An den kahlen Felswänden hallten ihre Flügelschläge lautstark zu ihm und holten ihn damit aus seinen tiefen Gedankengängen. Er richtete sich wieder auf und klopfte sich den Staub von der Hose in Erwartung was sie zu berichten hatte. Sein Blick streifte noch einmal über das öde und zerklüftete Land vor ihm. Nur Berge, Schluchten und vertrocknete Pflanzen soweit das Auge reichte. Ein ganz anderer Anblick als das satte grün seiner Heimatstadt. "Ich kann nur erahnen wie schwer dieser Anblick für dich ist. Es tut mir so leid das du das durchmachen musst.", sprach sie fast schuldig nachdem sie wieder neben ihm gelandet war. Er hingegen drehte sich zu ihr um und setzte ein falsches Lächeln auf. "Bitte denk so etwas noch nicht mal. Dir muss doch nichts leid tun. Es ist nicht deine Schuld." Immer noch schaute sie traurig zu Boden. Lange konnte er das nicht mit ansehen und nahm sie in den Arm um sie zu trösten. Auch sie legte ihre Arme um ihn. Ihr Gefieder wärmte ihn so unglaublich. "Na komm, wir müssen weiter." Sagte er während er sich langsam aus ihrer Umarmung löste. "Keine Angst, sie sind unterwegs in die falsche Richtung. Wir haben sie doch besser täuschen können als gedacht." "Hoffentlich. Nicht das sie eine Abkürzung kennen und schon ein paar Kilometer weiter auf uns warten." Nun klang sie wieder so munter und fröhlich wie früher und sagte zu ihm "Aber wir wissen doch selbst gar nicht wo wir hin wollen." "Da hast du recht. Zumindest ich weiß es nicht. Wo wollen wir denn jetzt hin?" "Ein gutes Stück weiter Richtung Norden ist ein Lager. Nichts schönes, aber wir können da sicher eine Nacht bleiben und Verpflegung bekommen." Sie drehte sich um und ignorierte absichtlich seinen abfälligen Gesichtsausdruck.
Hier war sie aufgewachsen, für sie war das alles Normalität und Heimatland. Doch ihn mussten diese Lager und die Wesen die hier lebten barbarisch vorkommen. Manchmal, so wie jetzt, fragte sie sich wie er wirklich über sie dachte und ob er solche Gedanken manchmal über sie hatte. Er ging hinter ihr her und bemerkte wie tief sie in Gedanken versunken war. Es war seltsam sie so zu sehen, war sie doch sonst immer quirlig und aufgeweckt. "Hast du was?", störte diesmal er ihre Gedankenwelt. Verschreckt sah sie auf. Sie wollte ihn nicht beunruhigen. "Nein, mit mir ist alles in Ordnung." Bevor er sie weiter ausfragen konnte erhob sie sich wieder in die Lüfte. "Ich flieg schon mal ein Stück voraus. Keine Angst, ich bleibe in Sichtweite." Damit entfernten sich ihre gleichmäßigen Flügelschläge von ihm. "Ach Liebste …" stöhnte er ihr leise hinterher.
Der Marsch dauerte doch länger als geahnt. Erst gegen Abend trafen sie in dem kleinen Lager ein vor dem wie zufällig ein Echsenmensch stand. Sie ging auf ihn zu, doch bevor sie näher an ihn heran kommen konnte streckte er ihr eine Hellebarde entgegen. "Bleib weg Harpyie, hier gibt es nicht für dich zu holen." "Wir brauchen eine Bleibe für diese Nacht. Bitte gewährt uns ein Nachtlager im Schutze der Verstoßenen." Der Echsenmann stellte seine Hellebarde wieder aufrecht neben sich und beäugte genau das seltsame Paar das vor ihm stand. "Ein Mensch und eine Harpyie. Ich hoffe dir ist klar das du nur ihr Mitternachtssnack bist Kleiner." Er war schon ein reifer junger Mann, aber im Vergleich zu dem fast fünf Köpfe größeren Echsenmann war das Menschlein natürlich klein. "Das ist nicht wahr!", schrie sie ihn an. "So?", sprach der Echsenmann fast zornig und umfasste seine Stangenwaffe wieder fester. "Du bist doch nicht einer dieser Magier die auf der Jagd nach unserem Kopfgeld ist." "Nein!", sprach er hektisch, "Ich bin ein ganz normaler Sohn eines Bauers." Skeptisch beschaute der Echsenmann die beiden noch eine Weile und versuchte wohl das ganze zu verstehen. Doch dann ließ er sie mit einer Geste und einem Kopfschütteln an sich vorbei. "Schaut selbst wo ihr noch Platz findet.", sprach er ihnen hinterher.
