Schnellen Blickes erfasste Wolff das Geschehen. Nahezu die gesamte linke Flanke fiel unter dem Ansturm des neuen Feindes. Sie vermochten es nicht der schieren Flut wild um sich hackender Monster etwas entgegen zu bringen. Er machte sich Vorwürfe. War er es doch gewesen, der ihre Körper aus einem andauernden Schlaf erweckte, um sodann ihr Leben im Kampf endgültig zu verlieren. Er schloss mit seinem Eigenen ab, als auch die rechte Flanke unterlag. Matthies trat keuchend an seine Seite. Geschunden und blutüberströmt standen sie Rücken an Rücken und haderten auf das, was kommen mochte.
»Es war mir eine Ehre Wolff.«
Dessen Schwert reagierte ohne Umschweife und trennte dem letzten noch auf Feindesseite kämpfenden Troll die Hand vom Arm, als dieser versuchte nach seinem Hals zu packen. Dieser riss laut brüllend die Augen weit auf, entfernte sich aus der Reichweite und schlug vor Schmerz unkoordiniert und wild um sich. Die noch verbliebenen Männer machten es den Zweien nach und deckten sich Rücken an Rücken und drehten sich im Kreis.
Unerwartetes krachen, knacken und flatternde Klänge mischten sich in die Geräusche der Kämpfenden. Krähend und ächzend stießen unzählige Schwingen in verschiedensten Größen aus den Wipfeln nahestehender Bäume. Zielsicher hielten sie auf Nordnomaden wie Spinnenmänner zu und schenkten den Männern ausreichend Zeit sich neu zu formieren. Ein jeder wusste, dass dies der Ort war, an dem sie für Freiheit und Gerechtigkeit ihr Leben lassen würden. Es gab kein zurück und keine Flucht. Nicht dieses Mal.
»Für den König, für König Simon«, rief Wolff und seine Begleiter bestärkten grölend seine Worte.
Pfeile sirrten an ihnen vorbei und zerschnitten die Luft. Viele der ungezählten achtbeinigen Wesen stürzten getroffen und rissen ihresgleichen in verheddernden Gliedern mit sich. Deren Beine bewegten sich im Rhythmus ihrer sterbenden Herzen. Sie hörten Hufe hart den Boden pflügen und kaum das die vordersten Angreifer verendeten, brachen weitere Reiter hervor. Ihre Klingen mähten sich durch Leiber und trennten menschliche von tierischen Körpern. Die bereits stickig gewordene Luft schwängerte sich mit den Ausdünstungen von Blut und Innereien.
So unerwartet die Rettung nahte und ins Geschehen eingriff, so unerwartet und rasch war der Sieg errungen. Keuchend und schuldunbewusst standen die übrigen drei Trolle im Blut sterbender und gestorbener. Sie blickten sich Hilfe suchend um. Jener, der sich eigenständig des Bannes zu erwehren wusste, war gezeichnet von vielen Wunden.
Wolffs Männer atmeten schwer und niemand konnte sich sicher sein, ob es sich bei den Rettern nicht um eine ausgebuffte Finte hielt. Sie sahen sich verstohlen um und versuchten ihre Waffen aufrecht zu halten.
Ein hochgewachsener, ihm zugegebenermaßen bekannter Mann nährte sich. Anders gekleidet, aber dennoch bekannt und er war auch kein Mann im menschlichen Sinne.
»Grüße, Kommandant Wolff. Wie ihr seht, hielt ich mein Versprechen. Ich bin gekommen um das zurückzugeben, was ihr mir gabt - Unterstützung in misslicher Lage. Was ich jedoch auch sehe, ist die Unvernunft, die eurem Volke eigen ist.«
Wolff versuchte seine Mine unschuldig wirken zu lassen, versagte darin bisweilen kläglich. Er verzog die Mundwinkel und seine Muskeln erschlafften. »Aber ...«
Alanel schüttelte sanft den Kopf. Wie bei einem kleinen ungezogenen Kind senkte er die Stimme. Nicht boshaft, eher nüchtern und erklärend. »War meine Mahnung denn nicht Warnung genug? Seht euch um. Gute Männer mussten wegen Kurzsichtigkeit ihr noch junges Leben lassen. Wäret ihr nur ein wenig länger geblieben, wären wir gemeinsam geritten. So wie unsere Völker es einst mit Kilian Seite an Seite taten.«
»Wir mussten es wagen, Herr Alanel. Unsere Leute sind im Wald unterwegs um Wege und Häuser in Stand zu setzen. Wir können keinen Feind im Rücken brauchen. Wir dürfen sie nicht dulden, auch um eurer Willen.«
Alanels Blick erhellte sich und reichte Wolff aufmunternd die Hand. »Ihr habt die Garnison befreit und bewiest Mut.« Er lächelte. »Zerstören wir dieses unsagbare Ding und befreien den Wald vom Übel.« Weiterhin hielt er seine Ausgestreckte erwartend vor. »Gemeinsam.«
Wolff begriff erst nach sichtlichem Zögern und reichte ihm eine der noch übrig gebliebenen Röhrchen. Er spürte die Trägheit, die von diesem Stumpf ausging in jeder einzelnen Faser seines geschundenen Körpers. Dieses monotone und stetig wiederkehrende Pochen, wie das eines schlagenden Herzens ließ ihn schaudern.
Der Lynka schloss die Lieder, umschloss das Gefäß mit dem befreienden Blut seines Schutzbefohlenen und trat festen Schrittes voran. Er spürte es ebenso wie die Menschen und seine ihm anvertrauten Krieger. Dieser tiefschwarze Stumpf, dieses Ding, verströmte eine bösartige Aura. Der lähmende Bann wurde durch sein Tun, sein Pochen, immens verstärkt und breitete sich aus. Alanel holte aus und schlug mit der flachen Hand zu. Der Ton zerbrach und dessen Inhalt zerteilte sich auf dem Material. Ergoss sich in die länglichen Schlitze an dessen Oberseite und verschwand im Inneren dieses ... Dinges.
Das dumpfe Grollen, welches aus den Innereien dieses seltsamen Konstrukts entwich, wurde unruhig; klang nicht mehr gleich bleibend und setzte vollends aus. Aus dem Stumpf kräuselten sich dünne Rauchschwaden und der schiere Druck auf ihren Glieder nahm zeitgleich ab. Wolff überlegte nicht lange und zerbrach ein weiteres Röhrchen und ließ es fallen. Das Blut sickerte wie Wasser auf einem Schwamm in den Boden, der augenblicklich begann, in bekannten Bewegungen zu zittern. Das Umfeld kleidete sich in natürliche Farben.
Bäume wurden Braun und deren Blattwerk Grün, der Boden färbte sich in Braun, Grün und allen Farben, die die Natur in einem gesunden Forst bot.
»Das Volk der Lynken dankt euch ein weiteres Mal, Freund Wolff. Überlasst den Rest des Waldes uns.«
Angesprochener überlegte und reichte Alanel seinen Lederbeutel. Darin enthalten drei Röhrchen. »Nehmt, es soll euch helfen.«
»Habt dank. Wir werden den Hain von diesen Ungetümen befreien und die Brücke zum Moorwald zurückerobern. Von diesseits soll kein Angreifer mehr seinen Fuß auf unser Völker Boden setzen.«