Das Geräusch das entsteht, wenn Millionen schwerer Tropfen auf ein Blechdach trommeln, nicht etwa gemächlich, sondern mit ungebremster Heftigkeit, so als ob es Jedem von ihnen darum ginge, der Erste zu sein; Es hat eine hohe Frequenz, doch bleibt es ein Trommeln und verkommt nicht zum Rauschen. Laut genug, um jedes gesprochene Wort zu schlucken, vermittelt es jedoch nicht unbedingt Unbehagen... Nein! Es verführt Einen dazu, sich in Sicherheit zu wiegen, bleibt man doch, im Gegensatz zu Allem, das sich nicht unter Dach befindet in trockener Geborgenheit...
Silvia war aufgewacht vom Trommeln des Regens. Seit sie sich von Gerhard getrennt hatte, wohnte sie vorübergehend im Schrebergartenhäuschen ihrer Eltern, die es nicht mehr nutzten, seit Vater dement geworden war. Sie hatte nie geglaubt, einmal so froh über die "Laube" in der kleinen Schrebergartensiedlung zu sein. Vater hatte jedes Jahr ein Wenig an Raum dazu gemogelt, so dass man es hier ganz gut aushalten konnte. Dieses kleine aber feine "zu Hause", konnte es locker mit den meisten in der Stadt angebotenen Garconnieren aufnehmen. Zumindest die Sommermonate würde sie hier schon überstehen, bis... ja, bis was eigentlich?
Sie hatte bei der Post einen Nachsendeauftrag gestellt zu ihren Eltern, weil sie ja offiziell hier gar nicht wohnen durfte, aber das kümmerte kaum jemanden. Der Verwalter kannte sie schon seit ihrer Kindheit. Sie war zu ihm gegangen und hatte ihm reinen Wein eingeschenkt. "Ach Kindchen," hatte er gesagt, "wenn du zusiehst, nicht aufzufallen, dann fällst du mir eben auch nicht auf. Ich weiß von nichts. Schließlich kannst du doch nicht auf der Straße schlafen. Die Anderen schlafen auch oft hier. Du darfst es natürlich nicht rum erzählen, Silvie, dann kannst du das schon eine Zeit lang machen. Bis du was Anderes gefunden hast." - "Vielen Dank Josef! Weißt du, ich wollte dich nicht anlügen! Wir kennen uns doch schon so lange..."
Silvia drehte sich um und sah auf den Wecker: 02:08 prangten da große rote Leuchtziffern. Sie hatte geträumt, aber nichts sinnvolles, zusammenhängendes. Vor dem Einschlafen, war ihr die Trennung nochmal durch den Kopf gegangen. Gerhard hatte immer wieder versucht sie anzurufen. Er hatte bis zum Schluss nicht geglaubt, dass sie Ernst machen würde. Pech für ihn! Er hatte zu hoch gepokert. Da er nicht aufgehört hatte, sie anzurufen und zu smsn, hatte sie ihn einfach blockiert. Und er hatte keine Ahnung, wo sie wohl sein könnte. Blieb zu hoffen, dass sich das nicht änderte. Der Regen wollte nicht nachlassen. Sie spielte kurz mit dem Gedanken, den Ferseher anzumachen. (Ihr Vater hatte sogar eine Satellitenanlage installiert.) Fernsehgeräusche waren von je her ihr bestes Einschlafmittel gewesen, aber bei dem Lärm, den der Wolkenbruch machte, wäre es sinnlos gewesen. Sie hätte kein Wort verstanden...
Am kommenden Vormittag würde sie ihre restlichen Sachen aus der Wohnung holen und sie einstweilen bei ihren Eltern unterstellen. Den Schlüssel würde sie ihm in den Briefkasten legen. Ohne ein Wort! Nein, sie würde nicht ein Wort auf ein Blatt Papier kritzeln! Und wenn er noch so sehr darauf wartete. Sie hatte sich entschieden und er hatte ihre Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen. Ohne Wenn und Aber. Sie wusste, dass er vormittags einen unaufschiebbaren Termin hatte, was die Sache wesentlich erleichterte.
Es hatte sich eingeregnet. Die Intensität hatte zwar nachgelassen, es war nun wesentlich leiser geworden, doch es würde nicht aufhören zu regnen. Das Trommeln war einem gleichmässigen leisen Rappeln gewichen, dass ähnlich einem laufenden Fernsehgerät geeignet war, Silvia wieder ins Reich der Träume zu schicken. Der Schlaf tat ihr gut. Es hatte sich gezeigt, dass sich der Schmerz, den eine Trennung einfach mit sich bringt, nach jedem Erwachen verringert hatte, seit sie hier alleine in der Laube nächtigte. Sie war stolz auf ihre Entscheidung. Sie war stolz auf sich!