Das Lager selbst bestand aus Behausungen die nicht mehr waren als ein paar zusammen gewürfelten Stöcke und Hölzer. Mehr war in diesen Landen weder nötig noch sinnvoll. So waren auch die meisten Behausungen nicht blickdicht. Beim vorbeigehen starrte jeder das seltsame Paar an und die starrten zurück. Keiner der beiden hatte jemals so viele verschiedene Rassen auf einem Fleckchen Erde gesehen. Alles Kreaturen die von ihrer eigenen Rasse verstoßen wurden. Diese Lager waren in diesen Ländereien üblich, aber dennoch nicht häufig anzutreffen, denn die meisten wurden nicht grundlos verbannt. Wenn man in so einem Lager war beschützte man sich gegenseitig. Zumindest wenn es einem selbst keine zu großen Umstände machte. Wobei sich sowieso niemand trauen würde einen Haufen Ausgestoßener anzugreifen, außer natürlich Kopfgeldjäger.
Am äußeren Rand des Lagers war ein Hüttchen das wohl schon länger nicht mehr bewohnt wurde. Der Wind hatte das eh schon durchlässige Haus ganz schön zerklüftet.
Zwar hatte sie keine Hände mit denen sie ihm helfen könnte die notwendigsten Löcher zu flicken, dafür konnte sie zu Stellen fliegen die für fluguntaugliche Wesen nicht erreichbar waren und mit ihren muskulösen Beinen und den Klauen daran, starke Äste von vertrockneten Bäumen heranbringen. Zur Nacht hin war das Hüttchen dann so bewohnbar das sie sich zum schlafen hinlegten. Normalerweise legten sich Harpyien zum schlafen nicht hin sondern saßen auf einem Ast. Doch für ihn hatte sie sich in einigen Dingen umgewöhnt. Nicht immer ganz einfach, doch für ihn hatte sie es gerne getan.
Im flackernden Kerzenschein schaute er seine Geliebte lange an. Die scharfen Krallen, die an ihren Vogelfuß ähnlichen Klauen waren. Das dichte Daunenkleid an ihren muskulösen und dennoch femininen, langen Beinen. Ihre Schwanzfedern waren durch ihre Flügel verdeckt. Die großen rot-braun leuchtenden Flügel mit schwarzen Tarnflecken übersät verdeckten auch den Großteil ihres Körpers. Das war auch etwas das sie für ihn tat. Kleidung anziehen. Normalerweise lebten und flogen Harpyien nackt wie bei ihrer Geburt umher. Ohne die nötige Fingerfertigkeit hatte ihre Rasse auch gar nicht dir Möglichkeit sich Kleider zu nähen. Er schaute zu ihrem Gesicht hoch das sie seltsam zusammen kniff. Einige Strähnen ihres langen, roten Haares fielen ihr ins Gesicht und er konnte nicht umher sie ihr hinters Ohr zu streichen. Daraufhin öffnete sie die Augen und schien etwas fragen zu wollen, doch presste dann ihre Lippen aufeinander. "Na sag schon.", forderte er sie lieb auf. "Ich seh' doch das du etwas auf dem Herzen hast." Sie hatten sich geschworen immer die Wahrheit zu sagen. Diese Welt war auch so grausam genug für die beiden da mussten sie sich nicht auch noch gegenseitig belügen. Nicht mal eine Notlüge. Also begann sie rumzudrucksen, "Ich bin hier aufgewachsen. Wild und frei zwischen den verdorrten Bäumen, den steinernen Wüsten und den Sandstürmen. Das hier ist mein Zuhause und ich liebe es. Manchmal versuche ich mir auszumalen wie du das hier alles empfindest, doch ich kann es mir nicht einmal vorstellen. Du mit deinen belebten Städten, den wechselnden Jahreszeit und den immer wieder Früchte tragenden Bäumen. Wir sind so grundverschieden. Was siehst du wenn du ein Biest aus dem Ödland ansiehst? Was siehst du wenn du mich ansiehst? Ich bin eines der Kreaturen von denen dir beigebracht wurde das sie böse und abscheulich sind und das ein einfacher Bauer zum Held werden kann wenn er sie jagt und tötet. Siehst du oft diese Kreatur in mir? Die furchtbare Bestie? Kannst du das böse in mir sehen? Die schrecklichen Dinge die ich tun musste um hier zu überleben?" Er schaute sie mit einem fast erschrockenem Gesichtsausdruck an. "Aber wie kannst du so etwas denken? Schon immer wurdet ihr von meinesgleichen grundlos niedergemetzelt und du hältst dich für die Bestie? Du bist so süß. Komm her meine Liebste. Befreie dich von diesen Gedanken, denn das einzige was zählt ist unsere Liebe zueinander." Er nahm sie fest in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Eine schwarze Naga, unten Schlange, oben Mensch, fauchte die beiden mit gebleckten Eckzähnen an, "Entweder bekomme ich auch einen Gutenachtkuss oder es ist langsam mal Schluss mit dem schnulzigen Gesabber.", aus einer Nachbarhütte. Beide mussten leise Lachen und waren in diesem Moment froh das sie alles hatten was sie brauchten. Sie legte ihren Arm und damit auch einen Flügel um ihn, damit er in der Nacht nicht frieren musste. So schliefen sie ein und versuchten sich auszuruhen für den morgigen Weitermarsch.
