Galoth bemerkte aus dem Augenwinkel als Erster die Bewegungen hinter ihnen und brüllte. »Vorsicht hinter uns!«
»Nein! Wir sind es!«, gellte es zur Antwort. »Aguschal, Jarik! Wir kommen zur Verstärkung.«
Jarik blickte rasch über die Schulter hinweg und schaffte so eben noch, mit seiner Fackel, einen nahenden Flügel abzuwehren. Der Trupp musste sich von dem Vorsprung zurückziehen und in den schützenden Tunnel weichen, von dem aus sie sich zur Wehr setzen. Unerwartet rückten Hilfskräfte an und verschafft ihnen genügend Atempause. Naïns als auch Pferdeherren drängten sich vor und lösten ihre geschundenen Kameraden ab.
»Was tut ihr hier?«
»Euren Befehl missachten, Herr. So wie ich das einschätze gerade zur rechten Zeit.«
»Wohl wahr. Wir waren unvorsichtig und ein abbröckelnder Stein hat diese Viecher auf uns aufmerksam gemacht. Wie habt ihr uns gefunden?«
»Das war nicht weiter schwer. Der obere Gang führte lediglich in eine Höhle und der abschüssige Tunnel und die hinterlassene Fackel waren Hinweis genug. Die anderen beiden verlaufen ins Leere.«
Jarik pustete erleichtert aus und Aguschal setzte sich schnaubend neben ihn. »Zum Glück für uns. Wir vermuteten schon, uns mit dem dritten Tunnel eine Falle gestellt zu haben.«
Die vorderen Verteidiger warfen ihre Fackeln ins Dunkle, dadurch das sie nun über weitere verfügten verschafften sie sich so mehr Überblick. Die naïnischen Speerkämpfer hielten die wütenden Morroval aus dem Gang fern und die Bogenschützen, eine Zehn, beschossen nahekommende Ziele.
»Runter!«, rief es aus den Reihen der Schützen, woraufhin sich die Naïns zu Boden fallen ließen. Pfeile pfiffen an ihnen vorbei und gruben sich Tief ins Fleisch der kreischenden Weibsbilder oder rissen dort, wo sie trafen, große Löcher in ihre stramm gespannten Flügelhäute.
»Auf!« Die Naïns sprangen auf die Füße, rafften ihre Speere und reckten sie mutig dem Feind entgegen. Die Morroval waren unverbesserlich und griffen an. Neue Pfeile lagen hingegen auf durchgezogene Bögen und harrten auf ihr angedachtes Ziel.
»Runter!«, schallte es erneut, bevor die Schwertmänner ihre Geschosse lösten. Einer der vorderen Naïns war jedoch abgelenkt, als ihn eine herabschlagende Klaue an der Schulter in die Höhle riss. Ein Pfeil bohrte sich sirrend in den klauenendenden Fuß einer Morroval, sodass diese ihre Beute kreischend losließ. Ein weiteres Geschoss verfehlte sein Ziel hingegen nicht und traf unbeabsichtigt den verletzten Speerkämpfer. Ein vor ihm fliegendes Ungetüm blieb dafür leider in der Luft und schlug ihm ruckartig die Zähne ins Gesicht. Mit im Nacken vibrierendem Schaft und herausgerissenem Gesicht, viel dieser wortlos und vornüber in die Tiefe. Vier weitere Morroval stürzten getroffen hinterher.
Der Tunnelzugang zur Höhle war frei und so rückten die Kämpfer aus dem schützenden Tunnel. Die Bogenschützen bezogen Stellung hinter dem Vorsprung und richteten sich nach den Angreifenden.
Speer-, Axt- und Schwertkämpfer deckten die Fernkämpfer. Die beflissene Situation hatte sich zugunsten der Verbündeten gewendet. Immer mehr dieser fliegenden Wesen beendeten ihr Leben kreischend und fielen mit plumpsenden Geräuschen unten aufkommend aus der Luft. Auf der Sohle der Höhle, abseits ihrer Reichweite, sammelten sich einige Morroval. Aggressiv und kampfesmutig reckten sie gurgelnd wie zischend ihre abartigen Fratzen voran und scharrten mit den Füßen. Sie schützten die Königin, die sich noch immer in gebärender Haltung befand und krampfhaft stöhnte.
»Holt mir die verbliebenen Viecher aus der Luft«, raunte der oberste Schwertmann und nestelte mit schwitzigen Fingern den Griff seines Schwertes.
»Wir haben kaum noch Pfeile, Herr.«
»Verflucht. Galoth, Kabar. Wir müssen da runter.«
Die beiden Angesprochenen gestikulierten wortlos mit ihren Händen und verschmolzen mit den Schatten der Felsen, vier Speerkämpfer folgten ihnen unaufgefordert. Die Bogenschützen behielten sie im Auge, ab und an pfiff ein Pfeil an ihnen vorbei und ließ eine Morroval aufheulen, die entweder der verursachten Wunde erlag oder schmerzerfüllt Deckung suchte. Die hinabschleichenden Naïns hatten ihren Weg fest im Blick und wechselten nur kurzzeitig die Richtung, um verwundeten Feindbegegnungen den letzten Hieb spüren zu lassen.
Links wurde eine hinabgeworfene Fackel aufgehoben und aufgerichtet. Rechts geriet selbes Szenario ins Blickfeld der Wartenden. »Sie sind unten«, kommentierte Aguschal.
