"Teil eins deines Planes hast du gerade so hinbekommen", Liam versuchte seine verzweifelt klingende Stimme auf ein Flüstern zu dämpfen "aber auch nur weil dir deine Schwester zufällig mit ihrer Teufelspower geholfen hat! Wobei Zufälle ja sobald man mit dir unterwegs ist auf Bäumen wachsen und nur darauf warten uns auf den Kopf zu fallen, nicht wahr?" Die beiden lehnten an der Wand eines Hauses unweit der Mauer. Die Bewohner von Katzus trauten sich nach wie vor nicht aus dem Haus, so blieben die Straßen leer. Liam versuchte immer noch heraus zu finden wie Finn den durch das Artefakt übermächtig gewordenen Chrunch besiegen wollte.
"Hör mir zu Liam", Finn fuhr sich durch die Haare und starrte in den sich verdunkelnden Himmel. Die Wolken hatten sich wieder verzogen und der Schnee war schon lange geschmolzen. "Du musst mir einen letzten Gefallen tun!", Finn schien zu überlegen "Nein du musst Argenshire und auch Amergyn diesen Gefallen tun! Im Grunde musst du ein Opfer für dich und alle, die dir etwas bedeuten bringen! Wenn Chrunch hier fertig wäre seit ihr die nächsten! Er wird niemals aufhören!"
Liam hörte Finn ganz genau zu, versuchte jedes Wort von dem, was der Prinz aus dem fernen Elensar sagte aufzusaugen. Es klang eher nach einem Himmelfahrtskommando, einer Schnapsidee. Es würde auch ihn beinah alles kosten. Aber vielleicht war es die einzige Rettung für Argenshire und im Endeffekt auch sein eigenes Königreich Amergyn. Also stimmte er schließlich schweren Herzens zu.
Eva schlich einstweilen durch den langen Gang Richtung Treppenhaus. Sie versuchte möglichst kein Geräusch zu verursachen, setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen auf den hellen grauen Steinboden. Aber ein leichtes Klicken war bei jedem ihrer Schritte zu hören, manchmal kam es ihr so vor, als würde es hallen. Manche Schritte schienen ein zweites Klicken zu verursachen. Sie hielt inne. Wie sollte das möglich sein. Eva blieb stehen, ihr wurde bewusst, dass sie nicht alleine in diesem Gang war.
Blitzschnell schoss ein schwarzer Faden hinter ihr hervor und wickelte sich wie von Geisterhand um ihr Handgelenk. Erschrocken fuhr sie herum und versuchte instinktiv sich los zu reisen. Der Anblick, welcher sich ihr bot, war ein noch größerer Schock für sie. Church grinste sie mit seinen scharfen Zähnen an, in seinen Augen schien ein ähnlicher Wahnsinn aufzukeimen wie sie ihn bei Chrunch gesehen hatte. Viele schwarze Fäden schienen aus seinem Bauch zu kommen und hatten sein Hemd zerrissen. Wie Schlangen hingen sie sich windend vor ihr in der Luft, bereit sie zu fesseln und einzuwickeln. Eva versuchte den Faden von ihrem Handgelenk zu lösen, aber je mehr sie daran herum riss, desto fester schien er sich darum zu wickeln. "Church", sie versuchte noch einen Rest von dem netten, ruhigen Zeitgenossen in ihm zu finden "bitte lass mich los, du verstehst das nicht!"
Church Augen schienen beinah zu glühen, sie waren noch Schwärzer als sonst, seine Augenbraue zuckte leicht. Er schien gerade dabei zu sein den Verstand zu verlieren.
"Weißt du Eva", selbst seine Stimme war nicht mehr wieder zu erkennen "ich dachte ich würde mich selbst erfüllen können an der Seite von Finn! Würde mit ihm die verdammte Welt retten, und dann die nächste, und die nächste. In Wahrheit gibt es kein entkommen vor der Dunkelheit!" Eva schaute sich langsam um. Niemand schien noch im Turm zu sein, alle waren draußen auf der Mauer. Sie war alleine mit dem Zwillingsbruder des irren Dämonenkönigs. Dieser schien auch gerade auf dem besten Weg zu sein den Geisteszustand seines Bruders zu erreichen. Ein weiterer Faden schoss auf sie zu und schlang sich um ihre andere, noch freie Hand. Zwei Fäden machten das selbe mit ihren Beinen. Sie saß in der Falle. In ihrem Kopf schien es zu Rumoren, sie fühlte sich zurück in ihre Kindheit versetzt, die sie zum Großteil verdrängt hatte. Der Berg, der Schnee, die Zwillinge, welche ein ganzes Volk ausgerottet hatten.
