Sebold ritt als Feldhauptmann neben ihrem Einheitengründer über die Ebenen Damerels. Sie zählten keine zwei Scharen, trug ein jeder nebst jahrelanger Ausbildung auch mehr als nur seine volksüblichen Muskeln mit sich herum.
Veyed, obwohl damals gerade dem Jünglingsalter entsprungen, gab einst ein Versprechen an einem Mann, den er lernte, zu schätzen, zu lieben und zu vertrauen. Dieser Mann war es, der es vollbrachte nach Generationen ein gesprochenes Wort der Vorväter abzuverlangen und war somit der Geburtsvater eines irrsinnigen Planes.
Mit der Linken wies er in den Himmel hinauf. Wie zum Gruße erscholl Agbars Ruf und bekräftigte die fünfundvierzig Mannen in ihrem Vorhaben. »Der ›Falke‹ entsendet seinen Gruß! Er ist mit uns!«
Sie trieben ihre Pferde weiter und diese waren angespornt ihren Reitern zu geben, wonach es ihnen verlangte. Den Männern in ihren fast schwarzen Lederharnischen gierte es. All die vielen Jahre der Verzweiflung. Sinnloses morden, vergewaltigen und verschleppen Unschuldiger. Aufgestaute Wut, Hass wie der Drang, eine jede erlebte Schandtat umzukehren, ließ deren Blut heiß in ihren Adern pulsieren. Mehr noch als das war das Sinnen und bestreben eines unbekümmerten jungen Mannes, der den zum erlischen verdammten Hoffnungsfunken wieder zum Glimmen, dann zum Lodern entfachte.
Aus Leibeskräften brüllten sie dem Eindringling entgegen und griffen ihre Waffen fester.
»Wer sind diese schwarzen Arschgesichter, Tauris?«
»Wer auch immer, das ist nicht gut«, gab Angesprochener zu bedenken und warf einen eindringlichen Blick über seine Schulter hinweg. Sein Blick verhieß nicht Gutes. In den Reihen des Clans stand dessen Meinung hoch und so genoss er nebst hohem Ansehen auch das Vertrauen vieler.
Broknar verzog die Brauen und schenkte seiner rechten Hand einen verächtlichen Blick. »Vergiss nicht, wer wir sind. Wir waren es, die vor vier Jahren die Grenzfeste zu Tostana und Skucia einnahmen. Wir fegen diese Bastarde von ihren Gäulen!«
Der Anführer der größten bekannten Clans zog sein Schwert und schwenkte es über den Kopf. Er spie aus und schrie den Nahenden unterschwellige Verwünschungen entgegen. »Auf Männer, wir schicken diese Hühnerficker zurück zu den feuchten Schnecken ihrer Mütter.« Er verzog die Mundwinkel und krächzte, welches einem Lachen gleichen sollte.
Die bereits mit gezogenen Waffen und einem Kriegsschrei donnernden Mahnruf waren augenscheinlich alles andere als ungebildete Söldner. Dass was sich ihnen tosend näherte, waren gestandene Soldaten. Kämpen, die er in dieser Form, seitdem die blaue Schlampe aus den Bergen ihren Wolf in den Süden trieb, um ihre kalten Fänge zu verbreitern, nicht mehr zu sehen waren.
Gleichwohl, es gab sie überall. In jeder Siedlung und in jeder Stadt. Männer, die sich stählten und trainierten, als gäbe es nichts anderes, was zählte. Gewand und seltenst geschlagen, aber diese waren zumeist Einzelgänger. Diese Männer verdingen sich, wenn es die Situation forderte, danach gingen sie, woher sie kamen.
Diese Männer jedoch waren anders und das war offensichtlich. Sie kleideten sich einheitlich und verhielten sich diszipliniert, hielten Formation.
Tauris gab wortlose Handzeichen, zog an den Zügeln und schwenkte aus. Nicht wenige folgten diesem Manöver und es nahm den Anschein, dass diese Abspaltung sich der Flanke nähern wollte.
»Frischfleisch und neue Rüstung! Zeigen wir diesen Schwanzlutschern, wer wir sind«, brüllte Broknar lechzend und ließ seinen Rappen auf der Hinterhand tanzen.
Die schwarzen Reiter unter dem Banner eines silbernen Falken waren nicht nur diszipliniert. Sie waren ... nicht aufzuhalten.
Veyed, den man ursprünglich in und um Agrea geglaubte, führte gemeinsam mit seinem Feldhauptmann die ›erste Rotte‹ in die fremden Scharen.
