„Sie sind Nico Turrington, oder? Ich bin Laura Berger“, stellte sich eine Frau, so um die 30 Jahre, vor. Nico nickte einfach nur. „Okay super. „Wie sehr kennen Sie sich denn schon mit Pferden aus?“, fragte sie. „Gar nicht. Ich habe Pferde nur im Fernsehen gesehen“, erklärte Nico ihr. „Ouh. Dann werden Sie heute erst nur eine kleinere Arbeit erledigen. Kommen Sie, wir gehen erst mal zu den Schulpferden“, forderte Laura ihn freundlich auf. Nico folgte ihr unwillig. Im Stall angekommen, wurde Nico bewusst, dass würde eine sehr langwierige Aufgabe werden. Es gab ungefähr 15 Boxen, wovon fünf leer standen. Was ihn sehr wunderte, war die Sauberkeit des Stalles und der einzelnen Boxen. Laura wendete sich wieder an ihn: „Ich habe heute leider nicht die Möglichkeit Ihnen alles zu erklären und einzuarbeiten, da wir heute ein paar neu Zugänge haben.“ Nico sah sie entsetzt an. Das war doch nicht ihr Ernst?! Sie wollte ihn tatsächlich mit diesen Tieren ganz alleine lassen. Laura lächelte: „Ich verspreche Ihnen das meine Aufgabe heute wirklich nicht schwer ist. Sie müssen diese Pferde einfach nur auf die Koppel bringen. Was wichtig ist, dass Sie mit den Tieren reden, sie kennen Sie ja nicht. Die Namen stehen alle auf den Boxentüren.“ Laura zeigte ihm noch wie man ein Führstrick anlegte und ein Pferd führte. „Das werde ich schon noch hinbekommen“, meinte Nico schließlich. „Okay und heute um 19:00Uhr müssen Sie die Pferde wieder reinbringen. Vorher jedoch einmal gründlich abwaschen und abbürsten und Decken darauflegen. Da ich um diese Uhrzeit, nicht mehr da bin, werde ich versuchen jemanden zu finden der Ihnen alles zeigt und hilft. Wenn Sie selbst jemanden finden einfach Bescheid sagen. Hier meine Handynummer. Diese Nummer ist wirklich nur für mein Arbeitshandy, also nicht verwundert sein, wenn nicht sofort drangehe oder antworte.“ Nico nickte wieder. „Schön“, Laura schaute sich nochmal nachdenklich um und fuhr fort: „Dann gehe ich jetzt.“ Mit diesen Worten verließ sie den Stall und Nico stand ganz alleine vor den noch neun Pferden. Bei dem ersten hatte Laura ihm alles gezeigt und wo die Koppel war. Was nicht grade nah war. Nico atmete tief durch. So schwer konnte das ja nicht sein. Mutig schritt er auf das erste Pferd zu und las den Namen. „Na Betty?“ Betty hob den Kopf und sah ihn direkt an. „Du willst bestimmt gerne an die frische Luft.“ Nico öffnete langsam die Boxen Tür. Betty wartete brav, bis Nico ihr den Führstrick angelegt hatte. „Na komm. Jetzt gehen wir zur Koppel“, forderte Nico sie auf. Betty schnaubte leise, folgte ihm jedoch willig. „Geht doch“, sagte Nico.
Inzwischen stand nur noch ein Pferd im Stall. Nico hatte sich auch schon an diese folgsamen Tiere gewöhnt. Sodas er ohne Umschweife die Bos von Drew öffnete. Drew wieherte fröhlich. „Da will aber jemand unbedingt zu seinen Freunden“, sagte Nico. Drew sah ihn kurz an. Grade als Nico ihm den Strick um den Hals legen wollte, schoss Drew aus seiner Box und aus dem Stall. Nico hatte sich schnell an die Boxenwand gedrückt, um nicht von dem Pferd umgerannt zu werden. Jetzt aber stieß er sich von der Wand ab und rannte dem ausgebüchsten Pferd hinter her. Es war ein schrecklich mit anzusehen, wie Nico verzweifelt versuchte das Pferd einzufangen. Denn immer genau dann, wenn Nico Drew grade den Strick umlegen wollte, rannte das Pferd wieder los. Erstaunlich war, wie lange Nico dieses Spiel durchhielt. Drew war ein sehr beliebtes Schulpferd unter den Kindern, grade weil er gerne mal Fangen spielte und das einfangen bereitete den meisten Kinder sehr viel Freude. Ganz im Gegensatz zu Nico, er war total genervt und schimpfte schon mit Drew. Plötzlich blieb Nico stehen. „Warte mal, mögen Pferde nicht Äpfel?“, fragte sich Nico und grinste, er hatte die Idee. Nico holte sich schnell einen Apfel und stapfte voll entschlossen auf das Pferd zu. „Tja Drew, jetzt gibt es kein Entkommen mehr“, rief er dem Pferd zu. Er hielt den Apfel hoch. „Wenn du den haben willst musst du nur zu mir kommen“, sagte Nico. Drew spitze die Ohren und ging langsam auf Nico zu. Nico ging währenddessen ganz langsam rückwärts in Richtung Koppel. Erst als er vor dem halb offenen Gatter stand blieb er stehen. Drew blieb ebenfalls stehen und starrte Nico an. Er schien zu überlegen. Auf einmal preschte er los. Nico erkannte schnell, dass Drew nicht früh genug anhalten können würde und sprang schnell zur Seite. Drew blieb mitten auf der Koppel zu. Blitzschnell schloss Nico das Gatter. „Du bist so dumm“, lachte Nico höhnisch und biss vor den Augen Drews in den Apfel. Das Pferd rannte auf ihn zu und wieherte böse. „So ein Pech aber auch, zwischen uns ist jetzt ein Zaun“, sagte Nico mit sarkastischem Unterton in der Stimme.
