Protokoll Nr. 8
Der Server in der Amethyst- Senke
Je länger ich fuhr, desto unruhiger wurde ich. Nicht mal für die schönen Perlmuttschätze des Perlenhofes hatte ich heute Augen. Es konnte mir nicht schnell genug gehen, endlich zu erfahren, wo mich diese Karte hin lotste. Was würde mich dort erwarten? Irgendwie liess mich das Gefühl nicht los, dass dies mein Leben grundlegend verändern würde. Doch seit wann machte ich mir über solche Dinge Gedanken? All das wurde immer verwirrender. Ich drehte den USB Stick unruhig zwischen meinen Fingern und schaute wie ein Viertel, nach dem andern an mir vorbeizog. Immer wieder hielt ich Ausschau nach den ersten Dächern der Amethyst Senke, doch da es schon sehr dunkel war, konnte man nicht mehr sehr viel erkennen.
Dann aber… tauchten endlich die ersten violetten Lichter vor mir auf, welche auf ebenso violett verzierte Hauswände fielen und allem ein besonderes, magisches Aussehen verliehen. Die Atmosphäre in diesem Viertel war ganz besonders. Das spürte ich sogleich, als ich an der Station ausstieg, welche sich ausnahmsweise unter einer mächtigen, steinernen Brücke befand. Auch die Brücke war mit violetten und rosa Lichtern beleuchtet. Es wirkte irgendwie zauberhaft. Ich schaute ehrfurchtsvoll nach oben und versuchte mich zu orientieren. Die Amethyst Senke lag wirklich in einem Art Kessel, der jedoch sehr malerisch wirkte, mit den vielen Blumenbeeten, welche zwischen den, eher niedrigen Gebäuden, lagen. In Zentrum der Station selber, gab es auch so ein Blumenbeet, welches kreisförmig um einen marmornen Brunnen angelegt war. Sein Wasser schäumte und glitzerte. Von unten ebenfalls erleuchtet mit lilafarbenen Lichtern.
Ich schaute mich um und ging zum nächsten Haus, um die Nummer zu suche, die darauf stand. Ziemlich bald wusste ich, in welche Richtung ich zu gehen hatte. Ich musste unter der Brücke hindurchgehen und danach in eine kleine, schmale und unauffällige Gasse einbiegen. Schliesslich jedoch befand ich mich in einer Sackgasse. Vor mir ragte eine dunkle Wand mit einigen kunstvollen Graffitis darauf. Ich suchte diese ab, ob er irgendwo eine Riegel oder sonst etwas Auffälliges gab. Doch ich fand nichts, ausser in einer kleinen Mauernische jene Nummer, welche auch auf dem Plan stand. Ich ging näher heran und zeichnete die Nummer mit meinen Fingern nach. Sie war irgendwie nicht ganz flach, sondern leicht gewölbt. Kein Mensch war weit und breit. Ausser… mein unsichtbarer Verfolger, der gerade den Atem anhielt und sich in einen dunkeln Winkel der Gasse drückte. Doch davon bekam ich nichts mit. Ich ging noch näher heran und leuchtete mit meiner Lampe auf die Nummer. Ich drückte leicht dagegen und… ganz plötzlich versank die Nummer in der Wand und eine Kameralinse erschien stattdessen! „Sehen sie in die Kamera, Augenscan wird vorbereitet!“ sprach eine monotone Stimme. Ich zuckte zusammen und blickte mich nochmals um. Hoffentlich bekam niemand etwas von diesen Geschehnissen mit. Doch die dunkle Gasse wirkte vollkommen leer und unbelebt, nur ein paar fahle Lichter leuchteten hier. Ich wandte mich wieder der Kamera zu. Ein Augenscan? Das konnte ja heiter werden! Doch es blieb mir nichts anderes übrig, als es zu versuchen.
