Ein weiterer Mond verging, als die Heimatlosen mit ihrem Fürsten den nördlichsten Zipfel ihrer erkorenen Mark erreichten. Ein ganzer Mond war vorübergezogen, als der erste kraftvolle Schlag mit der Hacke in den Boden getrieben. Seit einem Mond beherrschten Hammer- und Axtschläge die Geräuschkulisse nebst gerufenen Befehlen, nur nicht an jenem Tag.
Ben sagte dem gesamten Volk, an diesem einen Tag von der Arbeit los, um ihnen und den nunmehr befreundeten Naïns eine Auszeit von den täglichen Anstrengungen zu bieten.
Jarik ließ den stehenden Beritt der Schwertmänner mitsamt angetretener freien Lords über die Ebenen preschen und Wehrübungen abhalten. Sie übten gemeinsam verschiedene Formationen wie Scheinangriffe. Es war des Fürsten Anliegen, dass nicht nur die bestehende Wacht den Kampf zu Fuß und zu Pferd beherrschte. Auch die Lordschaften, bei Ausrufen der Losung, mussten geschlossenes Kämpfen und Reiten in einem großen Beritt anstandslos beherrschen.
Gerufene Befehle und Marschrichtungen gellten über die Ebenen, wo weder Zelte noch Baumaterialien Reiter oder ihre Pferde hätte gefährden können. Viele, jedoch nicht alle, wollten sich den freien Tag zunutze machen, um dem Treiben beizuwohnen. Jubel und Eifer spornten die Übenden zu Bestleistungen an, denn diese wussten um die Zuschauer und wollten ihnen mit den angesetzten Gemeinschaftsübungen die Letzten noch verbliebenen Ängste nehmen.
Zusammen mit Goram, an der Seite zu seiner Linken, stand Ben auf einem Teil der erst kürzlich fertiggestellten Wehranlage. Die innere Burganlage gewann an Form und Gestalt. Einige Längen der umschließenden Mauer waren samt Wehrgänge errichtet, die den Planungen nach, erst nachträglich mit einem hölzernen Längsdach überbaut werden sollten. Korian hatte jedoch freie Kapazitäten geschickt eingesetzt, um ungenutzte Hände nicht sinnlos zu vergeuden und mit den Aufbauten an strategischen Punkten begonnen.
»Unser beider Völker haben gemeinschaftlich vieles vollbracht«, stellte Goram nüchtern fest und verschränkte die Arme vor der bulligen Brust. Ein Lächeln huschte im quer übers Gesicht, wo sein einzöpfiger Bart dieses nicht zu verbergen wusste.
»Ja. Wir sind Dir und den deinen zu unendlichem Dank verpflichtet und schulden euch viel. Ohne eure Baukunst wären wir nicht einmal ansatzweise so weit gekommen.« Ben beugte sich mit den Händen aufgestützt über die Brüstung der Mauer und sah in die Ferne. »Vielmehr, als wir je zurückzuzahlen imstande sind. Du hattest Recht, als du sagtest, dass einer deiner Steinschläger mindestens fünf der meinen ersetze.«
»Rede nicht. Dank der Ausbeute an nutzlosem Boden und Geröll, das die deinen zu meiner Stadt hinauf schaffen und in den Schacht kippen, tilgst ihr reichlich von jener Schuld«, beschwichtigte Goram. »Außerdem sind auch deine Leute sehr begabt und dort wo sie handwerklich nicht mithalten können, machen sie dieses mit Eifer und Ausdauer wett.« Ben fiel jedoch offener Raum für weitere Forderungen auf, war aber nicht gewillt auf diese umstrittene Formulierung einzugehen und lenkte ein.
