Die Dämmerung war weit vorangeschritten und alle Wehrübungen eingestellt. Die Luft wurde merklich kälter und die meisten, noch anwesenden saßen oder standen zusammengedrängt um wärmende Feuer. Überall sprach man von den Abläufen der Übungen und wie sich die Männer geschlagen haben.
»Hast du den Ehrgeiz in ihren Augen widerspiegeln sehen? Dieses leuchten?«
»Die Armen werden sich noch wundern, wenn sie zur Morgendämmerung zur Arbeit gehen und ihnen die Knochen ächzen.«
»Bei der nächsten Übung müssen sie halt mehr aufpassen.«
»Mein Fürst. Leert einen Becher mit uns.«
Ben sah zu Goram, der zu seiner Linken stehen geblieben war, und nickte ihm zu.
»Gern. Hat euch der heutige Tag gefallen?«
»Ja durchaus, Herr. Wird der gute Herr Jarik auch noch zu euch stoßen?«
»Der oberste Schwertmann koordiniert noch Wachabläufe und Patrouillen der nächsten Tageswenden. Ich gehe davon aus, dass er sich anschließend unter die Feiernden mischen wird.«
»Das war eine gelungene Abwechslung, Herr. Die Frauen haben sich allerdings deutlich mehr amüsiert, als ihrer Männer eine stattliche Abreibung kassiert haben.«
»Wir sollten einen weiblichen Beritt aufstellen, was meint ihr?«
»Oh, lieber nicht Herr. Ein Beritt mit Kochkellen bewaffnet, drängt uns Männer nur in den Schatten.« Umstehende lachten heiter und prosten einander zu.
»Hallo beieinander. Ich störe nur ungern. Auf ein Wort bitte.«
»Ah, der gute Herr Halis. Wie ist die Lage beim Stollen?«
»Der Aufbau der Schmiedeanlage läuft vortrefflich. Erste Erze sind abgebaut und eingeschmolzen. Ich möchte dem Herrn König etwas zeigen und seine Meinung dazu hören. Darf ich?«
»Was kann denn ein König wie ich äußern, was ein erfahrener Schmied wie ihr es seid, nicht bereits weiß?«, erwiderte Goram ohne sein Gegenüber zu schalken und deutete mit seiner Linken auf eine freie Fläche neben ihnen.
»Die geschmolzenen Erze sind alles andere als das, was ich kenne, Herr.«
»Hm, interessant. Wie kommt ihr darauf?«
»Diese hier ...« Halis griff in seinem mitgeführten Lederbeutel und förderte einen klumpen glänzendes Gestein hervor, welches leicht bläulich durchzogen war. »... lässt sich nicht so einfach schmelzen. Zu mindest nicht herkömmlich. Wir mussten dafür erst zu unseren Resten Brennstein greifen.«
»Wie kann das sein Goram?«, fragte Ben hellhörig und griff nach dem Erzklumpen, um diesen näher zu betrachten.
»Ah, hervorragend.« Goram nahm Ben den Brocken ab und hielt ihn hoch in die Luft. Er drehte ihn in der Hand, von Links nach rechts und malte mit einem Zeigefinger die bläulichen Äderchen nach.
»Guter Herr Halis, ihr habt eine Ader mit uraltem Eisenerz gefunden, auch Naïneisen genannt, weil einst nur mein Volk dieses reine zu Stahl geschmiedete Material zu verarbeiten wusste. Ein Gegenstand aus diesem Rohstoff hergestellt, sei es eine Waffe oder eine Rüstung schimmert silbrig blau meliert. Eine wunderschöne Beschaffenheit und äußerst widerstandsfähig.«
Halis und Ben blickten sich verblüfft an und schienen denselben Gedanken zu hegen, den der Fürst jedoch als Erster ansprach. »Wenn wir ausreichend von diesem vorrätig hätten, macht es dann nicht Sinn, unsere Waffen und Rüstungen damit zu schmieden?«
Goram blickte auf und lächelte seinem hochgewachsenen Freund an. »Ach mein Freund, ihr, nein ich meine wir, haben mehr als genug davon. Es sollte zumindest für eure Schwertmänner ausreichen. Ich schicke gleich zum Morgengrauen einen Boten. Er soll unsere Vorräte samt Brennstein zu eurer Schmiede schaffen und mit euch die Verarbeitung besprechen. Vertraut ihm, er ist ein geschickter Schmied und kennt sich um die Beschaffenheit dieses Materiales aus.«
»Goram, ihr könnt uns nicht alles schenken. Das geht nicht«, widersprach Ben und winkte vehement ab.
