von ihnen wird dir bereitwillig auf Fragen antworten und Dario sollte hoffentlich auch bald zurück sein.«