Church kehliges Lachen holte sie aus dem Flashback, das ihren Körper zitternd zusammensacken lassen hatte. Es war ein finsteres und hämisches Lachen.
"Hast du Angst?", seine Stimme klang verzerrt, bösartig. Eva versuchte die Kontrolle über ihren Körper zurück zu erlangen, aber das gelang ihr nicht sofort.
"Church", flehte sie ihn an "was tust du, ich leiste keinen Widerstand, versprochen!"
Church riss seine Augen auf: "Niemand kann es beenden, auch Finn nicht, niemand kann ihn aufhalten!" Eva begann zu verstehen, beide Brüder schienen von dem Dunklen gepeinigt zu sein.
"Finn wird eines Tages den Dunklen endgültig vernichten Church! Dann wirst du frei leben können!", Eva schaffte es das Zittern endgültig zu unterdrücken "Aber du musst mich jetzt gehen lassen! Du darfst dich nicht von ihm leiten lassen!"
Church erstarrte, etwas in seinem Blick schien sich zu verändern. Eva war sich nicht sicher ob er zu sich kam oder nun komplett dem Verstand verloren hatte.
Liam begleitete Finn vor das Tor der Eismauer. Schließlich war er nun ein fixer Bestandteil des Planes, entworfen aus reiner Verzweiflung und lückenhaft wie Schweizerkäse. Finn würde alles opfern, im Grunde einen Großteil von ihm dazu. Die andere Option kam nicht in betracht, das hatte Finn unmissverständlich klar gemacht.
"Bist du bereit?", Liam warf Finn einen fragenden Blick zu. Dieser starrte weiter auf den Boden. Er schien trotz der Tatsache, das er sich dafür entschieden hatte hier zu stehen, nervös zu sein. "Kann man dafür bereit sein?", fragte er Liam schließlich und zog eine Grimasse. Liam schüttelte den Kopf, er war auch nicht bereit für das was folgen sollte, und ihm blühte nicht der sichere Tod sondern nur beinah, oder etwas ähnliches. Er war der Meinung, dass man wahrscheinlich für so etwas generell nicht bereit sein konnte. Auf keinen Fall.
"Willst du eine Zigarette?", Finn hatte wieder den Blick eines wilden Banditen aufgesetzt. Liam schaute ihn verstört an: "Ich habe nie geraucht!"
Finn grinste: "Darum meine ich ja, und eine Zigarre kann ich dir leider nicht anbieten!" Liam überlegte, als Finn ihm eine Schachtel Zigaretten vor die Nase hielt, dann griff er zu. Nach ein paar gepafften Zügen musste er schrecklich husten und warf die Zigarette weg: "Warum tut man so etwas ekelhaftes?" Finn lachte: "Schau dich um Liam, überall passieren diese widerlichen Dinge... Der Dunkle hat viele Welten vergiftet und mit seinem Zweifel überzogen, wie eine schwarz glasierte Torte!" Liam dachte über den komischen Vergleich nach. So eigenartig wie es auch klingen mochte, die Präsenz etwas Übleren als dem irren Dämon oder in Amergyn Vernons Familie hatte ihn schon früher oft um den Schlaf gebracht. "Wir halten den irren Dämon auf und retten Argenshire und Amergyn, und dann Finn?", fragte er. Finn lächelte, seine Augen funkelten und er wirkte auf einmal den Tränen nahe. Er nickte Liam zu um ihm gleichzeitig das Signal zu geben, dass ihr gemeinsamer Plan in die Tat umgesetzt werden musste: "Dann musst du alle anderen Welten retten Liam!"
Liam konzentrierte sich als Finn aus der Stadt vor das Tor stürmte. langsam folgte er ihm, wobei er jede Wache, jeden Menschen, und vor allem Sassy und Vernon fest an den Boden fror. Er würde diesen Zauber nicht lange halten können aber lange genug. Als er das Tor durchquert hatte vereiste er dieses, zog die Mauern höher in der Hoffnung das die Zeit, die sie dadurch gewonnen hatten, ausreichen würde.
Das kehlige, quälend langsame Lachen des irren Dämonenkönigs lies Finn und Liam schaudern. Chrunch klatschte langsam und sichtlich unbeeindruckt in die Hände: "Das ist der Untergang eure Welt, ihr macht euch zu viele Gedanken und diese nutzlosen Ballaststoffe innerhalb dieser Mauern!"
