Nebelschwade hingen wie Geister über dem Fluss Nemetos. Das Wasser kräuselte sich und wenn man genau hinschaute sah man schemenhafte Wesen, die sich im schwarzen Wasser wanden.
Milan schaute genauer hin. Der Fremde, der den Weg hinauf auf sie zugewankt kam, war merkwürdig. Er war ein Elb, keine Frage, das sah Milan an seinen spitzen Ohren, aber irgendetwas stimmte nicht mit ihm.
Er konnte nicht sagen, ob es der seltsame Geruch nach Tod, der an ihm hing, oder die seltsamen Kleider, oder doch nur die gnadenlose Hitze des Tages war.
Der Fremde hatte blonde Haare, die ihm beinahe bis zu den Schultern reichten und war bleich. Allerdings war Milan sich nicht sicher, ob das alleine an der Wunde lag, die der Fremde an der Seite hatte.
Milan und seine Kollegin Taja, die mit ihm zusammen für die Mittagswache am Tor eingeteilt worden war, kreuzten die Waffen.
Auch wenn der Mann vor ihnen verletzt war, Regeln waren und blieben Regeln.
“Was willst du hier Fremder?” Wollte Milan wissen.
Die Stimme des Typs war heiser, als er antwortete. “Die Schleusen wurden geöffnet. Sie kommen aus dem Westen.”
Milan warf Taja einen verwirrten Blick zu.
“Wer bist du?” fragte Taja.
“Mein Name ist Antalion.” Wisperte der Fremde.
Milan zuckte zusammen und auch Taja war überrascht.
Antalion war der Prinz des Nordens. Vor einigen Monaten war er zusammen mit seinem Heer in den Krieg gegen die finsteren Wesen gezogen, die das Land der Elben seit Äonen belagerten.
Keinen einzigen der Männer hatte man jemals wiedergesehen und schliesslich waren sie vor einigen Wochen für tot erklärt worden.
Da gab es aber noch einen weiteren Haken. Milan hatte den Prinzen zwar nur einmal gesehen, damals, als dieser vor ca. 3 Jahren in ihre Festung gekommen war, aber Milan war sich sicher. Dieser Mann hier war nicht Antalion.
Den Mann, den er damals gesehen hatte, war hünenhaft gewessen, braun gebrannt und voller Narben und nicht zu vergleichen, mit dem jungen Mann, der jetzt vor ihm stand.
Aber seine Stimme.
Es war dieselbe Stimme wie die, die er gehört hatte als…
Er hatte keine Zeit seine Gedanken noch weiter zu verfolgen, denn in diesem Moment brach der Mann vor ihm zusammen.
Jetzt waren Milan die Regeln egal.
Er warf sein Schwert zu Boden und rannte zu dem Fremden, der sich als Prinz Antalion ausgab.
Er hatte es seinen elbischen Fähigkeiten zu verdanken, dass er ihn auffangen konnte, bevor sein Körper den Boden erreichte.
Gemeinsam mit Taja trugen sie ihn in den Krankenflügel der Burg Nardat.
Taja drängte ihn, sofort Ronam, den Herrn der Festung zu informieren, aber Milan hörte ihr gar nicht zu.
Ob das wirklich Prinz Antalion war? Und ob er ihn erkannt hatte?
Gleich darauf schalt Milan sich selbst. Natürlich nicht.
“Milan!” Tajas energischer Tonfall holte ihn wieder zurück in die Wirklichkeit.
“Wir müssen den Vorfall an Ronam melden, damit der entscheiden kann, was zu tun ist.”
Milan nickte abwesend und folgte Taja, obwohl sich in ihm alles dagegen sträubte.
Stunden später sass Milan in seiner kleinen Kammer und stützten den Kopf in die Hände. Ronam hatte ihnen geduldig zugehört und war dabei immer blasser geworden.
Milan hatte ihn gefragt, ob er eine Nachricht in den Krankenflügel bringen sollte, aber Ronam sagte, er wolle das selbst erledigen.
Danach war er gegangen und Milan hatte ihn nicht wiedergesehen.
Ihm schossen tausend Fragen durch den Kopf. Er hatte auf keine von ihnen eine Antwort und verbot sie schliesslich daran zu denken.
