Naïns und Menschen, Hand in Hand, arbeiteten in dem Gebiet hinter dem halbmondförmigen Spalt - dem Sichelgraben. Voll beladene Lastenkarren verließen dieses über die noch grob gezimmerte Brücke in Richtung Gorams Stadt, hinauf zum Plateau, um dort ihre Lasten in den Schacht jener aufsteigenden Morroval zu kippen. Die Baumeister der Naïns ordneten an, das gesamte Areal von Geröll und Unrat zu befreien. Jegliche Gewächse, ausgenommen dem kleinen Baumbestand im hintersten Bereich, mussten ebenso weichen.
Diejenigen, die innerhalb der Spalte ihren Arbeiten nachgingen und den gelösten Bruchstein unter schweißtreibenden Anstrengungen hinauswuchteten, missachteten die Order gewissenhaft und zum Fluchen der Vorarbeiter stets aufs Neue.
Schwere Brocken zerschlugen sodann heraneilende Helfer mit wuchtigen Hämmern und verluden diese auf bereitgestellte Karren.
Aus der Höhle, im hinteren Bereich des Umlandes, rollten in regelmäßigen Abständen beladene Wagen heraus und reihten sich dem abfahrenden Karrenzug ein. Etwas abseits des künftigen Baugeländes entstand eine Feldschmiede, eine Feldküche sowie Bens Besprechungszelt, in dem alle Verantwortlichen bei Fertigstellung zusammenkamen. Naïns wie Menschen standen vereint um den mittlerweile verschlissenen Tisch herum und begutachten die skizzenhaft angefertigten Zeichnungen. Gezeichnet in der Nacht, als andere sich erschöpft in ihre Decken gerollt und Ruhe einkehrte. Zu jener Zeit hatte sich der Fürst Neumarks das Kartenmaterial der Naïns gegriffen und fing an zu sinnieren. Anhand der notierten Daten und Geländeflächen entstanden so vag gestrichelte Gebäudezusammenhänge, die eine komplette Burg samt Außenanlagen zeigten. Übungsflächen für die stehende Wehr, die berufenen Schwertmänner der Mark, ein großzügig angelegter Park als auch ein außen liegendes Lager und Ställe.
Die Burg selber war hinterrücks mit dem Gebirge verbunden, an derer eine äußere Ringmauer grenzte und mit dem Bergfried und dem künftigen Palas anknüpfte. Die Höhle galt demzufolge über- und umbaut und sollte mithilfe eines geheimen Zuganges seitens des Palas zu erreichen sein, um in größter Not das Volk in Sicherheit zu führen. Im Inneren der Anlage gab es Unterkünfte für Schwertmänner sowie Wohnanlagen für Bedienstete und auf einem zusätzlichen Blatt vermerkter Brunnen. Auf diesen war Ben restlos Stolz. Er hatte die Zeichnung detailliert und liebevoll ausgearbeitet und genoss grenzenlosen Zuspruch. Auch, und das ließ ihm die Schamesröte ins Gesicht steigen, von den hoch angesehenen Baumeistern der Naïns. Vier auf den Hinterläufen stehende Pferdeleiber, mit den Rücken zueinander gerichtet. Nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet keilten diese mit den Vorderläufen aus. Die Mäuler standen wiehernd offen und spien Wasser ins umrundete Brunnenbecken. Eine Fahnensäule verband die Hinterteile der Pferdemonumente miteinander und bot in den Zwischenräumen ausreichend Platz für stilisierte Wappen.
Ein breiter hoher Turm flankierte den Palas zu seiner Rechten, ähnlich wie der Bergfried zur Linken, nur dass auf diesem eine wehrhafte Schleuder skizziert dastand. Wehrgänge und eine Toranlage trennten die innere Burg von der Äußeren.
Die Äußere beinhaltete Stallungen und Werkstätten für Schreiner, Schmiede, Bogner und Rüstungsbauer sowie Lagerflächen für Baumaterialien und Nahrungsmittel. Wehrtürme verstärkten die Außenmauer in regelmäßigen Abständen und ein Torhaus samt Zugbrücke rundeten die Zeichnungen ab. Der Spalt, der die gesamte Anlage zwischen dem Gebirge natürlich abgrenzte, sollte zum späteren Zeitpunkt durch die Umleitung der Wassergräben der Naïns erneut mit dem Wasser der Gebirgsseen einen stetigen Zulauf erhalten.