Sebold konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Junge, das ist also der berüchtigte Clan?«
»Du kennst sie?«, warf Veyed mit verzogenen Brauen ein und schwang sein Schwert rückwärtsführend, von unten nach oben, in die freie Brustflanke eines zum Angriff übergehenden. Die gehärtete Spitze seiner Klinge drang überraschend tief ein und riss dem Feind beginnen des untersten Rippenbogens bis hinauf zur Achsel den schäbigen ledernen Harnisch auf.
Ein schmerzbelasteter Schrei erscholl, als jenem Getroffenen die eigene Waffe der entkräfteten Hand entglitt und ein Schwall Blut hervorquoll.
Ein gezielter Fußtritt, eines nach Veyed reitenden, förderte den unsäglichen aus dem Sattel und ließ diesen stöhnend wie windend zurück.
»Jeder ...« Sebold zwinkerte dem Jüngeren zu. »... fast jeder, kennt diese Bastarde. Sie sind der größte Clan innerhalb der ›Siebenkönigsgrenze‹. Vor einigen Jahren haben sie die alte Grenzfeste zum verfluchten Land eingenommen und tragen von da an dieses dämliche Wappen.«
Die Männer der ersten Rotte kämpften mit den Waffen ihrer Wahl. Es gab keine geführte Vorschrift hierüber und so sahen sich die Kämpfer Broknars nebst Schwertern auch ein- und doppelwandigen Streit- wie Schlachtenäxte entgegen. Selbst die Schaftlänge der Waffen war unterschiedlich und so war es dem bisweilen unbesiegten Clan nicht ersichtlich, mit welcher Strategie dieser dunkel gerüstete Gegner vorging. Einzig diesem blieb es vorbehalten und so keilten die inneren Reiter, nachdem die Speerspitze in das Durcheinander eindrang, aus.
Ohne Vorzeichen des drohenden Unheils stand der gedachten Übermacht ein Frontalangriff entgegen, nun jedoch ... wendete sich das offensichtlich in einen schnell ausgeführten Flankenangriff aus. Jene, die soeben noch grinsend an neues Rüstzeug dachten, hielten sich klaffende Wunden. Axthiebe, Schwertstreiche oder geführte Speerstöße in zuvor eintrainierte wie tödliche Weichteile des Gegners sorgten in kürzester Zeit für zahlenmäßigen Ausgleich.
Weder Broknar noch Tauris schienen rechtzeitig in der Lage ihre Männer zu koordinieren. Warum auch? Diese waren es bisweilen gewöhnt, im wilden unkoordinierten Ritt zu bekommen, auf was sie es abgesehen hatten.
Tauris hatte eine Vorahnung und nahm sich vor, ihren neuen Gegner besonnener entgegenzutreten. Er musste wissen, wer sie waren und woher sie kamen. Das gesamte Land unterlag Thule und nur die Clans wagten sich in diesen götterverfluchten Landstrich. In seinen Gedanken formte sich der Name eines Landes, welches tatsächlich noch frei war. ›Upsa‹, das Land der Zwillingsstadt.
Ihr kaltblütiger Anführer jedoch war ein Schwein und Schlächter. Unbescholten, ungeniert und ohne Rücksicht auf Verluste. So schaffte es einst dieser Mistkerl, aus einem Haufen mordlustiger Gesellen den nunmehr größten Clan zu formen. Dass derselbe Mann nicht als sonderlich Helle galt, war der Vorteil, den Tauris auszunutzen wusste. Er war der eigentliche Kopf und bedachte diesen noch eine Zeit lang auf den Schultern zu behalten.
Anstatt wie gedacht in die Flanke der Reiterei einzudringen, zogen die Flüchtenden eine trockene Staubwolke hinter sich her.
Die Männer der ersten Rotte waren konsequent genug, ihnen nicht nachzusetzen. Jeder, oder vielmehr viele wussten, wohin sie sich wenden würden.
Die schwarzen Reiter begannen den zusammengedrängten Haufen im Kreise zu umreiten. Sie malträtieren die Eindringlinge, welche noch immer nicht begriffen zu haben schienen, dass sie auf verlorenem Posten standen. Rücken an Rücken hielten sie standhaft ihre Waffen und spuckten ihre Flüche aus, allen voran Broknar, der wiederholend versuchte mit seiner klinge nach den Läufen der vorbeiziehenden Pferde zu schlagen.