In dieser Nacht schlief er schlecht. Er träumte immer wieder dasselbe, aber irgendwie kapiere sein Hirn trotzdem nie, dass es nur ein Traum war und er fuhr jedes mal schweissgebadet hoch.
In seinem Traum sah er jedes Mal Antalion vor sich, wie er sich zu ihm hinabbeugte, wie er es auch in Wirklichkeit getan hatte.
Aber dann riss er jedes Mal den Mund zu einem stummen Schrei auf und eine Armee aus Schatten glitt aus ihm heraus. Dann versank alles in Dunkelheit.
Am nächsten Morgen war Antalion das einzige Thema in der Burg. Es gab jede Menge Gerüchte darüber, weshalb der junge Elb sich als Prinz Antalion ausgab, aber Milan glaubte keine einzige der haarsträubenden und sinnlosen zusammengestückelten Theorien.
Er war den ganzen Tag etwas neben der Spur und musste sich bemühen, dass der neue Rekrut, den er im Schwertkampf unterrichten sollte, ihn nicht schlug.
Am späten Nachmittag dann, fand endlich die offizielle Vernehmung in der grossen Ratshalle statt.
Milan sass auf einer Bank in der vordersten Reihe der Zuschauer. Er hatte noch kein Stimmrecht, dafür war er noch zu jung, aber da er selbst bereits Ausbilder war und sein Vater vor seinem Tod einer der wichtigsten Berater Ronams gewesen war, hatte er trotz allem eine gute Position in der Festung.
Es dauerte lange bis die Anwesenden mehr oder weniger ruhig waren, aber ein leises Flüstern blieb bestehen.
Schliesslich nickte Ronam einem der Wachen an der Tür zu und der Fremde, der sich als Antalion ausgab, wurde hineingeführt.
Schlagartig waren alle still, nur um nach ein paar Sekunden noch lauter als zuvor weiter zu diskutieren.
Auch wenn die Wunden des junge Mannes jetzt verbunden waren, hatte Milan den Eindruck, er sähe schlimmer aus, als am Tag zuvor.
Natürlich wusste er, dass es jemand, der als Verräter galt, in den Kerkern von Nardat nicht gerade leicht hatte, schliesslich hatte er selbst allzu oft dort unten Wache gestanden, aber Antalion sah wirklich übel aus.
Sein Gesicht war mit Schürfwunden und Blessuren überzogen. Er schien zu versuchen, sein rechtes Bein zu entlasten, und sein Blick war getrübt.
Er wankte und einen Moment lang dachte Milan schon er würde hinfallen, aber er konnte sich rechtzeitig wieder fangen.
Er stolperte noch ein paar Schritte vorwärts und stellte sich dann vor dem Tisch auf. Genau gegenüber von Ronam – und von Milan.
Die Zuschauertribüne stand etwas erhöht hinter dem provisorischen Richtertisch, weshalb Milan besten Blick auf das Geschehen im Saal hatte.
Der eine der beiden Wachsoldaten hinter Antalion trat diesem grob in die Kniekehlen und seine Beine knickten unter ihm weg.
Ronam erhob sich und erklärte die Gerichtsverhandlung für eröffnet.
„Fremder,“ Ronams Stimme war laut und klang ein kleines Bisschen überheblich.
„Du dringst hier in unsere Burg ein und behauptest der legendäre Prinz Antalion zu sein, der seit mehreren Wochen tot ist. Was bezweckst du damit?“
„Tot?“ Hohn schwang in der Stimme des Fremden mit.
„Habt ihr je eine Leiche gefunden? Nein, habt ihr nicht. Weil es keine Leichen gibt. Und wie ihr alle seht, bin ich auch nicht mehr, wer ich einmal war. Das einzige, das noch vom alten Antalion übrig ist, sind seine Erinnerungen – und meine Stimme.“
Na klar, das hatte Milan auch gleich gedacht, als er dem Fremden gestern begegnet war. Dass ihm seine Stimme bekannt vorkam.
Milan fand, dass das ein guter Grund war, denn schliesslich konnte er ja nicht der einzige sein, der die Stimme kannte, aber das Gericht schieb das anders zu sehen.
„Stimmen kann man imitieren und Wissen kann man sich aneignen. Keine eindeutigen Beweise.“ Meinte ein alter Mann mit einem langen, weissen Bart und krummem Rücken.
