Piwik saß auf Si'mons linker Schulter und wedelte aufgeregt mit seinem Schwanz, der immer wieder an seinem Nacken entlangwischte.
Gemeinsam befanden sie sich vor einem ungeahnt großflächigen mit dicken Stämmen umfriedeten Weiler, wenn man anhand der angenommenen Größe denn überhaupt noch von einem solchen sprechen könne. Dessen zwei Mal ein Längen breites Tor war in Richtung des Waldes ausgerichtet und fest verschlossen. Mit abschätzendem Blick hinauf vermutete er mindestens ebenso zwei Längen, eher mehr.
Seicht aufwallende Böen zogen über die Felder und zeichneten wunderschöne sich stetig bewegende Bilder in den nachgebenden Getreidehalmen.
»Piwik hör auf damit.« Mit der rechten wischte er sich zum wiederholten Male den behaarten Puschel vom Ohr, der ihn fortwährend kitzelte. Ungezählte Atemzüge lang bewegten sie sich nicht vom Fleck und beobachteten das unbeugsam dastehende Holz. Ab und an blickten sie mal zur einen Seite mal zur anderen. Besseren Wissens keinerlei Antwort zu erhalten und nur um die drückende Stille zu durchbrechen, sprach er zu seinem Begleiter. »Was tun wir überhaupt hier Piwik? Nichts wird sich ändern, auch wenn wir noch so lange herumstehen.«
Angesprochener sah ihn an und fiepte. »Was meinst du, sollen wir einmal drum herum und sehen, ob wir einen einfacheren Zugang finden?«
Si'mon lächelte, als sein steter Begleiter abermals ihm bekannte Laute von sich gab. »Dann mal los.«
Sie marschierten los, der Anblick unentwegt das gleiche. Erntefähige Felder, so weit das Auge reichte und zur Linken eine unüberwindbare Wand aus Holz. An keiner ersichtlichen Stelle zeugten Schäden gar Spuren von Kampf oder Eindringlingen. Die Palisade schien vollends unbeschadet und dem Anschein nach genauso, wie seine Erbauer sie vollendeten.
Wieder standen sie vor dem nach wie vor verschlossenen Tor. Niemand schien Mitleid mit ihnen zu haben und es öffnen zu wollen. Ja wie auch. Waren womöglich alle diesem grauen Einfluss erlegen, sofern denn überhaupt irgendjemand sich hinter dieser Palisade befand und dieser Ort vollends ausgestorben war.
Mit zusammengepressten Lippen nickte er und atmete tief aber schwer ein und wieder aus. Das einzeige, was er bisher erfolgreich sich zuschreiben konnte, war den Bann, um etwa eine Länge rund um die Umfriedung zurückzudrängen.
Saftiges Grün reckte sich den wärmenden Strahlen der Sonne entgegen, dort, wo er zuvor entlangschritt, erkannte er seine eigen hinterlassenen Spuren.
Eine weitere Runde den Weiler herum und der laue Wind würde ihm vermutlich den Duft frischen Getreides in die Nase wehen.
Sein kleiner Wegbegleiter sprang unerwartet von der Schulter und kletterte der Palisade empor. Oben auf dem abgerundeten Ende eines Stammes blieb er auf den Hinterläufen stehen und sah sich um.
»Piwik, was siehst du?«
»Freundemensch, Zweibein.«
Erschrocken weiteten sich Si'mons Augen. Mithrodin zerschnitt die Luft und er drehte sich spähend um die eigene Achse, bereit, jedweden Feind ohne Umschweife entgegenzutreten. Niemand befand sich hingegen in unmittelbarer Nähe noch in der Ferne. »Zeig dich, stell dich mir«, forderte er und begab sich in Sturmstellung.
Von oben schaute Piwik auf allen Vieren niedergelassen herab und fiepte. »Kein Feind weit und breit.«
Si'mon zwängte einen bitteren Kloß seinem Hals hinab und trat zurück, sein Rücken berührte das raue Holz der Palisade. Es war niemand da, den er mit seinem Schwert hätte bekämpfen können und so hob er langsam den Blick und begegnete den seines braunen Begleiters. »Was geht hier vor, was geschiet mit mir«, hauchte er.
Sein Freund und ständiger Wegbegleiter, den er bereits von klein auf behütete, schien ihn zu mustern.
Eine ihm bekannte weibliche Stimme mischte sich in seine Gedanken, schwach und wispernd hingegen intensiver und verständlicher als beim ersten Mal. »Habe keine Furcht junger Si'mon, Erbe und Bote ungleichen Geschlechts. In deinen Adern vereinen sich die Blutlinien zweier Völker. Nebst Stärke und Robustheit der einen ließ dir die andere Ausdauer, Behändigkeit und Güte zu Teil werden. Durch Erebors Segen empfing der Samen der dich geschaffen, Verbundenheit zur Natur - zu mir. Des Urbaums Geschenk an dich ist dein Begleiter. Mit dem Erwachen des Auserwählten vertiefte sich euer Bündnis.«
»Bist du ... Gaya? Kann ich mit dir reden? Ich habe ... so viele Fragen.«
Die Stimme klang entkräftet, doch bevor sie gänzlich versiegte, hinterließ sie folgende Worte. »Ja. Aber noch fehlen mir die nötigen Kräfte.«