Die Anwesenden hielten einander argwöhnisch im Auge. Jeder wusste, was es beuteten würde, sich gegen den jungen Alanel und somit Delevar zu stellen. Si'mon war bereits geschlagen und behauptete sich nun erneut gegen seinen Kontrahenten. Auffällig war sein mannhaftes Verhalten ihnen gegenüber, ja sogar allen, beider Linien.
Der Sohn Ly'ans nickte Bereitschaft und ging in Grundstellung. Nicht jedoch in die vom Schwertmeister gelehrter, sondern in jener der Lynken - in Sturmhaltung.
Den rechten Fuß einen halben Schritt, abschüssig und rückwärtig angewinkelt. Den Linken gerade voran ausgerichtet und das Bein gebeugt. Den Oberkörper hielt er nach vorn gerichtet, als würde er dem Wind trotzen. Die Schwerthand bildete mit der Klinge des Schwertes eine Linie und verlief parallel mit dem nach hinten versetzten Bein. Die Schwertspitze verweilte etwa eine Zehntlänge über dem Boden. Sein Körper schien unter Spannung, seine Muskeln hingegen blieben entspannt.
Allesamt stockte der Atem, so auch Delavar, dessen Blick eingefroren auf Si'mon haftete. Er bekam kein Wort heraus und so oblag es Ly'an, die die Stille brach und zum Kampf ausrief.
Widererwartend sprang Arion vor und besah Si'mon abermals mit harten Schlägen. Kein Einziger gelang in dessen Nähe und so verstärkte er seine Anstrengungen. Schweiß rann seiner Stirn hinab. Beinahe spielerisch wehrte oder blockte Si'mon jedweden Streich. »Na, schon aus der Puste«, honte er gelassen. »Soll ich dir zeigen, wie ein Lynke kämpft?«, erkundigte er sich unverfroren und mit verschmitztem Lächeln. Heiterkeit beschrieb seine Züge am deutlichsten.
Die Klinge Si'mons tanzte durch die Luft und umschrieb nahezu wahnwitzige Spiegelungen, wo die Strahlen der Sonne Metal berührten. Es schien, als habe die Waffe ein Eigenleben und könne den Gegner bewusst nicht treffen. Doch nach und nach hing die Kleidung seines Kontrahenten schier in Fetzen.
»Was ...«
»Sch ...«, mahnte Ma'rit.
Arion trat vollkommen außer Atem mehrere Schritte zurück. Marginale Schnitte, nur so Tief, dass sich ein einzelner Blutstropfen in jenen sammelte, zeugte von geschlagenen Wunden. Keine Einzige würde bleibende Male hinterlassen.
Si'mons Nasenflügel bebten. Er nahm Anlauf und vollführte eine aus der Hüfte begonnen Drehung um die eigene Achse und zog schwungvoll das Schwert nach. Schreckenslaute echoten und Delavars Gesicht verlor jegliche Farbe. Der erwartende Hieb blieb jedoch aus. Die Schneide der Waffe schwang keinen Finger breit an Arions Hals, der die Augen verdrehte und bewusstlos zusammensackte.
Der Gemiedene schnaubte verachtend aus und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß aus dem Gesicht. »Eine aussterbende Line wie?« Seine linke Braue verzog sich fragend in die Höhe.
Ly'an sah hinauf in die Schatten der Bäume und schweifte über die üppig wachsenden Sträucher. Kein Laut verließ ihre Lippen, sie formten jedoch dieses eine Wort. »Ma'rit«.
Der Schwertmeister trat vor und drückte die noch gehobene Klinge mit der flachen Rechten zur Seite. »Du bedienst dich einer Grundstellung, die nicht mehr gelehrt wird. Du vollführst einen Schwerttanz, der seines gleichen sucht. Dafür verdienst du Lob. Dennoch kann und werde ich diese Unverfrorenheit nicht tolerieren. Du hast die Reifeprüfung nicht bestanden.« Er enthielt sich vorzugsweise jeglichen Kommentars, wer ihm wohl so zu kämpfen beibrachte.
Die Umstehenden raunten, wurden jedoch sogleich still, als sie die mahnenden Blicke Delavars trafen.
»Noch nie durfte ich einem Jungen so mit der Klinge tanzen sehen. Wie kann man ihn missbilligen?«
»Erinnere dich meiner Worte, Alanel.«
Dieser nickte verstehend und sah wieder hinab. »So werden unsere Linien nicht wieder eins.«
»Glaub mir, eben darauf spekuliert er.«