Soweit Milan wusste, war das der Schatzmeister von Nardat, aber ganz sicher war er sich da nicht, weil sein Bruder, der als Seher arbeitete, und mit seinen Vorhersagen erstaunlich oft richtig lag, ebenfalls einen guten Ruf hatte, ihm erstaunlich ähnlich sah.
„Du wirst wegen dem Diebstahl von Identität, der Verbreitung von Lügen und des Verrats angeklagt und wahrscheinlich verurteilt. Irgendwelche Einwände?“
Ronam schien die ganze Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen zu wollen.
Einige im Publikum murrten. Es waren diejenigen, die noch immer davon überzeugt waren, dass der Prinz mit seiner Legion nicht einfach so spurlos verschwunden sein konnte.
Aber der Rat schien sich einig zu sein, denn alle Anwesenden liessen die Hände auf dem Tisch liegen. Niemand sagte etwas.
„Ich habe einen Einwand.“
Milan brauchte einen Moment, bis er merkte, dass er selbst es war, der sprach.
„Laut dem Gesetz…“
„Junge!“ unterbrach Ronam ihn. „Lass den Unsinn.“
Aber Milan redete unbeirrt weiter. „Laut dem Gesetz, Abschnitt 12, der vor drei Jahren erlassen wurde, hat der Angeklagte das Recht seine Argumente vorzubringen, seine Unschuld zu beweisen versuchen, oder das, was ihm widerfahren ist, vorzutragen.“
Erneut flüsterten der Zuschauer und es wurden mehrere Stimmen laut, die dem Kriegen zustimmten.
Als Milan wieder hinunter zu Antalion schaute, sah er, wie der Angeklagte anerkennend nickte und wie sich ein leises Lächeln in sein Gesicht schlich.
„Er hat recht.“ Sagte schliesslich der Anführer der Wachgarde, der ganz am Ende des Tisches sass.
„Na gut.“ Brummte Ronam schliesslich.
„Dann erzähl uns, was du erlebt hast, Prinz.“
Er spuckte das Wort „Prinz“ aus, als ob es Gift wäre, aber Antalion schien das nicht im Geringsten zu stören.
Er richtete seine Augen auf Milan und begann zu erzählen.
„Wir waren gut 5000 Mann stark.
4000 zu Fuss und 1000 zu Pferd. Eine solide Armee.
Wir marschierten in Richtung Westen, um einen erneuten Angriff der Schatten zu verhindern, von dem uns unsere Spione berichtet hatten…“
Antalion erzählte wie seine Armee am Fluss Nemetos in eine Falle gelockt worden war und das schwarze Wasser sie in die Tiefe gerissen hatte.
Dort unten war irgendein riesiges unförmiges Ungetüm aus dunklen Schatten, vermischt mit Steinen und Schlamm, dabei aus dem Grund des Flusses zu wachsen.
Die Männer seien zu willenlosen Marionetten geworden und schliesslich wurden die Seelen aus ihren Körpern gerissen, um das Monstrum zu nähren.
Es musste etwas von qualvollsten sein, was es unter der Sonne gab, so schrecklich klang die Geschichte, fand Milan.
Was ihm auch Angst machte, war die Tatsache, dass Antalion keines der Ratsmitglieder auch nur eines einigen Blickes würdigte. Seine Aufmerksamkeit galt ganz allein Milan.
Antalion hatte es irgendwie geschafft, sich mit seiner gesamten Willenskraft an dem Körper einer seiner Soldaten festzuhalten, in den er schliesslich irgendwie hineingelangt war.
Er hatte sich stundenlang zwischen den leergesaugten Hüllen seiner Männer versteckt und als die Schatten schliesslich endlich gegangen waren und die Überreste einiger ihrer Opfer zu fressen, hatte Antalion einen günstigen Zeitpunkt abgewartet, um sich nach draussen zu schleichen.
Leider hatten ihn einige Schatten dabei erwischt und im Kampf mit ihnen, hatte er sich die Verletzung an der Seite zugezogen. Darauf folgte ein tagelanger Marsch durch die sengende Hitze, Durst, Hunger und Schmerz, bis Antalion heute Mittag endlich Nardat erreicht hatte
Es begann bereits einzudunkeln als Milan endlich aus dem Hauptgebäude hinaus in den Innenhof trat.