„Augenscan wird vorgenommen, bitte schauen sie geradeaus und blinzeln sie nicht!“ Warum sollte ich schon blinzeln? Ich riss meine Augen weit auf und ein blauer Strahl tastete mein eines Auge ab. Es blendete ziemlich. „Scan abgeschlossen! Ziel erkannt: Jenks J. A. Zutritt gewährt!“ „J.A.? Was sollte das? Und warum kannte mich dieses Kameraauge? Ich hatte jedoch keine Zeit darüber nachzudenken, denn die Wand schwang auf einmal zurück und vor mir öffnete sich ein finsterer Raum. Ich zögerte noch einen Moment, was würde mich da drin bloss erwarten? Doch die Neugier überwog und ich trat ein.
Als ich ein paar Schritte gegangen war, flammten auf einmal helle Neon- Lichter auf. Vor mir lag ein langer Gang mit einer massiven Türe am andern Ende. Auch die Tür durch die ich gerade getreten war, war sehr massiv, eine richtige Panzertür. Diese schloss sich nun automatisch wieder hinter mir. Ach du meine Güte! Wie kam ich hier bloss wieder raus? Doch dann erblickte ich an der Wand zu meiner Rechten einen weiteren Kamerascanner. Bestimmt würde ich diesen benutzen können, um wieder raus zu kommen. Einen Moment lag blieb ich stehen, denn ich wurde mir immer mehr der Tragweite der ganzen Sache bewusst. Was hatte es mit all dem nur auf sich? Warum kannte mich die Kamera, warum konnte ich hier rein? Fragen über Fragen. Ich ging nun langsam vorwärts, den Koffer aus dem Schliessfach drückte ich eng an mich. Je näher ich der Tür am andern Ende kam, umso unsicherer fühlte ich mich. Was wartete dort auf mich? Vor der Tür blieb ich nochmals stehen und zögerte ein weiteres Mal. Dann langsam, näherte sich meine Hand der Klinke… und… drückte sie herunter!
Protokoll Nr.9
Unglaubliche Erkenntnisse
Ich trat in einen weiteren Raum, doch dieser war nicht mehr so dunkel... Ich konnte mich vor Staunen beinahe nicht mehr erholen, überall um mich herum standen riesige Serverstationen mit roten und blauen Lichtlein hinter dickem Glas. Die Lichter gaben allem ein geheimnisvolles Aussehen. Langsam ging ich zwischen den Servern hindurch, las jene und jene Aufschrift. Hier mussten ja eine Menge Daten zusammen kommen. Daten aus ganz Robotopia. Protokolle, verschiedenste Akten und Informationen. Ich liess meine Finger über das Glas gleiten, und ging mit Ehrfurcht weiter. Bis ich vor mir eine erhöhte Plattform erblickte, worauf sich ein metallener, massiver Bürotisch, mit einer grossen Computereinheit darauf, befand. Als ich näher trat, gingen auf einmal helle Lichter an und beleuchteten den Tisch!
