Am nächsten Morgen wachte Nerre schon bevor die Sonne ganz auf gegangen war auf. Vor lauter Aufregung konnte er kaum schlafen, fühlte sich aber nicht müde, denn endlich würde sein Traum wahr werden und er hatte sich über Nacht auch schon überlegt, wie er nach Glatal gelangen würde. Er richtete sich im Bad, schnappte sich einen Apfel und seine Jacke und rannte über die große Treppe runter zum Boden der Bäume auf den direkten Weg zu Gleisals Arbeitsstelle. Als er eintraf, hatte er Schwierigkeiten Geisal zu finden, denn der Markt, an denen die Behes und Balasiken sich austauschten war schon überfüllt mit Leuten. Die Balasiken haben den Marktplatz extra auf den Grund verlegt, da sie, selbst wenn sie mit ihnen Handelten, den Behes nie voll trauen würden und sie daher nicht in die Stadt durften. Nur selten wurde Mitglieder anderer Völker es erlaubt, Neugost in den Baumkronen zu besuchen. Soweit sich Nerre erinnern kann, war der Nadied gestern einer der wenigen Ausnahmen seit mehreren Jahren.
Während Nerre sich umsah bemerkte er viele Behes die ihn musterten, dann aber doch weiter gingen. Endlich erblickte Nerre seinen alten Freund und rannte gleich hin. „Geisal!“ rief er schon aus der Ferne. Als er ankam atmete er zweimal tief durch und streckte sich nach hinten. „Mensch, du bist aber früh auf den Beinen, was machst du hier? Du bist ja ganz aufgeregt!“ lachte Geisal. „Ja! Gestern, du wirst es nicht glauben, sprach ich mit dem Nadied! Und er lud mich ein, nach Glatal!“ Die Freude in Nerres Stimme war nicht zu überhören. „Er lud dich ein?“ „Ja! Also nein. Er sagte mir nur, ich sollte dort hin. Und nun hab ich den Entschluss gefasst dort hin zu Wandern!“ „Das ist toll! Aber was machst du dann hier?“ Geisal schaute nachdenklich. Er überlegte sich ob Nerre nun ganz durchgedreht ist. „Du bist doch Händler. Reise mit mir nach Geisal, du kannst dort Handeln und ich mich umsehen.“ Geisal prustete los: „Nerre, ich bin Händler ja, aber nur die Behes laufen die Strecke hin und her, wir Balasiken bleiben hier, das weißt du doch. Nur selten geht einer von uns.“ Gleisal lächelte belustigt, als er aber Nerres trauriger werdenden Blick bemerkte, merkte er an: „Aber du könntest Behes fragen ob Sie dich mitnehmen. Sie kennen die Strecke auch besser als wir.“ Nerres leuchten in den Augen vor Aufregung, verschwand. Er überlegte sich, ob er jemals einen Behe finden würde, der ihn mitnehmen würde. „Schau nicht traurig. Wir finden schon einen Behe, der dich geleitet.“ Sagte Geisal mit aufmunternder Stimme. Auf einmal drehte sich ein Behe, der die ganze Zeit mit dem Rücken zu Nerre stand, um. „Höre ich das richtig, du willst Wandern? Nach Glatal? Junger Balasik, die Reise ist weit und schwer, viele gefahren können unterwegs lauern. Bist du dir sicher, du schaffst das?“ Die Stimme des Behes war gehoben und Stolz und auch ein wenig Spott, die Nerre zu vernehmen mochte. „Na sicher! Wenn man mir die Chance gibt. Und auch eine Entlohnung soll es geben. An Ruben mangelt es mir nicht.“ Da wurden die Ohren des Behe noch spitzer. „Nun gut, dann nehme ich dich mit. In drei Stunden reisen wir ab, meinst du, du schaffst bis dahin, alles zu regeln? Ach und wenn du uns eine Last bist Unterwegs, lassen wir dich da!“ Seine Augen glitzerten gefährlich als er das sagte und auch sein Blondes langes Haar, welches durch ein Band zurück gebunden war wehte im Wind. Nerre überlegte kurz und schaute zu Geisal, der nicht sehr begeistert schaute. Doch Nerre befürchtete, dass es seine einzige Chance wäre und so willigte er durch einen Handschlag ein. Keine Sekunde danach, drehte er sich um und rannte los. Verdutzt schaute der Behe und Geisal ihm hinterher. „Scheint noch was zu tun zu haben.“ Lachte Geisal und auch der Behe konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Ihr passt auf ihn auf, oder?“ fragte Geisal besorgt. „Natürlich, mir war nur danach, ihn zu testen, ob er auch wirklich will.“ Grinste der Behe und Geisal fühlte sich gleich viel wohler.
