Gelegentliche Unruhe und Getuschel entstanden in der Menge, die von den ihren, aus den eigenen Reihen um Ruhe gebeten wurden.
»Jarik, oberster Schwertmann und rechte Hand des Fürsten.«
Ben zeigte mit der ausgestreckten, offenen Hand zu seiner Rechten und aus den Schatten der Karren, die nicht beleuchtet waren, schritt ein vollgerüsteter Mann, gekleidet in der Machart der einstigen Schwertmänner. Eine eng anliegende Lederrüstung mit ein- und aufgenähten Stahlverstärkungen, die im Schein der Fackeln frischpoliert schimmerten. An der linken Seite ein Schwert, breiter als die einfach geführten der Jäger, aber kürzer als ein Anderthalber, mit einer verkürzten Parierstange. Jene war geformt, mit zwei sich ansehenden Pferdeköpfen, dessen Berührung nur durch die Blutrinne unterbunden wurde. In der linken Armbeuge trug er einen bis auf den Wangenschutz gesichtsfreien Vollhelm mit einem Pferdekopf als Nasenschutz und einem blauen Rosshaarschweif als Zierde – dieselbe Farbe, wie die Umsäumung der Fahne.
»Und ich ernenne Yaeko zum Oberscharführer. Direkt unterstellt dem obersten Schwertmann.«
Ben zeigte diesmal zu seiner Linken, aus dessen Schatten der Karren ein ebenso gerüsteter Mann trat, nur dass dessen Helm leichter gefertigt war. Der Wangenschutz war Kürzer und der Nasenschutz deutete lediglich einen Pferdekopf an. Jedoch trug auch dieser Kopfschutz den blauen Rosshaarschweif als Erkennungszeichen der stehenden Schwertmänner Neumarks.
Die Menge gab verwunderte Laute von sich und vielerlei Gespräche wallten auf. Wortwechsel über die Rüstungen und Waffen aus alten Tagen. Aufleben alter Traditionen und Wiederbelebung des Schwertmannstandes.
»Ja, Leute. Dies sind Rüstungen und Waffen aus längst vergangener Zeit. Der gute Herr Halis und sein Neffe Helbert kennen um deren Fertigung und haben sie uns überlassen. Wir machen die Lebensgeschichte eurer Ahnen jetzt und hier zu der unseren.« Bens Stimme wurde lauter und drängender. »Ich rufe auf meine Hundertschaft!«
Die Menge war nun vollends verblüfft, denn bekannterweise waren die meisten Jäger ausgeritten, nur dass Ben diese im Vorfelde mit den Männern Halis hat tauschen lassen. Entweder als Geleit oder auf Patrouille, aber ausnahmslos jeder schien anwesend zu sein. Als die ersten ins flackernde Licht der Fackeln traten, trugen auch diese allesamt neue Rüstungen. Jeder trug eine leicht abgeänderte Form derer, wie sie Ben und seine Freunde am Leibe hatten – die verstärkten Metallstreifen wiesen eine andere Machart auf. Die Helme geformt wie der Yaekos.
»Bewohner Rongards, Männer der Reiterei, Jäger und Freunde. Es ist nun an der Zeit, euch zurück an die Wurzeln eurer einst stolzen Ahnen zu führen und so wie den obersten Schwertmann Jarik als auch den Oberscharführer Yaeko, sollt auch ihr eure Bestimmung erhalten.«
Die mittlerweile vollzählig eingetroffen und angetretenen Jäger standen in Reih und Glied und ließen sich auf ein Knie nieder. Den Kopf gesenkt und den Helm in der linken Armbeuge, erwarteten sie ihre Ernennung.
»Ich, Benjamin, Fürst Neumarks, erhebe euch aufrechten Jäger in den Stand der Schwertmänner. Ihr sollt fortan unter diesem Titel euren treuen Dienst zum Wohle der Mark und deren Bewohner tun. Erhebt Euch, Schwertmänner der Mark und erneuert eure Eide.«
Jarik und Yaeko setzten ihre Helme auf und reihten sich unter die soeben Ernannten, die ebenfalls wie zu Befehl ihre Helme mit dem blauen Rosshaarschweif auf ihre Köpfe setzen. Jarik hob zur Einigung seine rechte Hand und zeigte drei Finger in die Höhe, die er nacheinander einklappte. Ein kompletter Beritt Schwertmänner in traditioneller Rüstung. Einfache Schwertmänner, Scharführer, Oberscharführer und ihr oberster Schwertmann sprachen alle wie aus einem Munde.