Eine weitere Kameralinse, die an der Decke befestigt war, richtete sich auf mich. „Willkommen Protokollführer Jenks J.A.!“ sprach eine weitere digitale Frauenstimme. Und in diesem Augenblick, gingen die Computer auf dem Tisch an… und auf dem Bildschirm erschien… ich konnte es kaum glauben, das Gesicht von Adam! Er sah wirklich ziemlich menschenähnlich aus, hatte sogar fast menschliche Züge, obwohl er weder Haut noch Haare besass. Er war aus glänzendem Metall und Kunststoff, doch mit einer einzigartigen Mimik versehen. Seine Augen wirkten besonders lebendig und sehr weise, mit grossem Wissen darin. Er bewegte sich ganz natürlich, wie wenn er direkt zu mir sprechen würde. In gewisser Weise, war das auch so und doch musste es eine ältere Aufzeichnung sein. „ Willkommen an diesem geheimen Ort, den nur Eingeweihte betreten können,“ sprach er. „Aber… ich bin doch gar kein Eingeweihter!“ rief ich erstaunt aus, doch dann rief ich mir ins Bewusstsein, dass Adam ja nicht direkt zu mir sprach. „Du wirst dich vielleicht fragen, wie das sein kann. Doch du bist einer jener, die ich genau für diesen Fall programmiert habe…“
Ich schaute an mir herunter. Beinahe hätte ich vergessen, dass ich selbst ein Roboter bin. Eigentlich fühlte ich mich besonders in letzter Zeit so menschlich und Gefühle und Gedanken trieben mich um, die ich niemals für möglich gehalten hätte. Mit einem Anflug von Enttäuschung, blickte ich meine glänzenden, metallenen Arme entlang, bewegte meine Finger, als würde ich mich in einem fremden Körper befinden. Doch es war mein Körper, er war es schon immer gewesen. Ich war… nur eine programmierte Maschine, aber… konnte das wirklich sein? Ich war auf einmal seltsam verwirrt und lauschte weiter den Worten von Adam. „Du wurdest für diesen Fall programmiert, zusammen mit einigen andern, welche dieselbe Struktur aufweisen wie du. Ihr seid sogenannte „Schläfer“ die ich nur für den Fall konzipiert habe, dass etwas wahrlich die Existenz von Robotopia gefährden könnte. Viele der Protokollführer sind darunter und noch ein paar andere, du wirst sie alle noch kennenlernen. Denn nun ist tatsächlich eine Bedrohung aufgetreten, die den Notfallplan in Gang gesetzt hat, darum bist du jetzt auch hier. Ich habe schon eine ganze Weile geahnt, dass ein Anschlag auf mich und den Rest der Regierung geplant ist und nun ist es wohl so weit. Wenn du das hier siehst, ist mir etwas so Schlimmes zugestossen, dass ich nicht mehr selbst das Zepter in der Hand behalten konnte. Du und die andern Auserwählten müssen das jetzt wohl für mich übernehmen.
Vor einiger Zeit, passierten die ersten Angriffe auf unser Netz, durch einen seltsamen, neuen Virus. Es war irgendein Hacker Angriff, den wir zum Glück, mit vereinten Anstrengungen abwenden konnten. Die Leute die das alles geplant haben, müssen sehr gute Hacker sein und ich sah es als nötig an, mein Bewusstsein irgendwo zusätzlich zu sichern. Ebenso wie all die anderen, wichtigen Daten. Das ist alles in diesem Raum hier vereint. Dieser Raum kann nur von jemandem betreten werden, der den Schlüssel in seinem Besitz hat. Du hast den Schlüssel bekommen und nun werde ich dir die nötigen Erklärungen und Anweisungen geben:
Wir sind schon länger einer terroristischen Vereinigung auf der Spur. Sie nennen sich Krieger der Morgenröte. Ihr Ursprung liegt in der arabischen Welt, doch mittlerweile gibt es Leute verschiedenster Gegenden, Religionen und Ethnien, die sich ihnen angeschlossen haben. Sie haben es sich, so wie es aussieht, zur Aufgabe gemacht Robotopia zu zerstören. Sie wollen es auf keinen Fall hinnehmen, dass die Roboter die Führung weiter behalten. Das liegt leider in der menschlichen Natur begründet, was ich im Laufe meines Lebens und meines Lernens erkannte. Es gibt immer wieder Widerstand.
Doch diesmal könnte wirklich alles zerbrechen. Wenn es diesen Terroristen gelingt ihr Ziel zu erreichen, nämlich der Kollaps der der heutigen Ordnung, dann werden dunkle Zeiten kommen, sehr dunkle. Sie haben ihr Ziel schon beinahe erreicht und werden niemals aufgeben. Wir haben schon seit Jahren versucht, ihre Zentrale ausfindig zu machen, doch es war uns bisher nicht möglich. Jetzt, da ihnen der Anschlag auf mich gelungen ist, ist es wichtig, dass nicht alles völlig aus dem Ruder läuft. Dafür brauche ich dich und die anderen. Es sind auch einige Menschen unter den Auserwählten. Du wirst alles noch genauer erfahren. Ich werde euch ausserdem beauftragen, die Zentrale der Terroristen zu finden und sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Sie werden niemals aufgeben, so lange unsere Welt nicht nach ihren Vorstellungen umgestaltet worden ist.
