»Sag Wolff, du unterliegst doch dem Geheiß des Königs?«
Verunsichert, was er ihm damit andeuten wolle, verzog Angesprochener die Brauen. Die Zügel lose in der Rechten haltend sah er zu ihm hinüber. »Sicher.«
»Gut. Sag mir, wie viele kampffähige Männer umfasst Senkenthal.«
Wolff nickte. »Mich wundert, dass du erst jetzt fragst. Du hast einen Blick dafür wie sich jemand bewegt.«
»Ich weiß immerhin abzuschätzen, wer reiten und kämpfen kann. Also?«
»Als ich meines Kommandos enthoben wurde, ritten zwei Zehnen mit mir. Von den Bewohnern selbst würden wir ohne Umschweife dieselbe Anzahl noch einmal zu den Waffen bekommen.«
Si'mon musterte den Waldrand und den seiner Ansicht nach schmaler gewordenen Pfad hindurch, den er gegangen, als er seinem Ziel folgend Senkenthal befreite. Eines der mit seinem Blut gefüllten Röhrchen rollte in seiner geöffneten Hand hin und her. Leicht kippte er es dabei vor und zurück. Sein Pferd tänzelte, hob und senkte zustimmend den Kopf, als wolle es ihn ermutigen. Er holte weit aus und warf das Gefäß voraus.
Gemeinsam verfolgten sie den trudelnden Flug des Wurfgeschosses. Wolff hielt den Atem an, nur Si'mon schien gelassen. Es gab nur zweierlei Möglichkeiten. Es funktionierte oder eben nicht. Erstere Variante galt als die angemessenere.
Er glaubte es Splittern zu hören, als das Röhrchen auf Widerstand traf, doch wiedererwartend geschah nicht das geringste. Mit gesenktem Blick schülpte er die Lippen übereinander und war im Begriff sein Pferd zu wenden als er ein leichtes Grollen und Zittern vernahm.
Beide Tiere benahmen sich unversehens unruhig. Wolff hob den Kopf und weitete die Augen, die er mit der flachgehaltenen Linken beschattete. Ein Geräusch unzähliger schlagender Flügel zerriss die Stille. Es war wie erhofft, das lähmende Grau - dieser unsägliche Bann - zog sich wie bei einer Hatz zurück. Was zuvor noch farblos und aschfahl wechselte abrupt in saftiges Grün, schmutziges Braun und jegliche Farbvorkommen, die die Natur zu bieten im Stande war. Etliche Schwingen begrüßten ihr wiedererwachtes Leben und stoben aus den Kronen umstehender Bäume. Wolff klopfte sich heiter auf die Oberschenkel und lachte beherzt. Wie ein kleiner Junge zeigte er auf die auffliegenden Tiere verschiedenster Größen.
Si'mon ergriff die Zügel und wendete sein Pferd. Sie hatten Gewissheit, dass die Röhrchen funktionierten. »Wolff.«
Angesprochener hob freudigen Blickes die Brauen und blickte in eine ihm bestens vertraute Mine. Ihm schauderte und seine Härchen an den Unterarmen richteten sich auf. »Du bist deinem Vater ähnlicher als mir bisher bewusst.«
Unbeachteter Dinge betrachtete Si'mon die unstet von rechts nach links musternden Augen seines Begleiters. »Kommandant und Heerführer. Legt eure Rüstung an und benennt zwei Zehnen, die dem Heer angehörig sein werden. Bereitet euch vor und befreit unsere Garnison im ›Tiefwald‹.«
Wolff erwartete keine weiteren Erklärungen, richtete sich mit stolzbeladener Brust gerade auf und nickte. »Wie mein König befielt.«