Die nächsten Tage wurden nicht leicht für Sakura. Sie musste sich ungefähr ein Dutzend Mal erklären. Warum war sie fort geritten? Noch dazu allein? Wohin? Die Fragerei durch den Untersuchungsbeauftragten Bert wollte kein Ende nehmen. Bis sich schließlich ihr Vater einschaltete. Er gab Zähne knirschend zu, dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelte. Das es öfters vorkam, dass seine Tochter einfach verschwinde. Er habe bisher immer erzählt, sie sei zu Verwandten gegangen. Sie sei ein kleiner Wildfang – Sakura hatte ihn böse angefunkelt, als er das sagte – und ohne Mutter aufgewachsen. Deshalb komme sie bisweilen etwas jungenhaft rüber. Das Schlimmste für Sakura war die Demütigung, die sie empfand, als Eros das alles erfuhr und darüber verstohlen feixte. Er war geschickt genug, es so zu machen, das nur sie es mitbekam. Sie hasste ihn dafür. Aber noch mehr hasste sie sich selbst. Denn etwas in ihr hatte sich entschieden, sich gegen sie zu stellen. Etwas in ihr fand Gefallen an diesem Halbmensch. Sie konnte sich seiner animalischen Anziehungskraft nicht gänzlich erwehren. Immer wenn er in ihre Richtung sah, fing ihr Herz an zu rasen. Sie ertappte sich dabei, wie sie ständig an ihn dachte. Unkonzentriert wie sie dadurch wurde, gelang ihr nichts mehr richtig. Beim Bogenschießen traf sie nicht einmal mehr die Zielscheibe. Wenn sie ausritt, musste sie aufpassen nicht von Mamorus Rücken zu fallen, wenn dieser plötzlich vor einem Baumstamm zu stehen kam, der ihr bis dahin nicht einmal aufgefallen war. Verdammt, was war nur los mit ihr. Wütend pfefferte sie ihren Bogen in die Stallecke. Mamoru wieherte entrüstet auf. „Argh! Es ist alles seine Schuld, Mamo-chan!“ Aufgebracht warf sie die Hände in die Luft. „Ich bin nicht süß! Ich weiß gar nicht, wie das geht. Süß sein.“ Sie lehnte sich an den Rücken ihres Pferdes und bedeckte ihre Augen mit dem linken Arm. Beinahe im gleichen Augenblick erschien sein feixendes Grinsen vor ihrem geistigen Auge. „Ach verdammt!“ Blind schlug sie mit der Rechten in die Luft vor sich… Und traf. „Autsch!“ „Oh du meine Güte, Ferdinand! Ist alles in Ordnung?“ Der Getroffene rappelte sich wieder vom Boden auf. „Treffsicher wie eh und je, hm?“ „Ich wünschte, es wäre so…“ grummelte Sakura. Ferdinand, der Stallbursche, er war schon 25 Sommer alt, klopfte sich Stroh und Dreck von der Arbeitskleidung. „Was ist denn los? Schlecht geschlafen? Seit du zurück bist von deinem Ausflug ins Grüne bist du irgendwie komisch.“ Er drückte ihr einen gefüllten Futtersack in die Hand. „Hier, das ist für Mamoru. Normalerweise kümmerst du dich immer zuerst um ihn. Was bedrückt dich, dass du sogar die Verpflegung deines geliebten Rappen vergisst?“ Während er dem Pferd das Zaumzeug abnahm, beobachtete er seine Herrin ganz genau. Sie kannten sich schon ewig und sie waren sich schon so vertraut, dass es ihnen beiden lächerlich erschienen wäre, sich zu siezen. „Hast du dich schon mal von deinem eigenen Körper betrogen gefühlt, Ferdi?“ Mechanisch hang sie Mamoru den Futtersack um, nahm die Striegelbürste und strich dem Pferd damit das Fell glatt. Ihr Blick sah nicht die schwarz schimmernde Fläche vor ihr. Er ging ins Leere. Langsam begann der Bursche sich Sorgen zu machen. Er versuchte seine Unsicherheit zu überspielen. „Natürlich! Jedes Mal wenn die hübsche Küchenmagd vorbei geht spielen bei mir alle Sinne verrückt und ich muss mich zusammen reißen ihr nicht Minnelieder vorzusingen. Aaaach oooh du wunderschöööne Franziskaaaa…“ Er fing an sich zu drehen, als würde er tanzen. Sakura musste lachen. „Na Gott sei Dank. Sie weiß noch wie man lacht.“ Mit übertrieben gespielter Erleichterung verbeugte sich Ferdinand und grinste ihr ins Gesicht. „Danke, Ferdinand. Du schaffst es immer, mir die Laune zu heben.“ „Stets gern zu Diensten. Aber nun musst du mich leider entschuldigen. Der König möchte morgen früh zur Jagd ausreiten und ich muss noch die Pferde vorbereiten.“ Damit verzog er sich zu den anderen Tieren. Die Jagd! Das hatte sie ganz vergessen. Man wollte gemeinsam mit dem Snift jagen gehen. Sozusagen um die Bindungen zu vertiefen. Oh wie gerne wäre sie mit geritten. Andererseits lag ihr daran, sich momentan möglichst fern zu halten von diesem Katzenmenschen. Genervt, weil sie schon wieder an ihn dachte, versorgte sie schnell ihr Pferd, schnappte sich ihren Bogen, der noch immer in der Stallecke lag und verzog sich in ihre Gemächer.