Ungeduldig wartete Leonie-Sue vor dem Gatter. Wo blieb Nico bloß? Wie sollte sie ihn anlernen, wie das alles hier funktionierte, wenn er gar nicht auftauchte. Sie entschloss sich noch fünf Minuten zu warten, wenn er dann immer noch nicht da war, würde sie die Pferde selber reinbringen. Sie ging zu Betty. Diese stupste sie an.
„Was ist denn?“, fragte Leonie. Betty wieherte leise.
Leonie sah sich um, es gab nichts Ungewöhnliches. Wieder stupste Betty sie an, diesmal kräftiger, sodass sie fast hinfiel.
„Lass das, Betty! Es ist alles in Ordnung.“ Das Pferd senkte wider ihren Kopf und graste weiter. Leonie zuckte mit den Schultern. Vielleicht wollte Betty einfach nur wieder in den Stall. Sie hatte ja auch ihre innere Uhr, sie wusste wann es ungefähr an der Zeit war, wieder ein zu gehen. Da Nico immer noch nicht da war, legte Leonie den Strick um Betty Hals und pfiff laut, bevor sie mit Betty in Richtung Stall ging. Die anderen Pferde folgten gehorsam. Grade als, das letzte Pferd an die Stange gebunden hatte, hörte sie Nicos Stimme, direkt über sich: „Entschuldige Miss Perfect, ich habe irgendwie die Zeit vergessen.“
Schnell richtete Leonie sich auf: „Das macht doch nichts, zu mindestens ist es für mich nicht schlimm. Die Pferde werden aber irgendwann nervös, denn sie wissen fast ganz genau, wann sie wieder rein müssen.“
Nico sah sie einfach an. Was waren das hier für komische Menschen? Man konnte sich ja alles erlauben, ohne Ärger zu bekommen.
Leonie entriss sich seinen Blick und holte Bürsten, Decken, Handtücher und einen Wasserschlauch. Nico ließ die Schultern hängen, er hatte absolut keine Lust darauf.
„Ich mach es einmal vor, dann versuchst du es, okay?“, fragte Leonie. Dieser nickte widerwillig.
„Du musst dir es dir so vorstellen, als würdest du dir Haare waschen. Das Wasser darf werde zu kalt sein noch zu warm. Mit der einen Hand spülst du das Fell ab und mit der anderen Hand bürstest du es ab“, erklärte Leonie während sie mit schnellen Bewegungen Betty saubermachte.
„So schwer sieht das gar nicht aus“, sagte Nico.
„Ist es auch nicht. Und je geübter du bist, desto schneller geht das ganze“, sagte Leonie und war mit Betty auch schon fertig.
Nico nahm ihr den Schlauch und die Bürste aus der Hand und begann bei dem nächsten Pferd. So leicht wie es ausgesehen hatte, war es gar nicht. Leonie lachte. Es sah doch wirklich zu komisch aus, wie ungeschickt Nico sich anstellte.
Nico sah sie spielerisch Böse an: „Mach´s doch besser.“
Leonie lachte noch mehr: „Stell dir vor, das kann ich sogar wirklich besser.“ Nico stimmte in ihr Lachen ein.
„Sehe ich echt so bescheuert dabei aus?“
Leonie schüttelte schnell den Kopf: „Quatsch, das machst du schon ziemlich gut. Spätestens bei Drew kannst du es.“
Nico sah hoch: „Du weißt schon, dass Drew das letzte Pferd ist.“
Leonie lachte wieder: „Ist doch super.“ Sie begann damit, die Pferde trocken zu rubbeln, nachdem Nico sie abgebürstet und abgespült hatte. Irgendwie machte es Leonie Spaß mit Nico zu arbeiten.
Endlich war Nico bei Drew angekommen. „Wenigstens bist du angebunden!“ Drew wieherte böse.
„Was hat er denn?“, fragte Leonie.
Nico erzählte ihr, wie er Drew eingefangen hatte.
Leonie lachte, sie hörte gar nicht mehr auf zu lachen.
„So lustig ist das nicht gewesen!“, sagte Nico sauer.
„Oh doch, wenn man bedenkt, dass du den Apfel im Nachhinein selbst gegessen hast“, entgegnete Leonie.
„Hätte ich den Drew zur Belohnung auch noch geben sollen?“, fraget Nico verwirrt.
„Klar, er hat ja nur mit dir spielen wollen“, sagte Leonie immer noch lachend.
„Nein, er soll direkt lernen, dass ich hier das Sagen habe und nicht er“, sagte Nico. Leonie verstummte, in dem Punkt musste sie Nico Recht geben. Drew musste wirklich noch lernen, dass er nicht der Boss war.
„Wir müssen noch die Decken drauf legen“, meinte sie schließlich. Nico nickte und half ihr dabei.
Nachdem die beiden, endlich auch das letzte Pferd wieder in seine Box gebracht hatten, stellte Leonie fest, dass Nico doch ein umgänglicher Typ war.
