Zweihundertsechzig Kilometer südöstlich verließ ein Streifenwagen den Hof der Baufirma Maierhofer. Hier hatte es bereits in den frühen Morgenstunden zu schneien begonnen. Die beiden Beamten hatten sich den Schlüssel für die provisorische Seehausfront geholt und waren unterwegs um meine Reisetasche mit dem Laptop und all den anderen, in der Eile eingepackten Utensilien sicherzustellen. Sie sahen in dem Häuschen und im Bootshaus nach dem Rechten. Das Boot hing unbeschädigt in den Gurten und das Tor war geschlossen. Im Haus selbst war es relativ dunkel, weil die zerschossene Scheibe durch eine große Sperrholzplatte ersetzt worden war. Dank der ehrlichen Mitarbeiter der Baufirma war noch alles an seinem Platz und würde mir in Kürze gebracht werden. Die beiden Polizisten versperrten den provisorischen Eingang. Ein Schlüssel war bei der Baufirma verblieben, die in absehbarer Zeit das elektrochemisch abdunkelnde Spezialglas einbauen würde, den Anderen würde ich zusammen mit den anderen Utensilien bekommen. Die beiden Beamten hatten den Feldweg noch keine zwei Minuten verlassen, als ein roter Passat in diesen einbog. Der Fahrer bemerkte die Reifenspuren im Schnee und beschloss, das Auto bei dem offenen Schmiedeeisentor (Die Polizei hatte dieses am Samstag im Einsatz aufgebrochen) stehen zu lassen und nachzusehen. Kurz darauf holte er den Passat und stellte ihn in's Carport. Viktor hatte seine Bleibe für die kommende Nacht gefunden.
Selina hatte einen deliziösen Rinderbraten gemacht. Ein fantastischer Geruch zog durch das Haus und wir holten uns jeweils zwei der Polizisten zum Essen herein. Gerne nahmen sie die Mahlzeit mit uns in der warmen Wohnküche ein und wärmten sich ein Wenig auf, denn mittlerweile hatte es auch bei uns zu schneien begonnen und es war kalt draußen. Ein Streifenwagen kam die Auffahrt herauf gefahren und man brachte uns die Sachen aus dem Seehaus. Da noch etwas über war, baten wir auch diese beiden Beamten zu Tisch. Immerhin hatten sie einen weiten Heimweg vor sich und ich war ihnen dankbar für ihre unbürokratische Hilfe. Sie berichteten, dass das Boot ordentlich versorgt sei und das Haus mittels Vorhangschloss gesichert. Sie bestellten mir einen Gruß vom Maierhofer Sepp, dem Baumeister, den ich aus meiner Jugend gut kannte. Er warte auf einen Anruf von mir, ob er das sündteure Spezialglas anhand der Pläne aus dem damaligen Umbau bestellen, oder "normales" Glas einsetzen sollte. Außerdem, würde er den Schmied mit der Reparatur des Schmiedeeisentores beauftragen, wenn ich das wollte. Das waren die Spezis aus alten Zeiten: Gefällig, zuverlässig, ehrlich. Das war der Menschenschlag, den ich schätzte! Sie wussten, das ich ihnen nichts schuldig bleiben würde, weil das noch Leute mit Handschlagqualität waren. Da brauchte man sich kein Angebot zu holen. Da galt die Regel: Was es wiegt, das hat es! Basta! Da gab's kein Bescheißen! Die beiden Polizisten bedankten sich für die Mahlzeit, händigten mir gegen Quittung meine Tasche aus und verabschiedeten sich.
"Ein paar gute Jungs sind ja doch dabei." meinte Selina. "Hast du eigentlich im Seehaus auch Kameras?" - "Genauso wie hier. Ich hab das ganze System selbst entwickelt. Jetzt wo du es sagst, bin ich neugierig, ob das Boot auch gut hängt..." Selina begleitete mich ins Wohnzimmer. Sie setzte sich zu mir und lehnte sich an mich, während ich auf den Überwachungskanal schaltete. Kamera Bootshaus zeigte, dass das Boot zwar richtungsverkehrt in den Gurten hing, aber das war nicht weiter schlimm. Seltsam, eine Außenkamera zeigte dass im Carport Licht brannte. Ein Auto stand darin, ein Passat. Wir sahen uns an. Ich schaltete auf Innenraum. "Selina, ruf Schmeisser an! Viktor ist im Seehaus...!"