Behänden kletterten die Nahkämpfer die Hänge hinab und hielten sich in den Schatten versteckt. Diejenigen, die noch über Pfeile verfügten teilten diese unterdessen auf und suchten nach brauchbaren Stellungen, von denen man auch Bodenziele spicken konnte. Zwei Morroval erhoben sich vom Grund und flogen durch die Höhle. Sie erkundeten offensichtlich die Lage, da die Kämpfer von ihrer Position aus nicht mehr zu sehen waren. Gutturale Schreie dröhnten den Gefährten in den Ohren und die beiden fliegenden Kundschafter landeten auf dem oberen Vorsprung zum Tunneleingang. Weder Schwertmann noch Naïn hielten sich in der Nähe auf und duckten sich tief in die verdeckenden Schatten. Einer der Bogenschützen hob und spannte seinen Bogen, doch Jarik legte ihm schnell die Hand auf und schüttelt den Kopf.
Erneutes kullerndes Kreischen begleitete die sich wieder erhebenden Morroval, die etwa mittig der Höhle verweilten und sich stetig in der Luft drehten. Ein markerschütternder Schrei wallte immer lauter auf, der den Boden erzittern ließ. Das gewaltige beflügelte Monstrum bäumte sich beginnend der Hüfte auf und spreizte weit die Beine. Bei genauerer Betrachtung konnte man die wallenden Bewegungen ihres Bauches erkennen.
»Sie steht kurz vor der Niederkunft. Wir müssen uns beeilen«, flüsterte Aguschal drängend.
Jarik gab Zeichen und Galoth griff zu der aufgesteckten Fackel. Sie warteten auf selbiges Signal gegenüberliegend. Da - endlich wurde diese ergriffen und angehoben.
Ein erschrockenes Grunzen ertönte, dann ein schmatzen begleitet von einem herzzerreißenden Schmerzensschrei. Alle Gefährten und die vor ihnen wachenden Morroval sahen auf. Einer der Schwertmänner stürzte aus seiner Deckung und landete mit einer tief aufklaffenden Wunde in der Schulter zu Boden. Der Mann presste die freie Hand auf die stark blutende Verletzung und versuchte sich mit schabenden Füßen in Sicherheit zu bringen. Blut sickerte unaufhaltsam zwischen seinen Fingern hervor und verbreitete einen kupfernden Geruch, der die Morroval anzutörnen schien. Eine dieser Bestien sprang kreischen aus den Schatten hervor, aus dem der Schwertmann hervorstürzte. Sie musste sich im Schutze der Felsen hinterrücks angeschlichen haben.
»Yaeko, nein!«
Es gab für die Gefährten keinen Halt mehr, jegliche Schatten schienen sich zu bewegen. »Ai-Oi!«, brüllte Aguschal.
»Angriff!«, kreischte Jarik schmerzerfüllt hintendran.
Von beiden Seiten drängten sie auf die vollends verunsicherten Morroval ein, ihre Königen sah zerrüttet um sich, war aber glücklicherweise nicht in der Lage einzuschreiten. Sie schrie stattdessen leidend und wutentbrannt auf. Die Morroval, die aus dem Schatten gesprungen und für Yaekos Verletzung verantwortlich war, stürzte sich erneut auf ihr Opfer. Sie bearbeitete seinen Körper mit den Klauen ihrer Füße und biss wiederkehrend zu. Die in der Luft fliegenden Kundschafter fielen pfeilgespickt abwärts und landeten mit verrenkten Gliedern neben ihrer Königen, die sich wandte und guttural aufbrüllte. Ihr Bauch wurde von innen stark traktiert und sie spreizte ihre Beine weiter auseinander. Blut sickerte aus ihrer Scham und Schaum bildete sich vor ihrem Maul.
»Vernichtet sie!«, hallte es als Echo durch die Höhle.
Jarik eilte mit gezogenem Schwert übers Feld, hinüber zu dem nun ruhig daliegenden Yaeko. Die Morroval mit blutverschmierter Schnauze und klauen über ihm.
»Nein!«, brüllte er zugleich wütend und schmerzgepeinigt auf und beschleunigte seinen Lauf. Er holte weit aus und sprang ihr die letzten wenigen Entfernungen entgegen. Ein Pfeil pfiff an ihm vorbei und grub sich tief in ihr Fleisch. Die Getroffene kreischte erschrocken und griff sich mit den klauen an den verletzten Hals – vergebens. Jarik war heran und schlug ihr mit gewaltgeladenem Schlag den Kopf vom Rumpf, der durch die Wucht des Hiebes beinahe zwei Längen weit quer durch die Höhle fegte. Keuchend warf er das Schwert von sich und fiel auf die Knie. Er rüttelte und schüttelte den schlaff daliegenden Körper, drehte ihn zur Seite und hielt seinen Freund in den Armen. Dort wo einst ein Gesicht saß, klaffte nur ein blutiges Loch. Die gefräßige Schnauze der Morroval hatte ihm Nase und ein Auge weggerissen. Das linke Ohr baumelte noch an einem blutend zerfetzten Hautlappen der verbliebenen Wange. Ein lichtloses Auge blickte ihm mahnend, aus dem bluttriefendem etwas entgegen. Yaeko war Tod.