„Ey, es stehen mehr Pferde drin, als heute Morgen“, merkte Nico.
„Das könnte daran liegen, dass die anderen heute vielleicht bei dem Unterricht waren. Sie sind ja nicht umsonst unsere Schulpferde“, erklärte Leonie ihm.
Nico sah auf sein Handy und stellte entsetzt fest: „Das Ganze hat mehr als zwei Stunde gedauert.“
„Eigentlich ist es auch in einer Stunde oder weniger zu schaffen, wenn man das öfter macht“, meinte Leonie.
„Das Schlimme ist, ich muss das jetzt wahrscheinlich wirklich jeden Tag machen müssen“, sagte Nico lustlos.
Leonie sah ihn enttäuscht an, war es denn wirklich so schlimm gewesen? Leonie musste zu geben, sich um die Schulpferde zu kümmern, machte wirklich keinen Spaß, da man immer dasselbe mit ihnen machen musste. Doch heute hatte es Leonie Spaß gemacht. Sie unterdrückte ein Lächeln. Ihr wurde grade bewusst, dass es nicht an der Tätigkeit gelegen hatte, dass es ihr Spaß gemacht hatte, sondern eher an Nico. Sie hatte noch nie so viel gelacht, während sie sich um die Schulpferde gekümmert hatte.
Sie blieben vor dem großen Tor stehen, das raus auf die Straße führte.
„Nico, darf ich dir einen Rat geben?“, fragte Leonie. Schweigend nickte Nico. „Mach was aus diesem Jahr. Ich fände es schade, wenn du dieses Jahr vergeudest. Versuch bitte, mit etwas mehr Freude oder Motivation an alles dran zu gehen. Ich denke, deswegen haben deine Eltern
dich auch hierhin gebracht.“, sagte Leonie leise.
Nico schien verärgert zu sein. Leonie biss sich auf die Lippe. Sie wollte doch nur helfen. „Gute Nacht, Leonie“, verabschiedete er sich und ging in das große Haus.
Sie sah ihm traurig hinterher. Was hatte sie falsches gesagt?
„Hey Leonie“, begrüßte sie eine männliche Stimme. Leonie drehte sich um, hinter ihr stand Joel er war ein Junge aus der Schule.
„Hey, was machst du denn hier?“, fragte sie.
„Ich habe ehrlich gesagt, gehofft, dass ich dich hier treffe“, meinte Joel.
Leonie runzelte die Stirn: „Warum das denn?“
„Darf ich dich nach Hause bringen?“, fragte er, statt ihr zu antworten. Sie willigte ein.
Joel öffnete für sie die Beifahrertür: „Setz dich.“
„So, warum wolltest du mich unbedingt treffen?““, wollte Leonie wissen.
„Naja, bald ist ja der Abschlussball“, Joel verstummte.
„Ja, stimmt. Ich bin voll aufgeregt deswegen. Ich meine, ich weiß noch gar nicht, was ich nach der Schule machen will. Und irgendwie ist es auch schon zu spät sich noch zu bewerben“, erzählte Leonie.
„Ich wollte dich fragen, ob du mit mir dahingehen möchtest“, erzählte Joel. Leonie schwieg. Joel begann wieder zu reden: „Wenn du schon mit jemand anderem dahingehst, ist auch okay. Ich frage ja wirklich schon etwas spät. Bei dir standen die Typen wahrscheinlich Schlange.“ „Nein, da liegst du falsch. Ich habe noch keinen der mich begleitet.“
Joel grinste: „Dann können wir beide zusammen hingehen.“ Er sagte es so, als ob das jetzt eine beschlossene Sache wäre.
„Joel, es tut mir leid, aber ich werde mit meinen Freunden auf den Ball gehen, das haben wir schon von Anfang an vorgehabt“, meinte Leonie leise. Es entstand eine peinliche Stille. So hatte sie sich bei Nico nicht gefühlt. Sie waren vor ihrem Haus angekommen.
„Darf ich dich morgen zur Schule bringen?“, versuchte Joel es nochmal.
Leonie stieg schnell aus, sie wollte ihm nicht antworten. Joel bemerkte, dass sie seine Frage überhört hatte und meinte: „Wir sehen uns ja in der Schule.“
Leonie nickte und machte die Tür zu und verschwand schnell im Haus.
Fröhliches Gelächter drang aus dem Wohnzimmer. Sie betrat das Zimmer, alle ihre Geschwister mitsamt ihren Eltern saßen um auf den Boden und wollten grade anfangen Monopoly zu spielen.
„Machst du mit?“, fragte Ben.
„Auf jeden Fall“, antwortete Leonie.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Elias sie.
Leonie lächelte: „Klar.“ Sie setzte sich zu ihrer Familie auf den Boden. Diese lockeren Spieleabende, gefielen Leonie besonders gut, hierbei konnte man alles vergessen und einfach Spaß haben.