Entgegen eurer Vermutung bin ich kein Lemming, ich begegne ihnen täglich aber ich bin keiner. Ich bin auch kein Löwe, so wie mein Vater. Ich bin ein Hund, ein tollwütiger Hund mit einem Maulkorp. Wie jeder andere Hund gehe auch ich täglich Gassi. Mit dem Unterschied, dass ich alleine unterwegs bin. Oder auch nicht, denn immer auf meinem Spaziergang begegne ich ungefähr 25 Lemmingen, einem Erdmänchen (das eigentlich ein Erdfrauchen ist) und einem zweitem Hund. Die Lemminge mögen mich nicht, weil das Erdfrauchen mich auch nicht mag. Das Erdfrauchen mag mich nicht, da ich größer, schöner und stärker bin als sie. Doch wegen meines Maulkorps bin ich gefesselt und das Erdfrauchen und die Lemminge tanzen ungehindert auf mir herrum. Dem zweitem Humd geht es ganz ähnlich wie mir. Auch auf ihm tanzen die Lemminge herrum aber sein Maulkorp sitzt nicht so fest und hin und wieder schaft er es sich zu wehren. Er beisst zu und die Lemminge lassen ihn für eine Weile in Ruhe. Ich kann das nicht.
Momentan bin ich Zuhause bei meinem Löwenvater und meiner Rabenmutter. Das ich sie Rabenmutter nenne heisst nicht, dass sie eine schlechte Mutter ist, denn das ist sie nicht. Sie ist genauso treu wie ein Rabe. Ein Rabe der einmal in seinem Leben einen Partner findet und ihm für den Rest des Lebens treu bleibt. Das einzige Pech dieser Rabin ist das ihr Gatte ein Löwe ist. Da Löwen nun einmal sehr eingebildete und von ihren Frauen abhängige Tiere sind, ist meine Mutter ständig mit seinen Wünschen beschäftigt. Wie bei einem Küken das nie flügge wird aber immer mehr frisst.
Natürlich könnte mein Vater, der Löwe auch anders, doch er ist dauerhaft damit beschäftigt meinen Maulkorp enger zu spannen und mich an meiner Hundehütte fest zu ketten. Ich lasse das ganze einfach passieren. Welche Wahl hätte ich auch? Denn wenn ich versuche mich von meiner Hundehütte los zu reissen, brüllt der Löwe und schlägt mit seinen Pranken nach mir. Da mein Vater eben der Löwe ist der nun einmal ist, verfehlt er sein Ziel nie. Meine Rabenmutter flattert dann wild durch unsere Wohnung, bemüht die Prankenhiebe an meinen Seiten und Armen zu ignorieren.
Heute war einer dieser Tage, die Hundehütte wurde immer kleiner und engte mich immer mehr ein. Heute wollte ich zu meiner Schwester flüchten. Meiner Schwester, die nicht mehr meine Schwester sein darf. Meine Schwester war ein Tiger, nicht gewillt sich dem Löwen unter zu ordnen. Lange versuchte der Löwe sie zu unterdrücken und ihr einzureden das sie nur ein Hund sei, so wie ich. Doch meine Schwester war nun mal ein Tiger und so riss sie sich von den Ketten los und floh in den Dschungel. Natürlich versuchte der Löwe auch sie mit seinen Pranken zu verletzen, doch sie schlug mit ihren eigenen zurück und verletzte den Löwen. Als sie weg war verwandelte mich der Löwe von einem Lemming in einen Hund, wenig später setzte er mir einen Maulkorp auf und kettete mich an. Seit diesem Tag bin ich ein Hund. Allerdings übertrugen mir die Prankenhiebe des Löwen Tollwut und seit ich tollwütig bin ist alles verschwommen. Verschwommen vor Wut und Trauer. Wütend war ich irgendwie schon immer, seit neuestem brüllt und schreit es jetzt aber in mir. Schmerz und Trauer sind meine ständigen Begleiter.