Die Verhandlungen waren nach Antalions Erzählung in einem Streit eskaliert und noch ewig weitergegangen.
Schliesslich hatte Ronam sie alle hinausgeschickt und den Prozess vertagt.
Er könne das nicht mehr allein entscheiden, hatte er gesagt und laut dem Gesetz, Abschnitt 12, müsse man Antalions Aussagen erst auf die Wahrheit überprüfen, bevor man weiterfahren könne.
Da niemand beweisen konnte, dass der Mann nicht wirklich Antalion war, blieb dem Burgherr nichts anderes übrig, als den jungen Mann vorübergehend vom Kerker in eine der Gästezimmer zu verlegen - bewacht natürlich.
Milan versuchte sich möglichst auf seine normale Tagesroutine zu konzentrieren, was ihm nicht mal so schlecht gelang wie erwartet.
Er hielt vor dem Tor Wache und patrouillierte auf der Mauer, arbeitete in der Küche und nahm an einer Besprechung, zur Verbesserung der Sicherheit in Nardat, teil.
So schaffte er es ganze zwei Tage lang normal weiter zu machen, bis Tyros, der Anführer der Wachgare, ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machte.
„Milan, du bist heute für die Nachtschicht vor Antalions Zelle eingeteilt.“
„Wir gemacht, Sir“ Milan versuchte sich seinen Schrecken nicht anmerken zu lassen als er mit dem Kopf nickte und hoffte inständig, dass er einen gesprächigen Wachpartner zugeteilt bekäme, nicht so wie Melio, mit dem er vor ein paar Wochen zusammen Nachtdienst hatte.
Der Typ hatte geschwiegen wie ein Grab und war so ruhig dagestanden, dass Milan der Versuchung widerstehen musste, ihn nicht anzufassen um herauszufinden, ob er zur Salzsäule erstarrt war.
„Antalion hat sich bis jetzt ruhig verhalten. Er sagte es brächte ihm nichts zu fliehen, weil es in seinem Interesse sein, dass sich die Sache zum Guten wende. Du wirst die Wache alleine absolvieren. Ich hoffe du schläfst vor Langeweile nicht ein.“
Tyros lachte.
„Ich werde mir Mühe geben.“ Sagte Milan, während er dachte „Wie in aller Welt sollte ich auch nur an Schlaf denken können?“
„Dann ist gut. Du kannst dir freinehmen, um etwas Schlaf vorzuholen.“
Mit einer Handbewegung entliess Tyros ihn.
Als Milan in seiner Kammer sass, war an Schlaf nicht zu denken.
Er hätte sich gerne abgelenkt, um die ganzen Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen los zu werden, aber wenn er das Zimmer jetzt verliess, dann würde Tyros denken, er nehme seine Aufgaben nicht ernst und negatives Auffallen wegen Ungehorsam, war das Letzte, was er gebrauchen konnte. Vor allen bei dem, was er diese Nacht vor hatte.
Denn etwas war ihm seit der Verhandlung klar. Der einzige Gedanke, en er die ganze Zeit über nicht losgeworden war.
Antalion hatte ihn erkannt.
Also tigerte er ruhelos durchs Zimmer und wartete darauf, dass es endlich Abend wurde.
Milan stand aufgeregt vor der Zimmertür von Antalions Gemach.
Er schaute sich immer wieder in alle Richtungen um und versuchte so zu tun, als wäre nichts.
Bei jeder Person, die an ihm vorbeiging, hatte er das Gefühl, dass sie jeden Moment losrennen und Alarm schlagen würde, wegen dem, was er vorhatte, aber nicht geschah.
Er wartete noch ein paar Stunden und darauf, dass es in der Festung ruhiger wurde und nicht mehr so viele Leute an ihm vorbeigingen.
Mitternacht musste schon vorüber sein, als er all seinen Mut zusammennahm und an Antalions Tür klopfte.
Antalion war noch wach gewesen, als es plötzlich an der Tür geklopft hatte.
Wieso wohl jemand klopfte? Die Tür war doch abgeschlossen und die einzige Person mit einem Schlüssen, die vermutlich in der Nähe war, war der Wachposten vor der Tür.
