Alanel berichtete seinen Rettern von Grom und das sich in südlicher Richtung, unweit des Flusses sich einer jener Ursprünge befände, die für den lähmenden Bann verantwortlich sei. Er ermahnte sie ungeachtet dessen vorsichtig zu sein. Er habe drei Trolle und doppelt so viele Nordnomaden beobachtet. Die Erklärungen erschütterten die Krieger und ließen sie verwundert dreinblicken, niemand verstand ihr tun und die Absichten dahinter.
Wolff überließ Alanel fünf seiner Röhrchen und drängte ihn ebenso viele seiner Männer als Geleit auf.
Wolff ritt mit seinen übrigen Kämpfern weiter in östliche Richtung, um die Garnison zu erreichen. Sie hegten die Absicht nicht in diesem unsicheren Wald, noch dazu mit dieser seltsamen Lähmung, unnötiger weise zu lagern. Sie Waren bereits seit der vergangenen Nacht hindurch unterwegs und wollten bis Einbruch der nahenden ihre Wegstrecke bewältigt wissen.
Kaum dass Wolff und die seinen außer Sicht gelangten, wurden die fünf Zurückgelassenen auffallend unruhig. Alanel lächelte in sich hinein, als er ihr Unbehagen spürte. Sie warfen sich viel sagende Blicke zu und wussten nicht wohin mit ihren nervös haltenden Händen.
»Folgt mir. Wir nehmen den Pass unweit von hier. Dieser führt uns auf die bewaldete Hochebene.«
»Was gedenkt ihr dort zu finden, Herr Alanel?«
Angesprochener sah auf. »Ihr begleitet mich zu einem unserer ... Siedlungen. Das Haus der Schwingenreiter. Der Kontakt brach unvermittelt ab und ich möchte die Gelegenheit, die mir durch Si'mon zu teil wurde, nutzen, um herauszufinden, was damals geschah.«
»Haus der Schwingenreiter?«
Alanel erklärte, dass Angehörige jenes Hauses sich mit verschiedenen Schwingenarten geistig verbinden konnten. Allzu gern verbanden sie sich mit den Großen und Kräftigen und entflohen so dem Alltag auf dem Boden. Sie flogen mit ihnen, jagten mit ihnen und lenkten sie bei intensiveren Vereinigungen sogar bis weit auf das Meer hinaus. Die Fähigsten unter ihnen waren in der Lage die Tiere gar in kriegerischen Auseinandersetzungen einzubeziehen und galten als willkommenes Ablenkungsmanöver.
Ihr Weg hinauf auf die Hochebene verlief ereignislos, bis zu dem Moment, als Alanel unvermittelt stehen blieb. Er griff sich schmerzerfüllt und vornübergebeugt an die Brust und keuchte. »Oh nein. Ma'rit hatte Recht. Die ... ganze ... Zeit ... Recht.«
»Was meint ihr«, wollte einer der Männer wissen.
Als Antwort deutete Alanel mit der linken voraus. Seine Rechte verweilte nach wie vor dort, wo sein Herz pochte. »Verrat«, war das einzig gesprochene Wort, welches ihm unsagbar schwer über die Lippen kam.
Das Brechen des umherliegenden Reisigs und Ästen war überdeutlich, als ein weiterer seiner Begleiter zu dem gewiesenem herantrat. Er litt Qualen und seine Hand begann zu krampfen.
Der Mann stand vor einem offenkundig aufgeworfenen Hügel und beugte sich vor. Seine Züge verzogen sich und er zuckte mit den Schultern. Was er sah, war für seine Begriffe unbedeutend. »Irgendjemand ein Loch gegraben, um eine mannsdicke Wurzel zu zertrennen.«
Alanel sank auf sein linkes Knie und hielt sich mit beiden Händen gestützt ab. Ein schmerzklingendes Grollen drang aus seiner Kehle.
Eine Hand wurde behutsam auf seine Schulter gelegt. »Was ist mit euch, was ist das für eine ... Wurzel?«
Anstatt zu antworten, richtete er sich beschwerlich auf, renkte seinen Kopf im Kreis und atmete tief ein. Wie ein geschlagener Greis betrat er das gegrabene Loch und musterte den entstandenen Schaden.
Ein Hoffnungsschimmer stahl sich in seine Züge, als er erkannte, dass die Wurzel nicht vollends zertrennt wurde, und rutschte vorsichtig, beinahe andächtig in das wuchtige Loch nieder.
Ehrfürchtig glitten seine Finger über das geschundene Holz.
»Dies meine Freunde ist ein Teil des Urbaums - Erebor. Es sind seine Wurzeln, die sich bis hin zu den Häusern unserer Brüder und Schwestern schlängeln. Dies hier ...« er legte die gesamte Hand flach auf. »... ist eine seiner Lebensadern. Durch diese Verbindungen waren sich die Haine stets nahe und wussten um einander.« Ein Schluchzer entwich seiner Lunge und er schloss die Augen. Er spürte keinerlei Leben.
»Woher weiß man, wo diese ... Adern, verlaufen?«
»Nur Gayadisten, unsere Naturverbundenen, waren in der Lage sie zu spüren«, erklang seine ermattende Antwort.
»Also Verrat.«
Die umstehenden Reiter senkten betroffen ihre Blicke, konnten sie sich vorstellen, wie sich der Lynke fühlen musste. Jener, der das Loch als Erster begutachtete zog eines der Röhrchen aus seinem, an der Hüfte baumenden, Lederbeutels.
Er hielt es in seiner Hand und überlegte. Er schülpte die Lippen und kaute auf ihnen gedankenverloren herum. Er ließ das Röhrchen zwischen seinen Fingern wandern und verharrte. Es vergingen lediglich Atemzüge, doch er hielt es Alanel vors Gesicht.