Ly'an überging die herausfordernde Spitze Delevars und schenkte ihm stattdessen ein süffisantes Lächeln, gleichwohl mit einem Anflug von Berechnung und man könnte durchaus annehmen, ihre Mimik deutete einen Hauch von Überlegenheit aus. Eine kräftige Hand legte sich auf die linke Schulter des Schwertmeisters und drückte unsanft zu.
»Erebor ist Schutz genug, mag sein. Aber was ist mit dem Schutze im Schutz? Wer behütet das Volk vor seinem Eigenen, wenn der Hass bereits in diesem Hain sich beginnt auszudehnen?«
Delavar versteifte sich. Noch während er bestrebt war sich zu erheben, glitt seine Rechte zum Handstück seines Schwertes. Stünde Ma'rit nicht mit seinem Bein platziert direkt hinter dem Stuhl, um ihn diesen augenblicklich zurück in die Kniekehlen zu stoßen, wäre in diesem Raum womöglich Blut geflossen. Sein Blick wechselte von Ma'rit zu Ly'an und zurück.
»So ist das also. Ihr untergrabt meine Autorität.«
»Mhm, so ist das nicht Delevar. Du und die deinen kamt zu uns und lebt seit her mit den unsrigen in der Obhut Erebors. Es war gut Will und die reichende Hand, dass dir die Aufgabe des Schwertmeisters nahegelegt wurde ... Trotz meines Unbehagens.«
»Was willst du mir damit sagen, Geächteter?«
Merklich und deutlichst wahrzunehmen versteifte sich die Wache an der Tür, doch Ma'rit gab mit der rechten ein Zeichen, welches zur Ruhe gemahnte.
»Du wagst es, meiner Linie Befehle zu erteilen?«
»Deine Line? Mmh.« Ma'rit griff sich mit der freien Hand ans Kinn und strich gedankenverloren darüber. Seine andere blieb in Reichweite seiner eigenen Waffe. »Erkläre uns doch eines. Aus welchem Grunde sind es Angehörige aus eben deiner Linie, die Ly'an ... dem Oberhaupt der Blutlinie Lynkes ... die Treue geloben?«
Delavars Augen verengten sich zu Schlitze und besah dem Posten mit vernichtendem Blick. »Ihr hättet in der Umgrenzung bleiben sollen«, ächzte er dem Posten zu.
Ly'an erhob sich und beugte sich mit den Handflächen auf dem Tisch gelehnt vor. »Delavar, deinem Urteil zu Grunde hat Si'mon die Reifeprüfung nicht bestanden, weil er sich deinen Lehren nicht annahm. Als Schwertmeister ist dies dein Recht. Fortan jedoch habe ich den Stand des Wachtmeisters und deren der Wächter erneut einberufen. Ma'rit meinen Bruder und vorherigen Schwertmeister habe ich als Oberhaupt dieses Hains dazu erkoren. Es unterliegt einzig seiner Verantwortung, Wächter zu benennen. Weiterhin werden auch sie es sein, die die Obhut als auch die möglichen Zugänge der Umgrenzung im Auge behalten. Ganz so, wie sie es seit ihrer Verbannung bereits taten.«
Delavar nickte resigniert aber keinesfalls geschlagen. »Und meine Aufgabe als Schwertmeister wird sein?«
»Dem Volk weiterhin als eben jener zu dienen und auszubilden. Doch jene, die sich dem Wachtmeister unterstellen, bilden sich auch in jenen Künsten, die mein Haus vorgeben.«
Aufmerksam beobachtet blieb es niemanden der Anwesenden verborgen, dass der in seiner Kompetenz beschnittene Schwertmeister vor Wut zitterte. Sein Adamsapfel vibrierte. »Wen dem so ist, werde ich jetzt gehen. Mit eurer Erlaubnis selbstverständlich.«
»Nur zu, Delavar.«
Jener sah zu Ma'rit, der zur Seite trat, und erhob sich. Er blieb noch weitere zwei Atemzüge vor der Wache stehen und durchbohrte diesen mit unbeschreiblichem Blick, bevor er ohne weitere Worte davoneilte.
Die Anspannung verließ die Anwesenden des Saales und der Wächter trat vor. »Wachtmeister also? Glückwunsch.«
»Abwarten Alanel. Etwas betrübt deinen Blick, mein Freund. Teil deine Gedanken mit uns«, forderte Ma'rit ihn auf.
»Er wird Vergeltung suchen. Ly'an hat ihn nicht nur in seinem Tun eingeschränkt, er Weiß jetzt auch, dass es Lynkas gibt, die sich ihm offen entgegenstellen und eine Wiedervereinigung anstreben.«
»Vergeltung. Das Werkzeug der Unvernunft.«
»Ihr habt Recht Herrin. Er wird sich jedoch nicht offenkundig rächen.«
Ihr Blick hob sich. »Verrat oder Niedertracht?«
Alanel verzog die Lippen und zuckte mit den Schultern. »Ich Weiß es nicht. Ich befürchte hingegen, dass er sich das schwächste Glied wählen wird.«
»Si'mon«, hauchte sie und sah mit großen Augen zu ihrem Bruder.
»Ich werde ihn wie immer im Auge behalten Schwester, keine Sorge.«