Etwas aus der Puste pflanzte er sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Kurze Zeit später entdeckte Oma Leonie ihn auf dem Sofa. Sie setzte sich zu ihm. Nico legte sein Handy beiseite. „Hat alles geklappt?“, fragte sie. „Ja“, antwortete Nico. „Trotzdem ist es nicht grade, das was du gerne machst, stimmt’s?“, wollte Leonie wissen. Nico schüttelte den Kopf: „Ich kann mir echt was Besseres vorstellen, als diese Pferde jeden Tag auf die Koppel zu bringen und abends wieder in Ihre Boxen.“ Leonie überlegte. „Was würdest du denn gerne machen? Weißt du, bei uns muss sich nicht jeder um die Pferde kümmern. Natürlich ein bisschen schon, doch am liebsten unterstützen wir die Hobbys oder eure Talente“, erzählte sie ihm. Nico schwieg. „Vielleicht denkst du einfach mal darüber nach. Vielleicht können wir dich ja auch auf deinen Beruf vorberieten. Vielleicht irgendwelche Tätigkeiten die du magst und auch zu deinem Traumberuf passen. Denk einfach mal darüber nach und dann erzählst du es mir einfach. Bis dahin wirst du jedoch mit den Pferden arbeiten müssen“, sagte Leonie freundlich. Nico lächelte kurz, sie wollte wirklich, dass er sich hier wohl fühlte. „Ich denke darüber nach, versprochen“, willigte er ein. Leonie nickte. „Wenn du magst kannst du mir eben helfen, ich muss noch das Mittagessen vorbereiten“, schlug Leonie vor. Nico runzelte die Stirn: „Ne lass mal lieber, kochen ist nun wirklich nichts, wofür ich mich begeistert könnte.“ Leonie lachte: „Man kann nie wissen. Vielleicht wirst du ja mal Profikoch.“ Nico schüttelte entschieden den Kopf. Leonie nickte.
Unten im Keller begann Sie damit die Fische vorzubereiten. Währenddessen dachte sie über Nico nach. Was war eigentlich der wirkliche Grund, warum die Eltern ihn hierhergeschickt hatten? Leonie selbst war fest davon überzeugt, obwohl Nico noch gar nicht solange bei ihnen war, dass seine Eltern absolut keine Ahnung hatten, was für einen liebevollen Sohn sie dahatten. Was Leonie aber nicht verstand war, dass Nico es selbst unter einer sehr großen Schicht Coolness versteckte. Warum spielte er es den anderen vor? Wen wollte er damit täuschen? Oder was wollte er damit verdrängen oder vergessen? So in Gedanken versunken, bemerkte sie nicht, wie Leo, der Vater von den Zwillingen, die Küche betrat. „Hier riecht es aber gut“, lobte er Leonie. Diese zuckte vor Schreck zusammen. „Ich wollte dich nicht erschrecken“, entschuldigte sich Leo sofort. Leonie lächelte: „Das macht doch nichts.“ Leonie schob die paar Fische in den Backofen und machte sich daran die Kartoffel zu schälen. „Wieso machst du denn so viel?“, fragte Leo. Er zog sich einen Stuhl heran und half ihr. „Dennis’ und Sams Familie kommen heute“, berichtete sie ihm. Leo nickte. Leonie sah ihn prüfend an. „Irgendetwas bedrückt dich doch?“ Leo zuckte mit den Schultern: „Naja, ich mach Sorgen um Jim und Sheona.“ Leonie war etwas verwirrt. „Warum denn? Ist etwas passiert wovon ich nichts weiß?“ Leo schüttelte den Kopf: „Nein. es ist nichts passiert. Es ist einfach schon ihr letztes Schuljahr. Sie wollen ja beide weg von zu Hause, um studieren zu können. Was man den beiden natürlich nicht verübeln kann. Hier in Pescara kann man ja nicht grade viel studieren.“ Leonie legte ihr Messer zur Seite und nahm Leos Hände in ihre und sah im fest in die Augen. „Weißt du, meine Kinder sind alle irgendwo studieren gegangen und wohnen jetzt immer noch nicht alle zu Hause. Viola, zum Beispiel wohnt in Luna oder Dan und Belinda in New York. Und glaub mir, ich mache mir jeden Tag und auch jede Nacht schreckliche Sorgen, obwohl ich genau weiß, dass diese Sorgen unberechtigt sind. Aber man es nicht abstellen, schon gar nicht als Eltern oder Großeltern. Trotzdem muss man sich immer bewusstmachen, dass sie genau das machen, was sie glücklich macht, dass sie dort wohnen oder sich befinden, wo sie sich wohlfühlen oder von jemanden geliebt werden. Denk einfach immer daran, dass Jim und Sheona glücklich sein werden. Glaub mir, du wirst jede Sorge oder jede einzelne Angst um deine Kinder um einiges leichter ertragen können.“ Leo lächelte langsam. „Das ist aber nicht grade einfach.“ Leonie stimmte ihm zu. „Ja, aber es wird leichter, dass verspreche ich dir.“ „Danke, Leonie. Du hast einfach immer die richtigen Worte.“ Auf einmal wurde Leonie traurig, denn sie fragte sich ob Nico glücklich war.