Thomas schlug die Mappe auf und zog einen dünnen Stapel ausgedruckter Bilder heraus. Er zögerte einen Moment und reichte sie ihr. Zuoberst lag bereits eine beeindruckende Aufnahme, die rote Nebel und etliche helle Sterne zeigte.
„Wow. Das ist echt der Hammer", hauchte die junge Studentin voller Ehrfurcht.
„Das sind Wasserstoffnebel im Sternenbild des Schwanes. Hab ich letzten Sommer mit einer Belichtungszeit von sieben Stunden gemacht."
„Unglaublich! Und diese Farben. Wahnsinnig schön."
„Danke", er lächelte bescheiden. „Die Farben kommen aber immer erst nach der digitalen Bearbeitung so schön raus."
Er reichte ihr das nächste Bild. „Der Orionnebel, oder?", fragte Ari. Sie hatte ein ähnliches Bild schon mal vor einigen Jahren im Astronomiekurs gesehen.
„Stimmt." Tom nickte anerkennend. „Du kennst dich wohl auch ein bisschen aus?
„Naja, nicht wirklich. Ich hatte ein Halbjahr lang Astro in der Schule. Unser Lehrer hatte auch immer viele Bilder dabei und wir waren sogar mal in einer Sternenwarte. War spannend, aber auch nur sehr oberflächlich."
Es folgten einige faszinierende Nahaufnahmen vom Mond, so hochaufgelöst, dass man genau die Krater erkennen konnte.
„Das ist unsere Nachbargalaxie, Andromeda", erklärte Tom und fuhr mit dem Fingern sanft über die Ellipse aus Licht im Zentrum des nächsten Fotos. „Hat sogar nur insgesamt zwei Stunden gedauert, die einzufangen."
„Insgesamt?", hakte Ari nach, da sie nicht wusste wie er das meinte.
„Viermal eine halbe Stunde pro Aufnahme. Die werden anschließend mit einem Bildbearbeitungsprogramm übereinander gelegt und noch durch verschiedene Einstellungen optimiert."
„Irre", kommentierte Ari und wollte schon genauer nachfragen, als ihr Blick durch eine Lichtreflexion auf das das einzige Fenster im Raum gelenkt wurde. Kleine Tropfen prasselten unhörbar gegen die Scheibe.
„Scheiße Tom, es fängt an zu regen. Dein Teleskop!", rief sie erschrocken.
Entsetzt folgte er ihrem Blick, warf die Mappe samt Bildern auf sein Bett, wirbelte herum und stürzte aus der Tür. Ohne darüber nachzudenken, schnappte Ari sich ein Handtuch, dass auf dem Boden lag und rannte ihm immer noch barfuß hinterher. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete der junge Mann die Treppenabsätze hinauf, riss die Tür auf und eilte über das dunkle Dach durch den immer zunehmenden Regen zu seiner Foto-Ausrüstung. Ari war ihm dicht auf den Fersen und kam schlitternd neben ihm an. Während er bereits seine teuer aussehende Spiegelreflexkamera abmontierte, warf das Mädchen kurz entschlossen das Handtuch über den Reflektor.
Etwas erschrocken sah Tom hoch und der jungen in Gesicht.
„Gute Idee", keuchte er außer Atem und blinzelte gegen die Tropfen, die ihm in die Augen fielen. Er verstaute eilig die Kamera in einem kleinen Rucksack, der neben ihm lag und warf ihn sich sofort auf den Rücken. Ari bückte sich und sammelte den ganzen Kleinkram ein, der auf dem Boden herum lag. Einen Kabelfernauslöser, Zigaretten, Werkzeug und Verschlusskappen des Teleskops. Sie spürte den kühlen Regen auf der Haut und das Haar klebte ihr bereits nass am Kopf.
