»Grundstellung«, rief Delavar, beobachtete jedwede Haltung der Prüflinge und hob den rechten Arm. Nachdem er zufrieden mit dem war, was er sah, ließ er diesen sinken. »Kämpft.«
Arion sprang sogleich mit einem Ausruf und ohne Vorwarnung vor und bedrängte seinen Gegner mit harten Schlägen, deren Si'mon nur schwer etwas entgegenzusetzen vermochte.
Rechts, rechts, links, Brust und Kopf. Die heftigen Hiebe kamen zu schnell und so verschätzte er sich, um den zuletzt geführten Streich erfolgreich abzuwehren. Gleichwohl die Klinge des Gegenübers abgelenkt und somit nur die flache Seite seine Schläfe traf, blieb der Effekt dennoch betäubend. Erschrockene Rufe und raunen wallten durch die Reihen. Es galt als oberstes Gebot, Waffen niemals auf Kopfhöhe zu führen. Ly'an weitete angsterfüllt die Augen und schlug sich beide Hände vor den Mund, um einen Schreckensaufruf zu unterdrücken. Auch wenn sie als anerkanntes Oberhaupt dieses Hains galt, durfte sie erst in die Abläufe der Reifeprüfungen einschreiten, sobald ein Proband Gefahr lief, schweren Schaden davonzutragen.
Si'mon verdrehte benommen die Augen und sank wie ein lebloser Sack zu Boden. Blut lief ihm links der Schläfe herab.
»Steh auf, du Bastard. Bringen wir es zu Ende. Nur du und ich, Lynka gegen Lynke.« Arion stolzierte aufgebracht drei Schritte nach rechts und dieselbe Anzahl nach Links, ohne jedoch den Blick von seinem Gegner zu lassen. Gelassen hielt er seine Waffe in der Hand, bereit zu jeder Zeit abermals davon gebrauch zu machen. Mit jedem seiner Worte troff Hohn auf die Linie Lynkes und nicht minder wenige ballten entrüstet die Fäuste. Delavar lächelte zufrieden und seine Augen strahlten vor Schadenfreude.
»Was ist mit dir, Prinz?« Er spuckte vor sich zu Boden, beugte sich vor und schnüffelte wie ein Hund. »Du Schwächling. Du siehst nicht nur aus wie ein Mensch, du stinkst auch wie einer - Bastard. Abkömmling einer aussterbenden Linie.« Den letzten Satz schrie er zum Entsetzen Umstehender und erntete offensichtlich gespielte Missgunst Delavars. Das war eindeutig zu viel des Guten und das dünne Band der Einheit schien zum Bersten gespannt.
Erboste Mienen straften den überheblichen Ziehsohn des Schwertmeisters und Si'mons Züge verhärteten sich. Träge hob er den Kopf, schluckte einen scheinbar schweren Kloß und führte die linke Hand an die Schläfe. Er begutachtete die warme klebrige Flüssigkeit an den Fingern und zerrieb dieses mit dem Daumen auf Zeige- und Ringfinger.
Sein Blick begegnete den Arions, der immer noch erregt auf und ab schritt. Die Stimme gesenkt und belegt richtete er sich vorsichtig auf. Er war nicht mehr der verträumte Si'mon, den allesamt kannten und mieden. Seiner freiheitlichen Kindheit schmerzlichst beraubt und der gesamten Erblinie beleidigt, war er von jetzt auf Erwachsen geworden.
»Und von wem willst ausgerechnet du wissen, wie ein Mensch riecht? Du bist genau wie alle anderen in unserem Alter in der Obhut dieses Hains geboren. Du wagst dich nicht einmal ansatzweise in die Nähe der Umgrenzung, um besagten Menschen nahezukommen. Waren es nicht auch eben jene, deren die Lynkas ihr Leben verdanken?«
Arion blieb ihm eine Antwort schuldig, sein Kiefer mahlte und die Lippen zeichneten einen blutleeren Strich. Lediglich Umstehende murmelten bestätigende Worte. Einzelne Betroffene nickten zustimmend.
»Wer hat dir zugeflüstert, dass die Line der Lynken eine aussterbende sei? Waren es nicht wir, die der deinen eine Zuflucht bot? Ich bin der Sohn des hiesigen Oberhauptes und somit so etwas wie ein Prinz, ja. Was Arion bist du? Eine plappernde Schwinge, die unentwegt nachbrabbelt, was andere ihr beibringen oder schlicht ein Versager, der nur austeilen kann, wenn er den starken Arm seines Onkels im Rücken weiß?«
Es war Delavar, der einlenkte und strafende Blicke Si'mons erfuhr. In jenem Blick wart Unbeschreibliches. Eine Inbrunst, die ihn schaudern ließ. Ihm fröstelte, besah sich gleichwohl und wahrte den Schein. »Ruhe! Die Reifeprüfung wird nicht mit Worten gefochten. Grundstellung und Kampf!«
Zu aller Verwunderung lächelte Si'mon und zeigte mit der Spitze seiner leicht gekrümmten Klinge auf den Schwertmeister und nickte. »Ich mag halb Mensch und halb Lynke sein. Aber Du und deines Gleichen seid überheblich und niemandem überlegen. Gleichwohl sind wir im Herzen ein, vergiss das nicht.«
»Beweise es mit Taten, nicht mit Worten.« Delavar sickerte in diesem Moment ins Bewusstsein, dass Si'mon sich zu einer unverkennbaren Gefahr entwickelte. Aus dem Augenwinkel bemerkte er Gesten beider Linien, die dem Jungen Gegenüber nicht herzlicher hätten sein können.
»Jetzt Junge, jetzt«, raunte Ma'rit und erntete fragende Blicke der mit ihm gekommenen.