Akkon, 1249
Joran zögerte zwei Tage, doch dann hielt er es nicht mehr aus und konfrontierte Lucca mit seinem Verdacht der Schmuck sei Diebesgut.
Lucca lachte ihn aus. »Du sollst die Sachen verkaufen, Söhnchen. Wo sie herkommen, braucht dich nicht zu kümmern.«
»An diesem Schmuck klebt Blut! Damit will ich nichts zu tun haben.«
»Hast du aber schon. Was glaubst du wohl, wie viele Dorfbewohner dich im Haus des getöteten Goldschmiedes gesehen haben? Dich, einen Ungläubigen?«
»Genügend, um zu bezeugen, dass ich den Mann nicht getötet habe.«
Lucca lachte erneut. »Wie wenig du doch vom Leben weißt, Söhnchen. Geh nach Hause und tu deine Arbeit. Sei klug und stecke deine Nase nicht in Dinge, die sich als schlecht für deine Gesundheit erweisen könnten.«
Joran ging nach Hause, packte Luccas Waren in Kisten und schickte sie zurück. Danach fühlte er sich besser.
Eine Woche lang geschah nichts Bemerkenswertes. Joran ging wie jeden Mittag zum Hafen und hielt nach dem Postschiff aus Venedig Ausschau. Doch auch an diesem Tag war keine Nachricht für ihn dabei.
Er glaubte, nicht richtig zu sehen, als er später zu seinem Haus zurückkam. Die Haustür war aufgebrochen und hing schief in ihren Angeln. Er sah schwer bewaffneten Soldaten auf dem Dach und in den Seitengassen, die eindeutig nach etwas Ausschau hielten. Nach ihm? Hatte man versucht, in sein Kontor einzubrechen? Er öffnete schon den Mund, um sich bemerkbar zu machen, doch der Ruf erstarb ihm auf den Lippen. An der Seite eines Soldaten erkannte er den Alten aus dem Dorf, der ihm vom Tod des Goldschmiedes berichtet hatte. Luccas Worte schossen ihm durch den Kopf. Sein Verstand zog die richtigen Schlüsse, während sein Herz sich noch weigerte, die Konsequenzen zu begreifen. Er drehte sich um und rannte. Die Gasse entlang, durch die er gekommen war zum Stall, in dem sein neu erworbener Hengst untergebracht war. Mit fliegenden Fingern sattelte er das Tier. Aus der Kammer des Stallmeisters stahl er Brot und ein wenig Futter für den Hengst. Mit einem Gefühl wie Würgen im Hals führte er den Fuchs durch die Gassen Richtung Stadttor. Er saß auf und trieb das Tier im Galopp durch das Tor hinaus in die Freiheit. Er brauchte Zeit zum Nachdenken. Das ist alles ein Irrtum, schrie sein Herz, doch sein Verstand ließ sich nicht überzeugen. Hinter Luccas scheinbar so beiläufigen Worten hatte sich eine Drohung verborgen und er war zu arglos gewesen, um die Gefahr zu erkennen. Was sollte er jetzt tun?
Nach Akkon konnte er keinesfalls zurück, denn er hatte nicht vor, sich für eine Tat anklagen zu lassen, die er nicht begangen hatte. Mit Luccas undurchsichtigen Geschäften war er ohnehin fertig. Er hatte ein wenig Geld bei sich, und wenn er das Pferd verkaufte, würde die Summe für einen Platz auf einem auslaufenden Schiff reichen. Nach Hause! Dazu musste er jedoch erst einmal eine Hafenstadt erreichen. Haifa und Jaffa lagen südlich von Akkon, so viel wusste er. Doch seine Vorstellung von der Entfernung war bestenfalls vage. Was sollte er tun, wenn sein Proviant nicht reichte?
Joran seufzte, drehte sich im Sattel halb um die eigene Achse. Aber das Bild war überall gleich, ganz egal, in welche Richtung er blickte. Am besten erhielt sich so nahe wie möglich an der Küste. Mit neuer Zuversicht trieb er seinen Hengst an.