Viele der versammelten Menschen waren dermaßen gerührt, dass ihnen die Tränen der Freude in den Augen waberten. Erinnerungen wurden endlich zur Gegenwart. Nicht minder Wenige der Männer intonierten den Eid im Flüsterton mit.
»In Treue fest, dem Volke Gefahr bedroht, mein Pferd mich trägt zu dessen Not, soll Eile sein stets das Gebot. Im Dienste unseres Fürsten Benjamin.«
Bevor die Menge Zeit fand, ihrer Freude Ausdruck zu verleihen, hob Ben geschwind die Arme in die Höhe. »Leute, wir sind noch nicht fertig miteinander. Viele von euch haben sich die vergangenen Tageswenden gefragt, was die Frauen hier im Kreis der Karren unter vehementer Bewachung den ganzen Tag über trieben. Informationen nach haben diese trotz beträchtlich neugierigen Sticheleien einiger Weniger Stillschweigen bewahrt, weswegen ich hiermit meinen herzlichsten Dank aussprechen möchte. Ihr – nein – wir, haben noch ein weit bekannteres Erkennungsmerkmal, als das Rüstzeug der Umstehenden.«
Wie auf Befehl hin wartend stolzierten nun etliche Frauen und Männer, jeweils als Paar, aus den Schatten. Die Männer trugen zusammengelegte Bündel, in dunkel grünen Farbton vor sich her.
»Einen jeden für die Schwertmänner. Die Frauen griffen zu dem Dargebotenen und nahmen stets den Oberen und breiteten diesen vor den Augen des vor ihnen Stehenden aus.
»Umhänge, wie sie einst Stolz von euren Vorfahren getragen. Das Erkennungsmerkmal der Pferdeherren. Gehalten im selben Farbton wie unsere Fahnen und Wimpel, zieren die Umhänge der Schwertmänner ebenso wie der blaue Saum. Gehalten sollen diese mit den angefertigten Kreuzverschlüssen, die uns der gute Herr Halis in nächtelanger Arbeit mit seinem Neffen fertigte. Er hat dafür all seine Goldreserven hergegeben und wir sind ihm dafür zu Dank verpflichtet. Nehmt diese Verschlüsse und hakt sie vor euch zusammen.«
Die gebotenen Überwürfe wurden dankend entgegen genommen und sich sogleich wallend um die Schulter gelegt. Wadenlang umschmiegte dieser deren Schultern. An den Kopfenden, wo diese vor der Brust verschlossen wurden, wurden jeweils ein aus purem Gold bestehender Pferdekopf mit Hals und gravierter Mähne genäht. Diese beiden Köpfe waren so gefertigt, dass diese ineinander verhakt ein Kreuz mittig ihrer Hälse bildeten. Die Köpfe der Pferdesymbole blickten in jeweils entgegengesetzter Richtung. Die Umhänge derer, die ihre Verschlüsse geschlossen hatten, rutschen in Endhaltung ihre Schultern herab und verblieben in Höhe der Schlüsselbeine. Innerhalb der Umhänge waren weitere Schlaufenbänder genäht, die sich an den Schulterstücken der Rüstungen einhaken ließen, um ein weiteres Herabrutschen zu verhindern, sodass der Zierverschluss nicht unbeabsichtigt den Hals schnüren konnte.
Sternenklarer Stolz strahlte aus ihren Augen, als Ben seine Schwertmänner wegtreten ließ und diese sich unter die Menge der Umstehenden verteilten. Nur die, die noch keinen Überwurf erhalten hatten, blieben im Kreise der Karren und rückten dem Podest näher, bis auch der Letzte den seinen erhielt.
»Herr!« Ein Mann trat aus der Menge, neigte kurz sein Haupt und wartete auf Zuspruch um das Wort zu erheben.
»Sprecht, was rührt euch?«
»Einst waren es nicht nur die Schwertmänner, die ihre Marken schützten. Es waren die freien Lords, die zusammenkamen, wenn der Fürst die Losung ausrief. Mir ist bewusst, dass die Zeit alle Wunden heilen kann. Aber wie gedenkt ihr, mit einer Übermacht umzugehen?«