Zuerst rannte Nerre zu seiner Arbeitsstelle, immerhin war er Lehrer. Er rappelte an der Tür eines Riesen Gebäudes, mit großen starken Türen. Es war noch viel zu früh und Niemand war da, also schrieb er einen Zettel: „Liebes Kollegium, ich, Nerre Aladig, kündige, um mir selbst meinen größten Wunsch zu erfüllen. Ich reise. Ich weiß, ihr glaubt ich bin durch geknallt und das mag wohl sein, doch denke ich, dass dies meine beste Entscheidung war. Bis dann, euer Herr Aladig!“
Schnell klebte er den Zettel an die Tür und machte auf den Absatz kehrt um nach Hause zu rennen. Die Strecke zwischen Schule und seinem Haus war nicht lang, aber dennoch brauchte er gut 20 Minuten. Kurz bevor er seine Tür erreicht hatte hörte er seinen Nachbar, der gerade aufgestanden war und nach der morgendlichen Zeitung sah, ihm zu rufen: „Morgen Aladig, was sind Sie denn so aufgedreht am frühen Morgen?“ und Nerre, während er bei seiner Tür versuchte den Schlüssel hereinzuschieben, was nicht gut gelang, denn seine Finger zitterten vor Aufregung, erwiderte: „Ich geh auf Reisen Herr Nachbar. Auf Reisen!“ Und bevor der Nachbar was erwidern konnte, machte es klick und Nerre riss die Tür auf und schlug sie genauso schnell hinter sich zu. Der Nachbar schaute verdutzt hinein und schüttelte denn den Kopf. „Verrückt.“ Stammelte er, griff nach seiner Zeitung und stapfte wieder rein.
Drinnen überlegte er, was er alles brauchen würde und schnappte sich einen Rucksack um Dinge hinein zu stopfen. Schon bald merkte er, dass es unmöglich war, alles mitzunehmen, was er wollte, so musste er sich von Dingen trennen, die ihm lieb und wichtig waren. Was er nicht vergaß waren Ruben mitzunehmen. Seine Eltern hatten ihn so viel hinterlassen, dass er einer der reichsten Balasiken war, so konnte er sich auch das eigene Heim leisten, welches ihm gehörte. Als er alles beisammen hatte, machte er sich auf den Weg, er hatte nur noch eine Stunde und wollte Geisal unbedingt auf Wiedersehen wünschen. Also sperrte er die Tür ab, verabschiedete sich in Gedanken von seinem Heim und versprach wiederzukommen. Dann rannte er los zum Handelsplatz.
Während er zum Handelsplatz rannte, kam Frau Muroth an der Schule an und fand seinen Brief. Verdutzt las sie ihn durch und verdrehte die Augen. „Spinner.“ War das einzige, was ihr durch den Sinn ging, bevor sie die Türen aufschloss und hinein ging.
Als Nerre beim Handelsplatz und bei Geisal eintrudelte, hatte er nur noch wenige Minuten, bevor es losging. „Und du willst wirklich gehen?“ fragte Geisal, man hörte die leichte Trauer in seiner Stimme, dennoch freute er sich so sehr für seinen besten Freund, seinen Traum zu erfüllen, das es ihn leid tat, dass man es gehört hatte. „Natürlich. Aber nicht, ohne dir lebe wohl zu wünschen! Mein bester Freund, schaust du nach meinem Heim? Grüßt deine Eltern und denkst immer an mich?“ „Natürlich!“ lachte Geisal: „Ich werde immer für dich beten. Und schreib einen Brief, sobald du da bist! Und wenn du weiter gehst, oder zurückkommst, dann auch ja!“ „Immer mein Freund.“ Tränen sammelten sich in Nerres Augen. Nun merkte er erst, wie schwer ein Abschied doch sein kann. Warum konnte Geisal denn auch nicht mitkommen, er wird ihn vermissen. In dem Moment, bevor die erste Träne fließen konnte, stand der Behe vor ihnen, beugte sich leicht runter und sagte: „Bereit? Abschied ist schwer, ich weiß, aber wir wollen los.“ Seine Stimme klang verständnisvoll und warm. Ein letztes Mal schauten sich Nerre und Geisal in die Augen, umarmten sich und dann folgte Nerre den Behe, in Richtung eines Trupps von mehreren Händlern, die alle drauf warteten, dass sie los konnten. Gleisal blieb zurück und auch wenn sein Herz voller wärme nur das beste wünschte, so war die Angst ihn nie wiederzusehen doch da.