»AHHH! Lasst mich! VERSCHWINDEEEET!«
Umstehende sahen zu dem Schreienden; andere kamen aus den Klassen geeilt, um zu sehen, was da wohl gerade spannendes passierte.
Mira und Kathrin standen wir angewurzelt da, mit weit geöffneten Augen und offenstehenden Mündern. Unbeholfen beobachteten sie, wie Jona sich hin und her wandte.
»Was zum Kuckuck soll der Blödsinn!«
Gelächter und schadenfrohes Gegacker füllte den Flur, als der Schulleiter um die Ecke bog und die ersten Schaulustigen zur Seite drängte.
Herr Schuster schob sich durch dicht drängende Umstehende und maßregelte einige von ihnen mit strafenden Blicken. »Verschwindet. Zurück in eure Klassen! Euer Interesse spielt sich drinnen, hinter verschlossenen Türen ab.« Er sah die zwei Mädchen zuerst, die apathisch dastanden und nichts unternahmen, ihren Freund zu beruhigen.
Der junge Mann zitterte wie Espenlaub. Mit den Händen raufte er abwechselnd an seinen Haaren, so als wolle er jemanden daran hindern ihm diese auszureißen. Die Beine hob er im selben Takt, so als griffen unsichtbare Klauen nach ihnen. Allerdings befand sich niemand in seiner Nähe, der ihm etwas anzuhaben gedachte.
Tränen schimmerten in Miras Augen. Vorsichtig, eher zaghaft hob sie immer wieder die Hände, um ihren Freund zu berühren; ließ sie jedoch aufs Neue sinken. Der Rektor hingegen war deutlich beherzter bei der Sache. Er packte den Jungen an den Schultern und schüttelte ihn. »Jona! Jona! Komm zu dir!«
Boshaft schaute er zu dem Rest des Trios. »Mira, Kathrin. Was ist los mit ihm. Hat er irgendeinen Scheiß eingeworfen?«
»Nein Herr Schuster«, stammelte Kathrin anstatt Mira, der die Stimme fernblieb. Tränen rannen ihr unaufhaltsam die Wangen hinab, als ihre Lippen den Namen ihres Freundes formten.
»Was hat er dann verflucht?« Jona erwehrte sich weiterhin und verzog krampfend das Gesicht. Seine Augen huschten unstet zu allen erdenklichen Richtungen. »So beruhige dich doch. Jona!«
»Ich wette, der hat LSD intus«, wetterte ein umstehender Schüler, der mitten im letzten Wort unlieb am Kragen gepackt und in die Klasse traktiert wurde. »Deine blöden Kommentare helfen hier nicht weiter. Rein jetzt. Herr Schuster, ich habe den Schularzt informiert.«
»Bestens.«
»Deabru«, presste Jona zwischen aufeinandergebissenen Zähnen hervor und schien sich sodann allmählich zu beruhigen. Seine Hände krampften nicht länger in seinem Haar und sein fortwährendes Gehampel ließ ebenso nach. Seine flattrigen Augen begannen den vor ihm stehenden Herrn Schuster zu fixieren und gerieten endlich wieder ins Hier und Jetzt.
»Jona?« Hauchte seine Freundin kleinlaut.
»Bist du wieder in Ordnung«, wollte Kathrin erfahren.
»Jona, was zum Teufel ist los mit dir?«
»Lassen sie mich mal ran, Herr Schuster. Mädels, geht mal an die Seite.«
»Was hat er? Drogen?«
Anstatt zu antworten, sah der Schularzt nur stirnrunzelnd auf und nahm Jonas Kopf in beide Hände. Er zog ihm die Lieder mit den Daumen nach unten. Mit offensichtlich geübtem Blick musterte er seine Pupillen. »Nein. Das war mehr Panik als LSD. Was den Jungen auch immer ritt, er hatte panische Angst vor etwas.«
»Panik? Vor was denn?«
»Das sollten sie nicht mich fragen. Können eure Eltern euch abholen?«
»Nein, leider nicht«, entschied Kathrin abermals das Wort zu ergreifen. »Unsere Eltern sind doch alle auf der Arbeit. Wir könnten aber mit dem nächsten Bus fahren und uns daheim um Jona kümmern, bis seine Mom oder Pa' nachhause kommen.«
Der Schularzt schien zufrieden mit dem, was die Schülerin glaubhaft erklärte. »Ihr drei macht euch jetzt besser auf den Weg.«
Der Schulleiter nickte zustimmend. »Ja. Ja, für heute ist hier Endstation. Ich erwarte morgen Früh drei ausgeschlafene Schüler vor meinem Büro.« Er hob mahnend den Finger. »Kein Drama. Ausgeruht und putz munter. Verstanden?«
Kaum das die Drei vor der Schultür standen, fiel Mira Jona um den Hals und vergrub ihr Gesicht in seine Halsbeuge. »Mach das nie wieder, hörst du?«
»Jona, was war das? Du hast uns einen herben Schrecken eingejagt«, gestand Kathrin.
Anstatt zu antworten, sah er nur geradeaus und flüsterte abermals dieses eine Wort.
»Was?«
»Deabru? Was soll das sein?«
Nun sah er ihr mit ausdruckloser Mine direkt ins Gesicht. »Wir müssen diesen Artikel lesen.«
»Der, von dem du vorhin gesprochen hast, bevor ...«
Er nickte. »Ja Kath.«
»Du hast es wieder gesehen?«
Sein linker Mundwinkel zuckte kurz und dies war Antwort genug. Er schnaufte und senkte die Lider. »Nicht jetzt okay?«
»So schlimm?«
»Mann Kath, lass ihn.«
»Aber ...«
»Nichts aber. Es hilft uns jetzt nicht weiter.«