»Erzähl mir, was du über den Bauern weißt.«
Die allgegenwärtige Stille empfand er als angenehm und die warme Brise ließ seine Haare tanzen. Es wurde an der Zeit sich die lang gewachsenen Strähnen neuerlich zu kürzen, hatten seine anstrengenden Unterfangen in der Küstenstadt für verschiedenste Auftraggeber endlich ein Ende gefunden - bis auf eine.
Schuld lastete auf seinen Schultern und für einige der durchaus ausgeuferten Unruhen trug er unbewiesene Verantwortung. Sein abermals baldiges Erscheinen innerhalb der Mauern Holmfirths würde bei so manchem ganz gewiss für Argwohn sorgen.
»Klarich? Er ist ein Bauer, den die Landsknechte akzeptieren. Sie sehen zu ihm auf, weil er mit ihnen arbeitet und nicht gegen sie.«
Sein Gesprächspartner schnaufte, räusperte sich und rotzte in die Nacht. »Mich interessiert nicht, was er ist. Wer ist dieser Mann? Da ist mehr, viel mehr als mir Recht ist.« Den Becher an die Lippen geführt nuschelte er in diesen hinein, doch seine Worte waren zu hören - Absicht? »Er erinnert mich an jemanden.«
Alric schielte nach links und wendete allmählich den Kopf in dieselbe Richtung und hoffte, dass seine Stimme ihn nicht verriet. »Wer?«
»Zweifelsfrei. Ich trug eine Mitschuld an dem Verschwinden seiner Söhne. Zwei gesuchte thulenische Weiber suchten in seinem Weiler Zuflucht und sein eigenes ... Alna? ... lenkte den Karren.«
Alric spürte seinen Herzschlag aussetzen. Sein Atem stockte und er stieß mit dem Rücken hart an die Mauer des Bergfriedes.
Bestlin ließ ihn rufen, um mit ihm über den Obristen Holmfirth zu sprechen. Gemeinsam standen sie auf einem kleinen Balkon, seitlich des Saales und konnten weit in der Ferne winzige Lichtpunkte erkennen. Fackeln der äußeren Behausungen, die zum Einzugsgebiet des Weilers gehörten. Ebendiese umschlossene Gemeinde, in welchem sein Vetter mit seiner Liebsten lebte.
Der Schattenjäger hörte noch vor wenigen Stunden ungeahnter Dinge den Bericht der Kopfjäger mit an, zog derweil jedoch nicht in Betracht, das die ermordete Frau hätte Alna sein können.
»Was ist, von dem bisschen Wein schon betrunken?«
Lediglich sein Kopf verneinte und Bestlin hob prostend den Arm. »Ich weiß sehr wohl, wie sich das Gesindel um ihn scharrt. Wie Fliegen um einen Haufen Scheiße. Dennoch, dieser Mann steht mir im Wege und untergräbt meinen Einfluss. Ich will, dass er beseitigt wird. Du verstehst?«
Der Jäger ließ den nunmehr leeren Becher fallen, der scheppernd zu Boden ging. Vor den Füßen Bestlins fand dessen Kollern ein Ende. Verwundert sah er auf und blickte in tiefenlose Augen.
Alrics Hände formten sich zu Fäusten und er trat näher.
***
Mit angezogenen Beinen saß er auf seinem Bett, wippte vor und zurück. Seine Stirn ruhte auf den Knien.
Less spürte den Konflikt seines Herrchens, der in seinem inneren tobte und lag zu dessen Füßen. Obwohl Kayden mit den Gefühlen rang, fanden seine Hände dennoch Gelegenheit den Hund zu streicheln. Etwas in ihm riet ihm dazu, wollte er nicht vollends in seiner Trauer versinken.
Wiederkehrend drangen seufzende Laute an Veyeds Ohren und er wünschte sich, seinem Bruder in irgendeiner Form Trost spenden zu können. Alna war ebenso seine Mutter, wenn auch nur seine Ziehmutter. Weder Klarich noch sie ließen ihn jemals spüren, nicht der Familie zugehörig zu sein. Gewiss, Kayden neckte ihn ab und an, er sei ein Findelkind, gleichwohl sie durch dick und dünn gingen.
Er fasste sich und setzte sich zu ihm ans Bett. Less hob vorwurfsvoll den Blick, rührte sich jedoch nicht vom Fleck.
Veyed legte dem Trauernden seine Rechte auf die Schulter. In seinen Worten schwangen nebst Trauer auch Sorge. »Hey kleiner Bruder. Was hältst du davon, wenn wir Pa' besuchen?«
»Ma' ist tot«, schniefte dieser und Tränen tropften auf sein Laken.
»Mhm«, seine Wangen zuckten, als er an sie dachte. »Sie wird immer bei uns sein, glaube mir.«
»Ich werde üben. Härter trainieren, als du es jemals getan hast und eines Tages werde ich mir den Kopf von dem hohlen, der das alles zu verschulden halt.«
Veyeds Kinn sank auf die Brust und sein Atem rasselte. Seine Hand glitt zurück auf seinen Schoß. »Du wirst niemals wie ich sein. Egal wie hart du trainierst.«
»Ich will aber ...«
»Kay, bitte«, durchbrach er das nahende Geplänkel. Er war nicht in der Stimmung und stieß sogar Aellin vor nicht allzu langer Zeit von sich. Auch sie wollte ihn nur trösten, so wie er jetzt seinen Bruder.
»Ich habe die Stärke, du die Gewandtheit. Höre auf Serfem und Ron. In zwei Tagen reiten du und ich zu Pa'.«
»Nur wir zwei?«
»Serfem und Ron werden mit uns gehen.«
Endlich hob der Junge den Kopf und suchte mit rot geräderten Augen nach den Veyeds. »Bist du mir böse?«
»Weil du die Leute als ›Falke‹ anführen wirst und nicht ich?« Ein schelmisches Grinsen umspielte seine Züge und er klopfte Kayden auf die Schulter. »Ich bin verdammt froh, dass es nicht anders gekommen ist. Jetzt lassen sie mich endlich in Ruhe ... viel Spaß ... Knirps.« Er lächelte.
Kayden stahl sich ein gezwungenes Lächeln auf die Lippen, als er seinen großen Bruder am Oberarm knuffte. »Findelkind.«
»Ach hör auf damit. Richtige Brüder könnten nicht anders sein als wir, oder?«
»Wohl nicht.«
»Kay?«
»Mhm.«
»Wenn du der ›Falke‹ wirst, ich meine ... wenn sie dich irgendwann auf so einen richtigen Thron setzen ...« Er atmete tief ein und sein Herz schlug wie eine geschlossene Faust gegen seine Brust. »Ich verspreche dir, nein ich schwöre, bei allem, was mir Lieb ist ... ich werde dir eine Armee schenken, die seinesgleichen sucht.«
»Du spinnst ja.« In dessen Augen jedoch war zu lesen, wie ernst es ihm mit seinem Schwur war.