»Ach Benjamin. Wem, wenn nicht euch und deinem Volke?«
»Wenn wir erst in unserem angestammten Heim zurückgekehrt sind, verfügen wir über weitestgehend unaussprechliche Reserven.«
»Was machen wir dann aber mit den ausgetauschten Rüstungen und Waffen?«
»Wir werden sie einschmelzen. Die Vorräte für Verstärkungen der Bauten nehmen stätig ab. Auch wenn ihr und euer Neffe ausreichend Erz mit euch führt, auf Dauer benötigen wir neue Vorkommen.«
Da es ununterbrochen kälter wurde, bedeutete Ben ihnen, mit ihm eine Runde zu drehen und den Bereich des äußeren Burggeländes zu begutachten. Auf dem Wege dorthin besprachen sie den Ablauf der Materiallieferungen zur Schmiedeanlage und in welchem Rahmen die ersten Rüstungen ausgetauscht werden sollten. Sie einigten sich darauf den Austausch in jeweils zwei Zehnen zu vollziehen und bei Vollendung, mit der Erstellung von Lanzen und Schwertern zu beginnen, wobei die Lanzen absoluten Vorrang genossen.
»Hui, man kann ja schon einiges erkennen. Wo gedenkt ihr, meine Schmiede und Lager zu errichten? Ich sehe momentan nur den fertigen Stall.«
Ben neigte sich näher an Halis heran und gab ihm mit einem Fingerzeig die Richtung vor. »Dort vorn. Da, wo sich die erste Steinreihe erhebt, wird eure Schmiede stehen.«
»Was wird daneben geplant? Das Fundament deutet daraufhin, dass sich dort drei Gebäude aneinanderreihen werden.«
»Ihr habt ein gewissenhaftes Auge, Hofschmied«, grinste Ben und legte ihm die Linke auf dessen Schulter. »Korian wird dort seinem Schreinerhandwerk nachgehen und euch mit Schäften und Stielen beliefern.«
»Hab ich mir beinahe gedacht. Euer Schwiegervater in späh, in meiner direkten Nachbarschaft.«
»Bitte?«, räusperte sich Ben verlegen und sah sich verunsichert um. »Wie kommt ihr darauf, erklärt euch.«
»Ach kommt schon. Ihr seit mein Fürst und ich euer Hofschmied. Ich bin eine ehrliche Natur und immer gerade heraus. Nehmt es mir nicht krumm, aber weder ich noch das Volk ist der Blindheit anheimgefallen«, neckte Halis und knuffte Ben in die Seite. »Es ist doch sicherlich schon beschlossene Sache, dass ihr die Tochter Korians ehelichen werdet. So erzählt man sich zu mindest.«
»So tut man das, ja? Wieso bin ich der Letzte, der von diesen Absichten erfährt?«
»Verzeiht mir, der direkten Worte. Aber eure Blicke bleiben nicht ungesehen, mein Fürst.«
»Man Halis, verschont mich bitte mit diesem Förmlichen. Wir sind unter uns.«
»Oh, da bedient sich jemand meiner Geflogenheiten«, prustete Goram Hände klatschend, lachte freudig auf und haute beschlissen seinem größerem Freund auf den Rücken, der einen Schritt ungebremst nach vorn machte. Dieser hielt dank seiner Reflexe das Gleichgewicht und brachte nur keuchend ein »Puh.« hervor.
»Na ganz toll. Das riecht eindeutig nach Verschwörung.«
»Nein mein Fürst. Ähm Benjamin? Wir sehen es nur deutlicher.«
»Ja, ist schon in Ordnung so. Ich verstehe und ihr mögt recht haben. Ich mag die Kleine. Sehr sogar.«
»Also, wenn das geklärt ist, wann wird meine Schmiede stehen?«
»Goram?«
Dieser sah auf und strich an seinem Bart hinab. »Vermutlich in drei bis vier Tageswenden. Unser beider Völker arbeiten vortrefflich zusammen und wir können ein paar Arbeitskräfte umstellen. Es macht Sinn, das Halis die neuen Rüstungen und Waffen hier vor Ort schmiedet und die Schmiedeanlage vorrangig als Schmelze hantiert und Barren liefert.«
»Prima, ich gebe es meinem Neffen so weiter und ...« Halis klopfte sich die flache Rechte vor die Stirn. »... bevor ich es vergesse. Ich bin auf dem Weg hierher an dem Bergpass vorbei und soll ausrichten, dass die Palisade steht. Die Arbeiter haben dort nur ein kleines Ausfalltor errichtet und sind gerade dabei einen Turm zu bauen.«
»Danke Halis. Sobald du zurückreitest, richte den Arbeitern aus, dass Jarik sich um ständigen Entsatz kümmern wird.«
Der Hofschmied verneigte sich leicht und verabschiedete sich, um sich ein Zelt für die Nacht zu suchen. Er wollte pünktlich mit Einbruch des Morgengrauen aufbrechen und an der Schmiede auf das versprochene Naïneisen warten.