Sie sagen dir was sie bedrückt.
Einsamkeit.
Na schön, kann ich nachvollziehen.
Sie eröffnen dir eine schwere Vergangenheit.
Mobbing.
Alles klar, dem kann ich folgen.
Aber dann geht's los.
Er hat keine Lust mehr auf das allein Sein, den Weg ist er sein Leben lang gegangen.
Er sieht die Welt in einem anderen Licht, lebt nach dem Prinzip der Nächstenliebe.
Er hat eine Erfindung, die die Welt revolutionieren wird. Keine Theorie, eine Erfindung, mit Prototyp, Essay und allem drum und dran, denn er will uns alle retten.
Er ist clever, die anderen blind.
Er ist besonders, auserkoren, der Eine, der dazu berufen worden ist, den Untergang zu verhindern.
Er will keinen Hass, er will Liebe.
Er hat die Götter gesehen und sie haben ihn die wahre Verbundenheit fühlen lassen.
Er hat ein einmaliges Verständnis für Gefühle, Leben, Wissen und Natur.
Deshalb gibt er auch nichts auf das, was die Anderen sagen.
Ach, tatsächlich?
Dafür brauchst du die Gruppierung, die du aufbauen willst?
Ist es Outsourcing, oder doch eine höhere Erkenntnis?
Wozu möchtest du unsere Anwesenheit?
Dein Genie hat dich doch weit gebracht, bis zu einem vollen Collegeblock und dem Prinzip der Zentrifugalkraft sogar.
Du bist in der Lage, Energie zu zerstören.
Natürlich, was denn sonst?
Jahrhunderte an Forschung können nicht eher richtig liegen, als ein rotierender Stock auf einem Teppich, den du - oh Schreck - zum Stoppen kriegst.
Wie hast du einem eingeschränkten Verstand wie mir überhaupt solch wichtige Eingebungen anvertrauen können?
Ich bin doch nur eine dieser engstirnigen Zweifler, Inquisitoren und Spießer, die, die es zutiefst bereuen werden, wenn du dann Erfolg hast mit deinem wissenschaftlichen Durchbruch.
Sobald du die Welt aus ihrer Miesere gehievt hast, werde ich meine Fehler einsehen, denkst du nicht?
Sei stolz - Aber wem sag ich das?
Das kannst du auch ohne Ermutigung gut genug.
Für kurze Zeit wollte ich dir glauben.
Ich hatte Hoffnung, dass du vielleicht wirklich ein kleines Abenteuer am erleben wärst und es ernst meintest mit deiner verkackten Nächstenliebe.
Das du es ernst meintest, als du erzählt hast, du fändest mich witzig, originell und sympathisch. Das du mich tatsächlich mochtest.
Ich habe dich nicht gefragt, ob du dich für ehrlich hälst, weil ich eine Kostprobe deiner Fähigkeiten wollte.
Glaubst du, du hast mir mit deinem 'Nein' reinen Wein eingeschenkt?
Meine Befürchtungen schreien das, was du damals nicht gesagt hast.
Habe ich dich je darum gebeten, mir deine Welt zu "eröffnen"?
Deine Komplimente hättest du dir sparen können, verkauf sie im Discounter zusammen mit dem, was du mir sonst so über dich verraten hast. Lob habe ich sowieso nie leiden können, was ich erwähnt habe, aber dir war es egal.
Da du "prinzipientreu" bist, hattest du vor, mir zu helfen.
Mich graue Maus musste man doch ebenso erlösen.
Beliebtheit, zu der wolltest du mich führen.
Kein Interesse.
Anerkennung will wohl jeder irgendwie, aber um mich nach so etwas willkürlichem zu sehnen, war ich nicht verzweifelt genug. Getan habe ich es zugegebenermaßen schon.
Das mit der Anerkennung zu bejahen hat dir gereicht, ich war von nun an deine Projekt-Nächstenliebe-Baustelle.
Eigentlich wollte ich dir den Unterschied erklären, aber dazu hast du mir keine Möglichkeit gegeben.
Die Redezeit war für wichtiges reserviert.
Wo ist dein Schlagwort für den Fall abgeblieben, du Penner?!
Warum bin ich urplötzlich der Schwachkopf, der Unsinn labert?
"Einsamkeit? Haha, du redest echt Müll. Und Theorie? Ich habe Prototypen, stehe kurz vor dem Durchbruch. Ich brauche dich nicht, ich hab genügend Freunde. Was läuft falsch bei dir? Lass mich in Zukunft bloß in Frieden."
Ich wollte kein Treffen mehr, keinen weiteren halbstündigen Vortrag über deine überragende, neue Sichtweise.
Aber wieso nicht die Dinge umdrehen?
Die normale Physik liegt nunmal falsch. Zu viel Mathe, keine Sichtweise. So kommt doch keiner weiter! Nicht wahr?
Die geometrischen Fluffelwesen, die du während einer deiner Trips getroffen hast, wussten das dein früheres Ich nicht von Nutzen war. Götter hast du sie genannt, Götter die dir gezeigt haben was bedingungslose Liebe heißt.
Ich bezweifle immer noch stark, dass du weißt, was 'bedingungslos' bedeutet, aber die Liebe, natürlich, hinter die bist du gekommen .
Dir zu sagen, dass ich dein alter Ego eher kennenlernen wollte als dich jetzt gerade, hatte ich damals nicht übers Herz gebracht. Dreißig Kilo drauf, konstant am Zocken, mit Hass auf die Welt und verstoßen von den Mitschülern, aber dafür ohne Psychedelika.
Vermutlich wärst du nicht mein Traumtyp, aber dafür hätte ich jemanden getroffen, der noch eignene Träume besitzt.
Vielleicht wäre dieses Du endlich ehrlich.
Ich bin Schuld, weil ich dich vor den Kopf gestoßen habe.
Ich bin Schuld, weil ich die abstruse Idee hatte, dich beim Wort zu nehmen als du meintest, du würdest konstruktive Kritik mögen.
Ich bin Schuld, weil ich zu früh und zu spät in einem erkannt habe, dass der konstruktive Teil hier von marginaler Bedeutung ist.
Ich bin Schuld, weil ich wirklich zu aggressiv dahergekommen bin, als ich dir das geschrieben habe.
Ich bin Schuld, weil ich dir glauben wollte.
Wirklich.
Es tut mir leid dich urplötzlich von mir gestoßen zu haben.
Nur gibt es eine Sache, die ich ganz und gar nicht leiden kann.
Lügner.