AVA
>> Ich bin noch immer nicht sicher ob das Ganze eine gute Idee war. <
Ich fragte mich, ob es hier immer so hektisch war, als mein bester Freund abrupt stehen blieb, sich zu mir umdrehte und mit dem Daumen beruhigend über meine Wange strich.
>> Darling, es ist die beste Idee deines Lebens und solltest du kalte Füße bekommen, bin ich ja da um dir Feuer unter deinem hübschen Hintern zu machen. << Ein Lächeln lag auf seinen Lippen und seine tiefbraunen Augen strahlten eine solche Wärme aus, dass ich mich sofort besser fühlte.
>> Und jetzt, setz bitte ein anderes Gesicht auf Ava und nimm die Füße in die Hand. Wir müssen um eins im Studio sein. <<
Anders als in dem 2.500 Seelenort aus dem ich stammte, pulsierte hier das Leben. Wichtig aussehende Menschen stürmten eilig an mir vorbei.
Würde ich auch mal einer von ihnen sein, oder stellte sich am Ende heraus, dass ich den Aufgaben die hier auf mich warteten nicht gewachsen war?
Nachdem wir mit Glück sofort ein Taxi Richtung City erwischten, nutzte ich die Fahrt um kurz durchzuatmen. Ich lehnte den Kopf an die kühle Fensterscheibe und schloss die Augen. Mein Kopf musste so viele neue Eindrücke verarbeiten. Er fühlte sich an, als würde er jeden Moment den Dienst verweigern.
Als Jamie letzten Monat bei unserem wöchentlichen Filmeabend erwähnte einen Job als Choreograf für einen neuen Blockbuster ergattert zu haben, freute ich mich unheimlich für ihn. Er arbeitete schon so lange und hartdaran in der Filmwelt Fuß zu fassen.
Seit wir uns vor vierzehn Jahren, im zarten Alter von zwölf, in einer Tanzschule kennenlernten, waren wir unzertrennlich. Ich war gerade mit meiner Mum nach Chicago gezogen und kannte niemanden. Er war der Bruder den ich nie hatte und wir teilten dieselbe Leidenschaft - das Tanzen. Er machte sein Hobby zum Beruf, worum ich ihn manchmal beneidete. Zwar war das Tanzen nach wie vor ein großer Bestandteil meines Lebens, aber da das Geld seit der Scheidung meiner Eltern knapp war, wollte ich meiner Mum nicht länger als nötig auf der Tasche liegen und begann in einer Kanzlei als Anwaltsgehilfin zu arbeiten. Es gab nichts Schlimmeres für mich, als den ganzen Tag still auf einem Bürostuhl sitzen zu müssen, aber ich verdiente Geld dabei und das war das Wichtigste.
Jamie hingegen war mit mehr Glück gesegnet: Als Sohn eines Investmentbankers spielte Geld keine Rolle und obschon sein Vater weder vom tänzerischen Talent, noch von seiner sexuellen Sprunghaftigkeit begeistert war, unterstütze er Jamie dennoch. Er sollte als Nachkomme des Donovan-Clans in die Geschäfte seines Vaters einsteigen. Zunächst ging er davon aus, dass das Tanzen, genauso wie der Verschleiß an Frauen, eine vorübergehende Phase seines Sohnes war. Jamie stellte sehr früh fest, dass er die Frauenwelt mit ein paar flotten Bewegungen auf der Tanzfläche zu Honig in seinen Händen machen konnte und das nutzte er seitdem schamlos aus.
Richard James Donovan musste sich nach einigen gescheiterten Versuchen seinen Sohn zur Vernunft anzuhalten, mit Jamies Versprechen zufriedengeben, seine sexuellen Ausschweifungen hinter verschlossenen Türen abzuhalten und dafür zu sorgen, dass keine unehelichen Kinder das Ansehen der Familie beschmutzten. Meine Meinung war jedoch, dass er seinem Sohn diese Unterstützung nur zukommen ließ, um einen Gefallen bei ihm gut zu haben und diesen irgendwann in der Form einlösen würde, dass Jamie keine andere Wahl hatte in sein Geschäft einzusteigen.
Nach dem Scheitern einer längeren Beziehung mit einer guten Freundin von uns, war ich die beständigste Frau in seinem Leben und wir tanzten lange Zeit zusammen. Wir räumten mehr Preise ab, als ich zählen konnte und irgendwann schaffte er den großen Sprung und war nun seit 2 Jahren ein vielgefragter Choreograf für diverse TV-Shows. Nichts was im ausreichte, er wollte hoch hinaus.
Ich hingegen, gab drei Mal die Woche Unterricht in der kleinen Tanzschule, in der ich mich schon als Kind in das Tanzen verliebt und meinen besten Freund gefunden hatte. Die Besitzerin Beth Everson war mittlerweile Mitte 60 und gab vor allem Brautpaaren Tanzstunden, die beim Hochzeitstanz glänzen wollten.
Standardtänze waren nie mein Fall und als sie mich fragte, ob ich Lust hätte Hip-Hop zu unterrichten, war ich Feuer und Flamme. Letztes Jahr konnte ich Sie überzeugen auch Poledance anzubieten und mein Kurs war seitdem jeden Freitagabend ausgebucht.
Ich wusste noch immer nicht, wie Jamie es geschafft hatte mich in die Choreo-Crew für diesen neuen Film zu schleusen, aber ich war unglaublich dankbar für diese einmalige Chance. Er hatte alle Hebel und Kontakte in Bewegung gesetzt und nun war ich offizielles Crew-Mitglied und als Jamies persönliche Assistentin eingestellt.
Da war ich nun, in einer riesigen Stadt, in einem Taxi auf dem Weg zu einem richtig großen Job weit weg außerhalb meiner Komfortzone in Chicago. Am Abend, an dem er mir von seinem Deal mit der Produktionsfirma berichtete, hatte ich den Tiefpunkt des Jahres damit erreicht, meine Stelle in der Kanzlei verloren zu haben. Wenn man einen Anwalt fragt, wie es ihm geht und er sagt er kann nicht klagen, dann galt das in der Branche als ein schlechtes Zeichen. Die Geschäfte liefen nicht gut und mein Boss konnte sich mich einfach nicht mehr leisten. Meine Trauer bezüglich der Tätigkeit hielt sich mehr als in Grenzen, doch der Job hielt mich über Wasser und die Einnahmen durch die Tanzschule waren alles andere als ausreichend. Jamie war somit mein Retter in der Not.
>> Ava, aufwachen wir sind da. << Jamies Worte rissen mich aus meiner Trance, als das Taxi vor einem riesigen verspiegelten Wolkenkratzer hielt.
Die Dreharbeiten sollten in zwei Wochen beginnen und 6 Monate andauern. Wovon der Film handelte, oder wer darin mitspielte, konnte auch Jamie mir nicht sagen, da das Projekt absolute Verschwiegenheit erforderte.
Wenn man jedoch bedachte, dass allein ich, die am Ende der Nahrungskette dieses Hollywoodstreifens stand, in einem halben Jahr so viel verdienen sollte, wie sonst in anderthalb, konnte es kein kleiner Independent Film sein.
Jamie stieg zuerst aus und Sekunden später öffnete er schon meine Türe um mir beim Aussteigen behilflich zu sein. Er grinste von einem Ohr zum anderen
>> Und Miss Moore, sind Sie bereit für den ersten Tag in Ihrem neuen Leben? <<
War ich das?