Bei jedem Wort meines Vaters reisst es ein neues Loch in mich. Immer wenn mir die Untätigkeit meiner Mutter bewusst wird, überrollt mich die Trauer in Wellen, werde ich weggespühlt, ertrinke. Dann übernimmt etwas klates und doch brennend heißes die Kontrolle in mir. Ich glaube das ist Wut. Sie ist gut und beschützt mich. Mit ihr fühle ich mich besser und doch fürchte ich sie. Manchmal mach ich mit ihr zusammen etwas unüberlegtes. Wiedersetzte mich, gebe Wiederworte. Das ist schlecht, denn dann wird der Löwe geweckt. Oft bekomme ich danach die Pranken des Löwen so hart auf meinem Rücken zu spühren, dass mir die Luft aus der Lunge gepresst wird. Einer dieser Hiebe und ich renne winselnd zurück in die viel zu kleine Hundehütte. Habe ich Pech kommt der Löwe hinterher. Passiert das, schlägt er mich in den Bauch oder auf den Hinterkopf. Er schlägt mich nie ins Gesicht, denn er fürchtet das Hyänen auf seine Beute aufmerksam werden könten.
Gerade denke ich darüber nach den Löwen zu töten und schäme mich. Ich bin nämlich zu schwach. Wie sollte ein Hund auch jemals einem Löwen gefährlich werden? Es klopft. Die Tür ist nicht offen aber ich weiß das es der Rabe ist. Der Löwe würde nicht klopfen, er nimmt sich einfach was ihm gehört. Ich antworte nicht, doch der Rabe tritt ein: "Es gibt Essen." Ihre Augen sind kalt, sie gibt mir die Schuld. "Kein Bock" Meine Mutter seufzt als wäre ich der Löwe und sagt: "Undankbar" Sie sagt es leise aber ich höre es trotzdem. Ich zähle hoch: "81; 82; 83; 84; 85; 86; 87; 88; 89; 90; 91; 92; 93; 94; 95; 96; 9-" Schwere Schritte auf der Treppe, dem Gang, vor der Hundehütte. Das Ungetüm reisst die Tür auf. Der Löwe war zu lange an der Wasserstelle, ich kann es riechen. Er schnaubt, brüllt, schlägt nach mir. Es schmerzt, mein Bauch brennt genauso wie mein Rücken und meine Arme. Ich falle, kann nicht mehr stehen. Er beginngt mich zu treten. Hört nicht auf. Ich gebe keinen Laut von mir. Er sagt etwas über meine Mutter und Mühe machen, redet von fehlendem Respekt. Ich spucke Blut. Die Tür knallt zu. Alles schwarz.
Als ich auf die Uhr schaue geht die Sonne gerade unter. Ich stehe auf und mein ganzer Körper zittert. Es ist Genug. Ich gehe zu meinem Kleiderschrank, ziehe mir frische Sachen an. Such meine Schultasche, finde sie nicht. Auch gut. Nehme neinen Mantel mit den großen Taschen, stopfe Müsli-Riegel hinein, zwölf insgesamt. Ganz unten im Schrank stehen meine Wanderstiefel. Meine Finger zittern so stark, ich brauche drei Anläufe um sie zu binden, schaffe es aber nicht. Statt dessen mache ich einen Doppelknoten. Ich gehe zur Tür um zu lauschen. Unten läuft der Fernseher. Na dann. Ich öffne mein Fenster und lasse mich am äußerem Fensterbrett runter. Aus ein eineinhalb Metern Höhe lass ich mich fallen und lande in der Hecke. Kein zurück. Während des Sturzes in die Hecke habe ich mir mein Bein verletzt und trotz der stechenden Schmerzen stehe ich auf. Scheiss einfach drauf. Humple weg, einfach weg.
Vier Tage später wurde ich von der Polizei aufgelesen. Ich erzählte ihnen alles und meine Schwester wurde ausfindig gemacht. Später sagte sie als Zeugin gegen meinen Vater aus. Nach einem halbem Jahr wurde ich für mündig erklärt und zog in eine eigene Wohnung. Nachdem ich meinen Abschluss gemacht hatte, verlies ich die Stadt. Ließ mich treiben und blieb nirgends länger als ein Jahr. Endlich war ich frei. Die Wut ging, ich brauchte sie nicht mehr. Nur Schmerz und Trauer bleiben. Verwandelten den Löwen, den Raben und die Lemminge in eine Erinnerung, einen schlechten Traum am Morgen.