Am Anfang waren es noch zweit Krieger gewesen, die Wache gehalten hatten, aber mittlerweile wer es nur noch einer und es würde Antalion echt nicht wundern, wenn es bald gar keiner mehr wäre.
Er stand auf und ging zum Tisch. Er setzte sich und tat so, als ob er schon den ganzen Abend über dort sitzen würde.
Als immer noch niemand eintrat rief er fragend „Herein.“ In Richtung Türe.
Einen Moment später drehte sich der Schlüssel im Schloss und Milan trat ein.
Er warf einen letzten prüfenden Blick über seine Schulter bevor er durch die Tür schlüpfte und sie rasch hinter sich zuzog.
Es war Jahre her, seit Antalion ihn das letzte Mal gesehen hatte, aber er hatte sich kaum verändert.
Seine etwas längeren, nussbraune Haar und die kleinen Goldsprenkel in seinen dunklen Augen, die man nur von Nahem sehen konnte.
Er machte ein eine weiteren Schritt in Richtung Zimmermitte und blieb dann unsicher stehen.
Alles an Antalion erschien ihm fremd.
Seine Haare, sein Körper und sein Lächeln.
Aber es war immer noch das gleiche Funkeln, das Milan in Antalions Augen sehen konnte, auch wenn diese jetzt grün statt blau waren.
Er war unsicher, was er tun sollte. Vor ihm stand ein fremder und es fiel ihm schwer durch den fremden Körper hindurchzusehen, auch wenn ihm der Junge Mann vor ihm durchaus gefiel.
„Antalion?“ Seine Stimme klang brüchig und unsicher. Er räusperte sich.
„Du bist es, oder? Die anderen glauben dir nicht, aber ich bin mir sicher, dass du es bist.“
Der Fremde lächelte.
„Keine Sorge, Wolkendonner. Ich bin es.“
Wolkendonner. Diesen Spitznamen kannte nur Antalion. Alle anderen, die ihn gekannt hatten, waren seit Jahren tot und Milan hatte ihn Antalion, damals in dieser einen Nacht voller Regen, ins Ohr geflüstert.
Zögernd trat er näher. Früher hatte Antalion ihn immer um einen halben Kopf überragt, aber jetzt war Milan einige Zentimeter grösser und auch um einiges kräftiger als der Junge.
Es war irgendwie seltsam. Keiner der beiden wusste so recht was er tun sollte und so standen sie einfach nur da.
Irgendwann streckte Milan ganz langsam die Hand auf und legte sie auf Antalions Arm.
„Ich… ich dachte du erkennst mich nicht wieder. Ich sei bloss einer von vielen, ohne Gesicht, ohne Namen.“
„Wie kannst du so etwas nur glauben? Du bist der einzige. Da war nie jemand anders.“
„Und wieso bist du dann nicht zurückgekommen?“
„Ich wollte immer zurück kommen, aber ich habe Verpflichtungen, an die ich mich halten muss.“
„Verpflichtungen also. Was sind das denn für Verpflichtungen? Du bist einfach gegangen, ohne auch nur…“
Milan konnte nicht weitersprechen, weil Antalion ihn mit einem Kuss zum Schweigen brachte.
Er war ganz anders als der Kuss damals. Nicht drängend und hart, sondern sanft und zart, wie die Flügel eines Schmetterlings.
Milan erwiderte den Kuss und öffnete seine Lippen einen Spalt breit. Er spürte wie Antalions Hände über seinen Körper wanderten und tat es ihm gleich.
Irgendwie waren sie schlussendlich in Antalions Bett gelandet.
Milan fuhr die Konturen vom Körper seines Liebsten nach und zwischen all den Zärtlichkeiten begann er sich neu zu verlieben.
Der alte Antalion war tot, aber jetzt hatte er einen Antalion, frei von jeglichen Aufgaben und Pflichten.
„Lass uns gehen.“ Flüsterte er ihm zu.
„Wohin denn?“
„Das ist mir egal einfach nur weg von hier. Irgendwo hin, wo wir neu anfangen können, wo uns niemand kennt.
Antalion legte die Arme fester um Milans Körper und lehnte seinen Kopf an dessen Rücken.
Das Pferd flog förmlich über die sanften Hügel von Aman und Antalion dämmerte langsam weg, sein altes Leben hinter und die Sonne am Horizont vor sich.