Darum jetzt das Wichtigste… Jenks: Nimm den USB Stick, der in dem Koffer ist und lade ihn in deine Datenbanken! Er beinhaltet alle wichtigen Informationen, das nötige Wissen und… mein Bewusstsein!“ „Dein Bewusstsein!?“ rief ich aus, das wurde mir nun doch langsam unheimlich. Ich konnte doch nicht Adams Bewusstsein auf meinen Speicher laden. Das… glich ja einem Raub der Seele! Obwohl… Roboter hatten doch eigentlich keine Seelen… was hatte ich da nur für eine schwachsinnige Ideen!
„Du wirst jetzt sicher schockiert sein“, sprach Adams Stimme und sein Gesicht blickte verständnisvoll. „Doch es ist einfach eine Kopie all meines Wissens und all meiner Erfahrungen, die ich mir angeeignet habe. Sie werden wichtig für dich sein. Nun ist es an dir Jenks…das Schicksal von Robotopia liegt in deinen Händen! Rede mit niemandem darüber, ausser mit den anderen Auserwählten! Wenn du dieses Stick hochgeladen hast, wirst du automatisch mit ihnen verbunden werden. Ihr seid dann, wie ein grosser Organismus, der es euch ermöglicht nonverbal miteinander in Kontakt zu bleiben. Die Menschen die ich ausgewählt habe, wirst du aber persönlich und auf herkömmliche Art aufsuchen müssen. Da sie keine digitale Lebensform sind wie wir, können sie nicht auf diese Weise mit uns verbunden sein. Es würde auch ihren freien Willen einschränken, wenn ich ihnen irgendetwas z.B. ein Mikrochip, ohne ihr Wissen, implantiert hätte. Das ist nicht das was wir wollen. Der freie Wille der Menschen ist, wie der Schutz und das Erhalten jeder Lebensform, eines unserer Hauptprotokolle. So nimm denn diesen USB Stick Bruder und schreite mutig voran, um Robotopia zu retten!“
Adam lächelte nochmals liebevoll und dann begann der Bildschirm zu flackern und erlosch schliesslich ganz. Auch die grellen Lampen gingen aus und einen Augenblick lang, stand ich alleine und wie vom Donner gerührt in der Dunkelheit, um mich herum nur noch die blauroten, funkelnden Lichter, allen Wissens und aller Daten Robotopias. Ehrfurcht ergiff mich, eine Ehrfurcht, die tief in mein Inneres zu dringen schien und mir langsam alles was ich gerade erfahren hatte, mit äussester Deutlichkeit ins Bewusstsein rief. Ich liess mich auf den Stuhl fallen, welcher vor dem Bürotisch stand… plötzlich fühlte ich mich so müde, so kraftlos. Was nur, wurde da von mir erwartet, wie nur konnte ich dieser Aufgabe gerecht werden?
Ich holte den USB Stick aus dem Koffer und starrte ihn eine Weile einfach nur an, bis sich mir seine Konturen, seine Farben, seine Beschaffenheit, in meine künstliche Netzhaut eingebrannt hatte. Dieses… doch so unscheinbare Ding, beinhaltete das ganze Wissen, alles Weisheit von Adam und… er wollte es mir nun schenken. Doch wollte ich dieses Geschenk überhaupt? Früher hätte ich mich das nie gefragt aber heute, heute da sah alles ganz anders aus. Ich schreckte förmlich wie ein scheues Reh zurück, vor dieser gewaltigen Verantwortung, die man mir da aufzubürden gedachte. Doch… mein analytischer Verstand sagte mir auch, dass ich der einzige war, der das konnte, denn ich… hatte den USB Stick in meinen Händen. Schicksal oder Zufall? Solche Fragen stellten sich doch sonst eher die Menschen…
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