Finn wedelte mit der Hand vor seiner Nase herum: "Ballaststoffe, davon solltest du mehr essen weil du aus dem Mund nach totem Fisch stinkst Chrunchilein!"
Die schwarzen Augen des irren Dämons weiteten sich, seine spitzen Zähne schienen, schwarz triefend vom Gift das sein Körper absonderte, noch weiter hervor zu stehen. Schwarze Fäden schossen aus seinen Armen und sein ganzer Körper begann sich unnatürlich zu verformen. Seine Finger wurden zu Klauen mit scharfen Enden, aus dem Rücken brachen Stacheln aus deformierten Knochen und er schien größer zu werden.
"Was passiert da?", frage Liam verunsichert, Finn starrte ebenfalls wenig begeistert auf die Kreatur, welche aus dem zumindest halbwegs normal aussehenden irren König entstanden war. "Das ist die Macht des Artefakts, bist du bereit Liam?", fragte er und strich sich, nach wie vor betont lässig, sein blondes Haar aus dem Gesicht. "Natürlich, bereit wenn du es bist!", zischte Liam ihm zu.
"Kannst du etwas sehen?", presste Vernon hervor, Sassy missbrauchte ihn als menschliches Sprungbrett um auf die Mauer zu kommen, rutschte aber trotz der Erhöhung immer wieder ab. Sassy lies sich elegant neben ihm auf den Boden gleiten: "Ich sehe Eis, aber ich kann hören das auf der anderen Seite der Mauer gekämpft wird!" Vernon runzelte die Stirn und begann nervös auf und ab zu laufen. Finn und Liam hatten sie getäuscht, es war nie geplant gewesen, dass sie gemeinsam vor den irren König treten würden.
Ein plötzlicher lauter knall lies sie zusammen fahren, eine unglaubliche Welle der Energie schien frei gesetzt worden zu sein.
Sassy betrachtete zuerst die Risse in der Mauer, welche durch die Erschütterung des Bodens entstanden waren. "Der Turm brennt!", Vernon hatte sich bereits um gedreht und starrte schockiert auf den in Flammen stehenden Turm.
"Ich muss Käse da raus holen!", entfuhr es Sassy, sie stürmte los. Irgendwo in den Flammen und herab regnenden Trümmern schien ein goldenes Licht zu leuchten, es näherte sich mit rasender Geschwindigkeit der Mauer, und prallte schließlich dagegen. Die Risse in der Mauer wurden tiefer, sie begann einzustürzen.
Die Wachen rannten schreiend in Richtung der Stadt, um den großen eisigen Trümmern zu entkommen, wieder schien die Erde zu erbeben. Vernon suchte nach dem Licht, das weiter in vollem Glanz zu erstrahlen schien. Die Staubwolke, welcher der Einsturz hervor gebracht hatte schien sich zu legen, und Vernon erkannte, dass es kein Licht war, welches den Turm und die Mauer zerstört hatte.
Mitten in dem Trümmern stand eine Gestalt, immer wieder mit diesem goldenen Licht pulsierend. Zart und schlank, aber die enorme Kraft ihrer mächtigen Seele schien alles zu übertreffen, was Vernon bis dahin gesehen hatte.
Liam hörte die das Beben hinter ihm in der Stadt, aber was auch immer Finn machte schien ihm sogar die Kontrolle über seinen Körper zu entziehen. Sein Hals, seine Brust, alles schien in Flammen zu stehen, ausgehend von Finns Handfläche auf seiner Stirn. Liam wollte schreien, aber es gelang ihm nicht einmal seinen Mund zu öffnen. Der irre König prallte abermals gegen die unsichtbare Barriere, die Finn beschworen hatte, er wusste dass diese nicht mehr lange halten würde.
"Was hast du vor Prinz von Elensar? Willst du deinen Freund töten?", grollte das entstellte Monster, das nun jeden Schein von Menschlichkeit abgelegt hatte. Liam schauderte, Finn würde ihn nicht töten, er hatte ihm gesagt das es Schmerzhaft sein würde, aber er danach wieder völlig gesund werden könnte. "Er lügt, hab keine Angst", Finns türkise Augen schienen das aufflackern von Angst in Liam sofort gesehen zu haben "du wirst leben, Liam!" Liam begann sich zu entspannen, spürte wie nun auch der letzte Rest an Energie aus seinem Körper gesaugt wurde, hinter ihm eine weitere Erschütterung, dann nichts mehr, er sank in pure Dunkelheit.