Schwester Ines war um 19:40 ins Auto gestiegen und nach Hause gefahren. Ein turbulenter Tag lag hinter ihr. Ihre langjährige beste Freundin war zurückgekehrt. Aber wie! Selina Bücker war eine ganz besondere Person. Nicht, weil sie nebenbei auch Ines´Chefin war. Das ließ Selina sie nie spüren. Sie kannten sich schon seit der Ausbildung. Ines hatte ursprünglich auch Medizin studieren wollen, doch der Schlaganfall ihrer Mutter kam ihr dazwischen und so musste sie im dritten Semester bereits aufgeben und pflegte ihre Mutter neben allerlei Jobs, mit denen sie sich selbst und ihre Mutter über Wasser hielt. Selina war es gewesen, die sie nach dem Tod ihrer Mutter ermutigte, wenigstens eine Ausbildung zur Pflegehelferin und dann noch zur Krankenpflegerin zu machen. Sie war eine mustergültige Kraft und arbeitete sich bis zur Diplomierten Krankenschwester hinauf. Als Martin Bücker die Stiftung für alternative Krebstherapie ins Leben rief, holte er seine Tochter Selina ins Boot und diese holte sich ihre Freundin Ines als ihre Assistentin an die Klinik. Während all der Jahre war Selina praktisch Ines´ Mentor gewesen, was ihr Ines mit treuer Freundschaft dankte. Doch in den letzten Monaten war Unglück über die Bückers gekommen. Der schwerreiche Chemiker Martin Bücker, der einen Großteil seines Vermögens dazu verwendete, Krebskranken Menschen Linderung und Heilung zu bringen, war ins Visier der Industrie geraten. Erst versuchte man, seine Heilungsmethoden ins Lächerliche zu ziehen, doch seine großen Erfolge ließen sich irgendwann nicht mehr diffamieren und die Öffentlichkeit wurde langsam auf die schonende Medizin der Bückers aufmerksam. Nachdem immer mehr Fernsehsender in ihren Gesundheitsmagazinen auf die Erfolge dieser Einrichtung hinwiesen, Bücker immer öfter in Interviews zu den Diffamierungen Stellung nahm und diese widerlegen konnte, wurde es für ihn gefährlich! Selina hatte Ines gegenüber einmal erwähnt, sie glaube ihr Vater werde bedroht. Ferner meine sie, dass Robert Meister, der Pharmareferent und angebliche Freund ihres Vaters etwas damit zu tun habe. Martin Bücker war ein großer Liebhaber historischer Automobile. Das wurde ihm zum Verhängnis. Bei einem Oldtimerrennen am Motodromo Brno verunglückte er tödlich in einem 300SL Flügeltürer. Der Abschleppwagen mit dem Todesauto verschwand auf wundersame Weise von der Rennstrecke. Das Fahrzeug konnte nie von Sachverständigen begutachtet werden. Die Videoaufnahmen zeigten nur, dass das Fahrzeug bei etwa 200 Stundenkilometern ohne ersichtlichen Grund ausgebrochen war. Das war vor etwa drei Monaten gewesen. Eine verstorbene Patientin Selinas, hatte davor gewarnt, dass Martin Bücker die Interessen der Gesundheitsindustrie gefährden würde, was ihm unbesiegbare Gegner einbringen könnte. Ihr eigener Lebensabschnittspartner habe es nur knapp überlebt, mit einer sensationellen Erfindung der Industrie in die Quere gekommen zu sein. Sie hatte Martins Tod , der viele Fragen offen ließ ,praktisch prophezeit. Vor einer Woche hatte Selina die Klinik auf der Suche nach Antworten verlassen. Ines hatte vergeblich versucht, sie davon abzuhalten. Sie fuhr nach Tschechien zur Rennstrecke wo sie nach ein paar Tagen mit ihren unangenehmen Fragen aufgefallen war. Sie ließ keinen Zweifel darüber, dass sie den Unfallwagen nicht wegen Ihres Eigentumsrechts einforderte, sondern wegen der Beweiskraft desselben. Erst als man nach anfänglichen Anfeindungen sehr freundlich wurde und sie zu einem Treffen mit den "zuständigen Funktionären" einlud, wurde ihr klar, dass sie in ein Wespennest gestochen hatte. Noch am selben Abend verließ sie Tschechien. Sie fuhr, bis der Tank leer war und schaffte die letzten 90 Kilometer mit dem Taxi. Ines dankte Gott dafür, dass es Michael Montar war, den sie anvisiert hatte. Andernfalls hätte sie die Nacht wohl nicht überlebt...Als Selina und Michael dann am Samstag mit dem Hubschrauber eingeflogen wurden, war keine Zeit für Fragen. Die Klinik war eigentlich nicht für Notaufnahmen eingerichtet, sie war nur eine Behandlungseinrichtung. Michael musste auf der Stelle operiert werden und da sich kein Chirurg im Hause befand, kämpften Selina und Ines um SEIN Leben."Selina erzählte Ines von ihrer Flucht zu Michael, von der gemeinsamen Flucht der beiden aus seinem Haus. "Dann drückte er mir die Tasche in die Hand, ich solle ein paar Lebensmittel mitnehmen, er packte ein paar Sachen ein und als er mich zur Garage zerrte, erkannte ich dass es ihm um MEIN Leben ging. Ich wusste noch nicht was er wirklich alles mitgemacht hatte. Aber nachdem ich ihn ein weiteres Mal in diese tödliche Gefahr gebracht hatte, war ihm offenbar das wichtigste, MICH aus der Gefahrenzone zu bringen! Er ließ alles zurück, um mit mir zu fliehen. Als er aus dem Seehaus ging deckte er MICH als er angeschossen wurde und selbst dann wollte er mich alleine mit dem Boot flüchten lassen um MEIN Überleben zu sichern! Oh Ines, er muss überleben! Er ist die Liebe meines Lebens! Das ist der Mann mit dem ich alt werden möchte…" Und die Operation war tatsächlich gut verlaufen. Ines blieb bei ihm und machte sich nach seinem Aufwachen ein Bild von ihm. Als sie jetzt auf dem Heimweg darüber nachdachte, musste sie Selina recht geben. Er war ihrer Liebe würdig! Als dann in der selben Nacht, kurz gegen zwei Uhr morgens, das Telefon läutete, fürchtete Ines erneut um das Leben ihrer Freundin. Doch es ging nicht um sie. "Ines bitte! Ich glaube die Muskelnähte sind gerissen! Ich kann es nicht alleine tun!" Beruhige dich Selina! Ich bin schon unterwegs. Sie hätte weder Selina noch Michael jemals im Stich gelassen. Michael hatte, noch ohne es zu wissen, in Ines eine gute Freundin gewonnen...