»Dank der wertvollen Arbeitskräfte aus den umliegenden Weilern und Gehöften kommen wir rasch voran. Einige von ihnen haben den Aufruf genutzt, um den Leuten der gegenüberliegenden Niederlassung zu deiner Stadt zu helfen, die mittlerweile weitestgehend vollendet sein soll.«
»Das bedeutet, dass wir bald mit tatkräftiger Unterstützung rechen dürfen?«
»Ich hoffe. Das Licht der Tage wird spärlicher und die Luft merklich kälter. Wenn es anfängt zu frieren, wird besagter Arbeitseifer ins bodenlose sinken.«
»Das gilt es, durchaus zu bedenken. Uns bleiben, bedingt des schützenden Gebirges, noch etwa eineinhalb Monde, bis die ersten frostigen Winde über die Ebenen ziehen. Bis dahin sollten wir für ausreichend warme Herde Sorgetragen.«
Ben stemmte sich auf, richtete seinen Blick auf seine ihm zugedrehten Handflächen und führte sich diese zum Mund. Die mittlerweile kalten Nächte speicherten sich im Stein und so hauchte er in seine zusammengehaltenen hohlen Hände. »Meine Schwertmänner lagern in der Höhle und haben ihre Zelte abgebrochen. Die ungebrauchten Zeltbahnen überdecken die dünneren und zerschlissenen des übrigen Volkes. Auch wenn sie kalte Zeiten von klein auf kennen. Sie alle haben es verdient, diese endlich hinter sich zu lassen.«
»Mmh.« Goram schlug sich mit der rechten Faust in die offene Linke und ging einige Schritte an Ben vorbei. Drei weitere blieb er vor der Abbruchkante der Mauer stehen und blickte grübelnd hinab.
»Sofern die Temperaturen ins Bodenlose sinken und ein Weiterarbeiten nicht mehr möglich sein wird ... so werde ich einen Teil deines Volkes mit mir hinauf in meine Stadt nehmen. Sie ist groß genug und bietet ausreichend Platz. Aber bis dahin werken wir weiter.«
»Der Palas, der Bergfried und der große Wehrturm befinden sich in etwa auf gleicher Bauhöhe und umschließen bald die zweite Etage. Beim Brunnen haben deine Baumeister vom Gebirge aus zwei Kanalgräben angelegt und mit schweren Platten überlegt. Die Schildmauer, auf der wir stehen, weist die ersten vollständig ausgebauten Längen auf. Ich bin zuversichtlich, dass zu mindest die innere Burganlage vor Einbruch des Frostes einigen Zuflucht bieten wird. Ich hätte mir niemals träumen lassen, diesen Bauzustand in dieser Kürze der Zeit vollbringen zu können. Ihr Naïns seit bewundernswerte Baumeister.«
»Ja mein Freund, alle Anstrengungen laufen darauf hinaus. In der Außenanlage haben während der Nacht fleißige Hände die Stallung zum Abschluss gebracht, die Schmiede und Schreiner müssen nur noch die Scharniere und Tore einsetzen. Das Torhaus samt den flankierenden Türmen stehen bereits zwei Längen in die Höhe und die künftige Zugbrücke liegt fertig im Zwinger.«
Zusammen blickten sie über das Areal des Baugeländes und beobachteten einige Wenige, die den freien Tag dennoch mit arbeiten verbrachten. Auch wenn diese Männer, darunter auch eine handvoll Naïns sich unverkennbar um Kleinigkeiten bemühten, so schienen diese essenziell zu sein und froh darüber, dass alle anderen abwesend waren. Andere wiederum gruben, schaufelten und errichteten Gerüste für ihre eigenen Wohnstätten. Mancherorts ließen sich auch Szenen erblicken, wo Frauen mit ihren Kindern Materialien heranschleppten, um ihren Männern beim Tun zur Seite zu stehen.
Seit jenem Tag, als Ben hat die Bauflächen für Wohn- und Werkgebäude abgesteckt lassen, waren einige der Arbeiter und Helfer los, um sich entsprechend Bauplatz für ihre Familien zu sichern. Absprachen bezüglich Lage und Beschaffenheit der Werksgebäude waren die einzigen Einschränkungen, an die sich zu halten galt und so gab es keinerlei Einwände der Übrigen. Stattdessen wurden glückliche Besitzer der ersten Grundstücke bei ihren Tätigkeiten unterstützt, wissentlich das den Helfern darauf ebenso helfende Hände sicher sein sollten. An den privaten Unterkünften wurde zumeist nur an Pausenzeiten oder in den Abendstunden gearbeitet, wenn die Vorarbeiter und Baumeister zur Arbeitsniederlegung bliesen. Etliche Wege, zwischen den Baustellen, waren durch viele durchschreitende Füße und Wagenrädern dermaßen versumpft, dass die Steinmetze anregten, die obere Matschschicht komplett abzutragen und abzutransportieren. Der so ausgehobene Wegebereich wurde seit dem Einwand, fortlaufend mit absplitt aus dem Steinbruch verfüllt, sodass feste und trockene Wege entstanden. Auf diesen sickerte der Regen einfach davon und niemand bekam mehr nasse oder matschige Füße. Die darüberhinweg rollenden Karren ließen sich leicht über diese fahren, da diese bedingt des feinen Schuttes äußerst soliden Untergrund boten.