»Nur grobe Gedanken hast dir gemacht, ja? Wolltest dich zur Ruhe legen. Soso. Das hier mein Lieber ...« Goram tippte wiederholt mit dem rechten Zeigefinger auf die Zeichnungen. »... ist komplett durchdacht und macht einen wehrhaften Eindruck. Sogar die Höhle im Hintergrund hältst du durch den Palas verborgen und lässt ihn mit einem verdeckten Zugang versperren.« An seine Baumeister gerichtet, drehte er ihnen die Darstellungen zu und deutete der Reihe nach auf Eintragungen. »Was sagen eure fachkundigen Augen zu den ideellen Vorgaben? Machbar oder nicht?«
Die Angesprochenen diskutierten mit Ben die Angaben und Bestimmungen, dessen, was als Vorlage diente und gaben Bedenken auf. Gemeinsam erarbeiten sie über mehrere Zehnteltage Änderungen oder Anpassungen, bis man sich auf eine kooperative Richtlinie einigte. Die Baumeister luden den Fürsten der Pferdeherren ein, die Pläne zusammen mit ihnen und den anzulernenden der seinen weiter auszuarbeiten und gaben zu beachten, seine Wünsche und Anregungen so einfacher berücksichtigen zu können. Ben stimmte dem selbstredend zu und freute sich insgeheim über die Annahme der meisten seiner Ideen. Die Versammlung löste sich auf, um die Vorangigen Anstrengungen in Auftrag zu geben und zu überwachen. Goram begab sich zu der rückwertigen Höhle um die Arbeiten im Inneren im Auge zubehalten und dort Quartier zu beziehen.
Die kommenden Tageswenden verbrachten die ungleichen Verbündeten damit, Bauuntergründe vorzubereiten. Fundamente wurden großflächig gegraben und bis zum massiven Gesteinsuntergrund vorangetrieben. Steinschläger der Naïns und Steinmetze der Menschen funktionierten vorzüglich zusammen, sodass die benötigten Steinmengen und Formationen zügig beschafft vorrätig lagen. Schreiner und Holzfäller werkten ununterbrochen an der Be- und Verarbeitung der Hölzer nach Vorgaben. Andere wiederum schufen mit nutzlosem Boden und Geröll beladene Lastenkarren wie vereinbart von der Großbaustelle zum Plateau der Naïns, wo die mittlerweile fertiggestellte Kippvorrichtung auf weiteren Ballast wartete, um dem hungrigen Schlund sein Mahl zuzuführen.
Wie im Voraus berechnet, konnten drei bis vier Karren auf dieser entladen werden, bevor die Vorrichtung ihre schwere Last in einem Satz in die Tiefe stürzte. Ein verhaltenes polterndes Echo hallte aus dem Schacht hinauf, als Gestein, Unrat und Erde nach und nach in diesem verschwanden. Ab und an drangen stöhnende Rufe an die Ohren der Arbeiter und vereinzelt gellten erschrockene herauf.
Aufgrund unaufhaltsamer Kippungen, bis spät in die Nächte hinein, wurden diese fliegenden Wesen aggressiver und angriffslustiger. Immer wieder versuchten sie, durch Schein- und Sturzflüge den Arbeitern und aufgezogenen Wachposten das Leben zu erschweren. Gezielten Pfeilsalven und Speerwürfen war es dann zu verdanken, dass sie allerdings auf Abstand blieben und der Kippvorrichtung nicht nahe genug kamen. Die, die sich dennoch zu nah heranwagten, wurden gnadenlos gespickt und trudelten mit jammerndem Klagen zurück in die Tiefe.
Die Arbeiter stimmten sich in ihrem Tun ein und so blieb die Vorrichtung beinahe im Dauerbetrieb - aufrichten, beladen, abkippen.