Thomas hob das Teleskop an den Stativbeinen an und machte sich auf den Weg ins Trockene, Ari, ihre Beute gegen die Brust gepresst, folgte ihm dicht auf. Das Dach war glatt und sie mussten sich langsamer bewegen, als sie wollten, doch einen Sturz und so einen größeren Schaden riskieren, war es definitiv nicht wert.
Mit nassen Füßen tappten die zwei zurück in Toms Wohnheimzimmer. Er prüfte, ob sich schon eine kritische Beschädigung seines Equipments abzeichnete und merkte gar nicht, dass er selbst – und sein Damenbesuch – nass bis auf die Haut waren. Als er es aufgab und sich zu dem Mädchen umdrehte, starrte er sie für einen Moment an und wandte dann sofort verlegen den Blick ab. Ohne ein Wort, ging er zu einer Kommode, öffnete ein Schubfach. Irritiert, betrachtete Ari sich daraufhin in der Spiegelung im Fenster. Ihr weißes Kleid klebte nass an ihrer Haut und war nicht mehr in der Lage irgendetwas zu verbergen. Einen Wet-T-Shirt-Contest hätte sie in diesem Aufzug mit Bravur gewonnen. Hitze stieg in ihr auf und sie war sich sicher, dass man die zarten Sommersprossen in ihrem Gesicht nicht mehr von ihrer restlichen Hautfarbe würde unterscheiden können. Sie breitete die Hände vor der Brust aus, hatte das Gefühl ihren Tiefpunkt an Unwohlsein an diesem Abend erreicht zu haben.
„Hey, danke übrigens für deine Hilfe gerade!", sagte Tom etwas verspätet und kratzte sich betreten am Kopf. „Wegen mir ist dein ganzer Kram nass. Ich gebe dir was von mir." Er nahm das oberste Kleidungstück, ein schwarzes Bandshirt, aus der Schublade und hielt es ihr hin, während er diskret weiter in eine andere Richtung blickte.
Dankbar nahm sie an und dreht sich um. Sie versuchte sich aus dem Kleid zu schälen, doch scheiterte am Reißverschluss. Das gibt's doch jetzt nicht!
„Ähm, Tom, du musst mir bitte helfen", sie warf einen Blick über die Schulter. Sie hatte mittlerweile das Gefühl ihr Kopf glühte so strahlend rot, er würde im Dunkeln leuchten. Was sie nah machte ihre Situation nicht einfacher. Tom hatte sich bereits selbst aus seinem nassen Shirt befreit und Oberkörper frei vor seinem Schrank, als er sich zu ihr umdrehte. Sie wandte sich sofort wieder ab und deute nur mit der Hand auf ihren Rücken. Er erfasste sofort das Problem und einen Herzschlag später spürte Ari ihn sich. Während er vorsichtig den widerspenstigen Verschluss öffnete, beobachtete das Mädchen seinen Schatten und biss sich verlegen auf die Lippen. Sie hatte sich den Regen ja unbedingt herbei sehnen müssen. Scheiß Karma.
„Ok, ist offen. Ich, äh, dreh mich um", sagte er und klang nicht minder befangen.
„Danke...", flüsterte die Studentin und kletterte ungeschickt aus dem engen Stoff. Sie fischte nach heruntergefallenen, um nicht zulange nur ihrem trägerlosen BH und dem knappen Höschen dazustehen und zog es sich eilig über den Kopf. Als sie sich umdrehte, erhaschte sie gerade Toms Blick in der Spiegelung des Fensters, bevor er sich zu mit Unschuldsmine zu ihr umdrehte.
Die Hände am Saum des Shirts, das ihr gerade so über den Hinter reicht, begegnete sie unsicher lächelnd seinem Grinsen. „So gefällst du mir viel besser. Steht dir!"
Aris Lächeln wurde etwas breiter. „If rain is what you want, all you have to do is close your eyes", zitierte sie einen Song der Band, deren Shirt sie trug.
Tom, immer noch ohne sich selbst wieder etwas übergezogen zu haben, hob anerkennend die Augenbrauen. „Und von Musik versteht sie auch was!"
