Es vergingen Tage wie Nächte an denen fleißige Hände unermüdlich Säge, Hammer, Beitel und Meißel nutzten. Durchdringend lag der Geruch nach frisch geschlagenem Holz in der Luft geschwängert mit den Düften sättigender Mahlzeiten und heißem Tee.
Seltsam, dachte sich Masetsro, einer der mutigen Recken Belletristicas. Da wurden sie, jene, die Land und Leute beschützen sollten, ausgesandt und die Hauptaufgaben übernahmen stets die Gleichen. Gemeinhin Männer, Frauen sogar deren Kinder. Die Furcht vor dem Unausweichlichen und ein Weg, der womöglich eine Zuflucht versprach, bewegt nicht nur Gemüter.
Man stelle sich nur vor, diese Leute da draußen. Gebildete Baumeister, erfahrene Handwerksleut und eben jene, die sich für ungebildet hielten, obgleich sie nebst den vorherigen die gleichen Arbeiten verrichteten. Hand in Hand gruben sie Löcher, hoben großflächige Fundamentebenen aus, trugen schwere Lasten, aßen und schliefen an ein und demselben Ort. Frierend vor Kälte, zitternd vor dem Feind. Das Einzige, was ihnen Zuversicht versprach, war ihr augenblickliches Tun.
Der gedachte Schaden an dem Turm, welchen sie zu verteidigen hatten, war weit geringer als zuvor angenommen. Kaum das die Gerüste standen, begannen Baumeister das alte Gemäuer fachkundig zu inspizieren und teilten gewissenhaft Arbeiten auf. Freie Kräfte ließen sie an gleich Dreien vorherbestimmten wie vermessenen Stellen mannstiefe Gruben ausheben, die bis auf festes Gestein hinabreichten.
Ebenso tiefe Gräben verbanden jene Mulden auf nahezu halber breite dieses einen Turmes.
»Maestro«, begann einer der von Belle eigenst erlesenen Baumeister. »Wenn wir schon vor Ort sind und dieser ...« Der Mann wies angeberisch hinter sich. »... trutzige Turm doch weitestgehend in Schuss ist, können wir unsere künftige bleibe auch vernünftig schützen.«
Was all diese Leute da draußen wohl sagen oder denken würden? Was täten sie, wenn sie es wüssten?
Gedankenverloren trommelte er sich mit den Fingern der rechten Hand nacheinander auf der Brust. Ebenjene Stelle, unter derer er die Zeilen der Muse verbarg.
»Maestro! Maestro!«
Alarmiert sprang gerufener auf und eilte aus seinem Zelt; ›Mithrodin‹ gezogen und bereit zum Kampf.
Abrupt kam jener, der sein Hauptmann war mit rudernden Armen zum Stehen. »Wa?!«
In Kampfhaltung stand er da. Das linke Bein angewinkelt, das Rechte seitwärts ausgestreckt; den Fuß quer. Seinen Oberkörper hielt er vornübergebeugt, das Kreuz jedoch durchgedrückt. Seine Klinge bildete mit dem Arm eine gerade Linie.
Bereit dem Feind zu begegnen, musterte er den Ankommenden.
Vorsichtig bewegte dieser sich und war sich den mitbewegenden Augen seines Gegenübers bewusst. »Maestro?«, erhob er beruhigend das Wort.
Dessen Mundwinkel zuckten, als er sich entspannte, sein Schwert zweimal mit dem Handgelenk umherschwang und in dessen Scheide versenkte. »Erschreckt mich doch nicht so.«
»Beim nächsten Mal werde ich besser Acht geben.«
»Recht so. Was gibt es Hauptmann?«
»Die ausgesandten Späher«, begann er und bemerkte die sich hebenden Augenbrauen des silbrig weiß gekleideten Mannes.
»Ja?« Die Stimme des Recken klang nun nicht mehr gelassen, eher unterkühlt und unterschwellig.
Der Hauptmann musste schlucken und atmete tief ein. Ein Kopfnicken verriet das er so weit war. »Es waren in der Summe glücklicherweise nur vierundsechzig.«
»Verluste?«
Ein Huschen überschatte die Züge des Mannes, als er verschmitzt den Kopf schüttelte. »Sie waren viel zu überrascht. Ihre kalten Hintern braten nunmehr auf aufgepflanzten Lanzen in der Sonne. Lediglich einen Verletzten haben wir zu beklagen.«
»Mmh. Schwer verwundet?«
»Nein Maestro. Er sitzt dort drüben und heult. Seht nur, er jammert wegen eines solch kleinen Splitters.«
Das Mischwesen, einerseits Falke, andererseits wiederum Mensch sah in gezeigte Richtung und runzelte die Stirn. Entweder sein Hauptmann war betrunken oder hatte eine seltsame Art von Humor.
»Fast zu bemitleiden, nicht wahr.«
»Hauptmann?«
Angesprochener sah auf und lächelte siegessicher.
»Wie würde es euch gefallen, wenn in Eurem Bein eine faustdicke Lanze steckt?«