"Mit einer geballten Faust kann man keinen Händedruck wechseln." Wie wahr das ist. Es kann so schlimm werden, dass daran eine wunderbare Freundschaft zerbricht, wie ein Fenster in eintausend kleine Splitter, wenn ein Stein hindurch fliegt. Lese ich dieses Zitat, so spüre ich wie wieder ein Kloß in meinem Hals entsteht und mein Kopf anfängt zu schmerzen, als würde jemand mit einem Hammer mein Gehirn rausprügeln wollen. Es weckt traurige Erinnerungen aus meiner Vergangenheit.
Vor zwei Jahren brach mein Herz an einem grausamen Verrat. Meine beste Freundin und ich waren unzertrennlich, erzählten uns alles und halfen wenn Hilfe benötigt wurde. Jeden Tag erzählte sie mir von ihrem Freund. Wie nett er doch war oder welch ein "Arschloch" doch in ihm lebte. Jedoch hatte ich das Gefühl, jede Woche würde sie von einem anderen Typen reden. Ich fragte aber nie nach, weil ich der Meinung war, dass wenn jemand etwas erzählen wollte, er es auch tat und wenn nicht, dann nicht. Ein Mal pro Woche gingen wir auf meine Kosten Kaffee trinken. Wegen der Kosten verzichtete ich nach ein paar Besuchen auf den Kuchen. Doch meine Freundin bestellte oft sogar zwei. Bei einer wirklich guten Freundschaft kenne ich keine Grenzen und denke auch nicht an Geld. Nach einer dieser Cafébesuche gingen wir dann zu mir und haben, wie so oft, ihren Lieblingsfilm geschaut: "Wie ein einziger Tag". Etwa nach der Hälfte musste ich allerdings anhalten, weil unser Telefon geklingelt hat. Komischer Weiße war es aber für meine Freundin. Sie ging raus und wartete in meinem Zimmer. Die Zeit verstrich immer mehr und immer wieder hörte ich es draußen im Flur kichern. Dadurch wurde meine Neugier geweckt. Ich schnappte mit mein Handy und wählte die Verbindungstaste zum Festnetz. So konnte ich alles mithören. Bedauerlicherweise war das was ich zu Ohren bekam unter aller Sau. Meine sogenannte Freundin machte sich mit einem anderen Mädchen über mich lustig. Sie sagte etwas wie: "So dumm wie die ist, gibt sie jede Menge Geld für mich aus!" oder: "Nicht gerade hübsch, aber schlau. Prima um meine Noten aufzubessern!". Meine Hand ballte sich zu einer Faust und Tränen schossen mir in die Augen, aber ich blinzelte sie schnell weg. Mein Bedarf war gedeckt und ich musste mich zusammenreißen um das Handy nicht an die Wand zu werfen. Unglaubliche Wut stieg immer weiter in mir auf. jeder Sekunde könnte ich explodieren. Doch ich riss mich zusammen und sagte mir, dass ich es ihr schon zeigen würde, aber noch nicht. Nach einer gefühlten Stunde kam sie wieder rein und säuselte eine Entschuldigung für die lange Wartezeit und sie müsse jetzt auch los. Ich hatte ein eiskaltes lächeln aufgesetzt und brachte sie zur Tür. Sobald sie hinausgetreten war, schmiss ich die Tür mit einem mittellauten Knall zu. In diesem Augenblick konnte ich die Wut und den Frust nicht länger in mir behalten und schrie so laut ich nur konnte. Allerdings in ein Kissen. Doch dadurch verflog der Ärger leider nicht. Am nächsten Morgen wollte sie wie immer meine Hausaufgaben abschreiben, doch ich meinte nur ich hätte sie vergessen. So vergingen die Tage und für alles was mit ihr zu tun hatte lies ich mir eine Ausrede einfallen. Auch der wöchentliche Cafébesuch blieb aus. Jeden Abend schmiss ich mich in mein Bett und dachte darüber nach wie ich es ihr heimzahlen wollte und meine Fantasien stiegen manchmal in Mordgelüste um. Sie schien zu merken, dass etwas nicht stimmte und fragte mich jeden Tag mindestens fünf Mal. Doch jede Frage blockte ich mit einem wagen Schulterzucken ab. Nach etwa einem Monat des Ignorieren meinerseits, stand sie dann plötzlich vor meiner Tür. Sie meinte sie würde erst gehen, wenn ich ihr sage was los sei. Die Wut, die ich so lange runtergeschluckt hatte, kochte jetzt über. Ich schrie sie an und lies den ganzen Frust raus, der sich in meinem ganzen Körper, von Kopf bis Fuß, angesammelt hatte. Entsetzen zeichnete sich in ihrem Gesicht ab und diesmal war sie es die sich rausredete. Von wegen sie hätte nicht von mir geredet und es war doch nur Spaß. Aber ich hörte gar nicht zu. Kurzerhand schmiss ich sie raus mit der deutlichen Anweisung, dass ich sie nie wieder sehen wollte. Die nächsten Tage fehlte sie in der Schule und ich konnte mich soweit beruhigen. Ich hatte sie fast vergessen, da kam eine SMS: "Ich muss mit die reden! Bitte! Ich warte an der Autobrücke am Pier. Die, die so schlecht befahren ist!" Und da war sie wieder, die Wut. Aber ich dachte, ich gehe hin und schreie sie weiter an. Am Nachmittag ging ich extra zehn Minuten später los, damit sie noch etwas warten musste. Irgendwann tauchte die Pier Brücke am Horizont auf. ich sah nur einen blonden Haarschopf und einen roten Mantel. An mir vorbei raste ein Auto und schlingerte gefährlich. Es fuhr auf die Brücke und kam auf "Ihrer" höhe ins schleudern. Sie sprang zur Seite und fiel über die Brüstung. Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen. Ich rannte los. Das Auto war rauchend stehengeblieben. Der Fahrer sprang raus und schaute nach unten über das Geländer. Ich kam außer Atem neben ihm an. Unten lag sie auf dem Asphalt mit verdrehten Gliedmaßen und blauen Flecken. Blut rann aus ihrem Mund und eine Blutlache bildete sich um ihren Kopf. Ihre Augen waren leer gen Himmel gerichtet. Ich musste den Blick abwenden, um nicht auf den Boden zu kotzen. Der Mann neben mit rief inzwischen den Krankenwagen. Es fühlte sich an als wären Stunden vergangen, bis Ärzte und Polizei endlich da waren. Sie wollten mich befragen, was passiert war, doch ich war wie betäubt. Bei mir dachte ich, sie wäre noch ab Leben, wenn ich nicht zu Spät gekommen wäre.
Heute weiß ich, dass ich dumm war. Ich habe meine Faust nicht geöffnet und die mir hingehaltene Hand ist erschlafft.