„Vielleicht klau ich dir das Shirt heimlich", neckte sie ihn.
„Ach, und wo willst du es verstecken? Oder hast du diese lächerlich kleine Tasche da etwa von Mary Poppins?"
Ari lächelte geheimnisvoll und zuckte mit den Schultern. Es regnete noch immer in Strömen und aus der Ferne war das Krachen von Donner zu hören. Etwas besorgt blickte sie aus dem Fenster. Tom rubbelte sich mit einem Tuch die Haare trocken und sah ebenfalls nach draußen. „Wenn du willst, kannst du gern hier übernachten. Sie nicht so aus, als ob es demnächst wieder aufklart", sagte er beiläufig, da er ahnte, was in ihr vorging und warf ihr dann ein Handtuch für ihre Haare zu. Sie fing es auf und warf ein Blick auf sein Bett. „Du kannst natürlich im Bett schlafen", fügte er hastig an, als ihren Gesichtsausdruck bemerkte.
„Nein, das geht doch nicht! Du hast ja nicht mal eine Couch, oder auch einen Teppich", protestierte das Mädchen und hatte das Gefühl schon wieder rot anzulaufen.
„Ich hab einen Stuhl. Und du hast mir geholfen mein Zeug aus dem Regen zu retten."
„Auf dem Stuhl da? Das will ich dir echt nicht antun. Du hast mich immerhin zuerst gerettet. Von der schrecklichen Party, weißt du noch? Und hey, ich mein wir passen, da doch sicher zu zweit rein." Ari deutete auf das Bett und mied seinen Blick. „Also, ich hab mich da nicht so, und wenn es auch kein Problem für dich ist...", murmelte sie und versuchte möglichst unschuldig zu klingen.
„Hm, okay, wenn du meinst", erwiderte er, ohne sich noch lange überzulassen.
„Ähm okay, soll ich mich umdrehen?", fragte sie. Er sah sie fragend an. „Na, dass du dich fertig umziehen kannst. Oder willst du in den Shorts schlafen?"
Er sah an sich herab und schien erst jetzt zu bemerken, dass er ja noch immer die vom Regen feuchte Hose trug. „Dann lass uns aber die Positionen tauschen, dass ich auch aus dem Fenster gucken kann", warf Ari hinterher, bevor sie sich selbst bremsen konnte. Doch Tom grinste ertappt und zog sich ohne Worte die Hose vor ihr herunter. Mit offenem Mund starrte sie ihn an und ließ ihren Blick geistesabwesend über seinen athletischen Oberkörper wandern. Im warmen Licht der Energiesparlampe, hatte sie nun zum ersten Mal die Gelegenheit, ihn richtig zu betrachten. Er war durchgehend muskulös, doch ohne aufgepumpt zu wirken. Und er war groß, hatte lange Beine und starke Arme. Er überragte das Mädchen um gut einen Kopf. Auf der glatten, leicht gebräunten Haut seiner Brust, tummelten sich sanfte Haare, ebenso dunkel, wie auf seinen Schopf. Ein schmaler Streifen zog sich von seinem Bauchnabel, zwischen den Muskeln bis unterhalb seiner Unterhose.
„Irgendwie hat mir gerade Musik gefehlt", sagte sie und biss sich auf die Lippen, als sie bemerkte, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte. Erschrocken sah sie ihn entschuldigend an und nestelte verlegen am Saum des T-Shirts, als wolle sie es ein Stück weiter unten ziehen, um mehr ihrer nackten Beine zu verdecken.
Toms Blick war ernst und sie fürchtete schon ihn beleidigt zu haben, als er plötzlich entschlossen auf sie zu kam, eine Hand in ihr feuchtes, kupferrotes Haar schiebt und die andere auf ihren Rücken legt, um sie in einen langen Kuss an sich heran zuziehen. Nachdem Ari die erste Überraschung überwunden hatte, erwiderte sie den Kuss und grub ihrerseits die Hände in seinen weichen Schopf.