Doch die Nacht war gerade mal halb vergangen da riss sie ein furchtbarer Schrei alle aus dem Schlaf. Es war der tiefe und vibrierende Schrei des Echsenmannes. Und obwohl es noch mitten in der Nacht war schien aus einer unbestimmten Richtung oranges Licht zu dringen. Den beiden, die unsanft aus ihren Träumen gerissen wurden, klopfte das Herz bis zum Halse. Sie wussten was die einzig logische Erklärung dafür war. Es war die Gruppe von Menschen aus seinem Dorf die die beiden schon verfolgte seit sie zusammen getürmt waren. Dieser aufgebrachte Mob verstand nicht oder wollte auch diese Liebe nicht verstehen. Sie meinten sie würden ihn vor der Harpyie retten die ihn offenbar nur verführt hatte. Im Bruchteil einer Sekunde stürzten die beiden aus ihrer Hütte, doch es war zu spät. Diese Menschen hatten das kleine Lager bereits umzingelt. Keiner regte sich. Die Menschen hatten es nur darauf abgesehen ihren Sohn, Nachbarn, Gläubigen wieder mit nach Hause zu nehmen. Sie wollten keine Schlacht zwischen ihnen und den Ausgestoßenen anfangen. Sie wollten nur den Einen, dann würden sie wieder verschwinden. Die Ausgestoßenen griffen ebenso nicht an. Auch ihnen lag nichts daran zu kämpfen. Keiner sagte ein Wort. Dann flüsterte er, "Flieg.". Sie starrte auf den Hinterkopf ihres starren Geliebten. Sie versuchte etwas zu sagen, zu widersprechen, doch stattdessen stotterte sie nur vor sich hin. Dann sah sie wie sich jeder Muskel in ihm anspannte. So laut das alle zusammenzuckten schrie er "Flieg!". Nach der Schrecksekunde war sie sofort wieder bei sinnen und antwortete energisch "Nicht ohne Dich." Mit weit aufgerissenen Augen drehte er sich zu ihr um "Das ist es." Er streckte die Arme seitwärts von sich und sie begriff sofort was er meinte. Mit einem Flügelschlag erhob sie sich vom Erdboden und Griff mit ihren Klauen sogleich nach seinen ausgestreckten Armen. Noch ein Flügelschlag und auch seine Füße berührten den Erdboden nicht mehr. Doch die Menge stand nicht einfach nur da. Sofort stürzten sie sich auf ihn und hängten sich mit ganzer Kraft an seine Beine. Mit Erfolg, denn so zogen sie die beiden Stück für Stück wieder runter. Sie konnte einfach nichts gegen die Kraft von Dutzenden Menschen anrichten. Sogleich pöbelten alle Leute und schlugen auf sie ein, rissen an ihr herum, doch ihr Geliebter warf sich schützend über sie und umklammerte sie. "Lass mich!" sagte sie, "Dir wollen sie nichts. Überlass mich denen. Ich habe es verdient. Ich bin immer noch eine Bestie des Ödlandes. Du hast was besseres verdient. Such dir jemanden von deiner eigenen Art. Lass mich los!" "Niemals." "Was?" "Ich werde dich nicht loslassen. Ich war nie glücklich bei meiner eigenen Art." Immer wieder prasselten Schläge die für sie bestimmt waren auf ihn ein. Dutzende Arme versuchten ihn von ihr fortzureißen. Doch das alles hielt ihn nicht davon ab weiter zu seiner Geliebten zu sprechen. "Ich habe das alles nicht verstanden. Diese Morde, dieser Hass neuem gegenüber. Immer nur das beständige im Kreis laufen, alles das Selbe, immer das Selbe mit immer den Selben. Und dann traf ich dich. So grazil, so lebenslustig und fröhlich. Wie du dich über die einfachsten Sachen freuen konntest. Wie aufgeschlossen du allem warst und wie wissbegierig. Ich war sofort in dich verliebt als ich dein rotes, wallendes Haar im Wind wehen sah. Ab dem Moment habe ich begriffen warum das Leben um mich herum keinen Sinn ergab, warum ich es nicht verstand. Du bist mein Leben. Du bist alles was ich mir je erhoffen konnte. Ich kann und will nicht ohne dich sein. Niemals."
Wie sollte sie dem widersprechen. So entschlossen wie er zu ihrer Liebe stand war sie nun bereit zu kämpfen. Als sie damals anfing über ihr tun nachzudenken und deswegen von ihrer damalige Gruppe ausgeschlossen wurde schwor sie sich niemals wieder zu kämpfen. Sie wusste es musste noch mehr im Leben geben als "nur" zu überleben. Und jetzt wo sie es gefunden hatte durfte sie es sich nicht einfach so wieder wegnehmen lassen.
Sie schaffte es ihre Klauen wieder auf den Boden zu setzten und mit einem Sprung ihrer kräftigen Beine schoss sie sich so aus der Masse heraus das sogar ihr Geliebter sie nicht mehr halten konnte. Einige der Menschen spannten ihre Bögen und zielten auf die sonst unerreichbare Harpyie, aber sie zielten nur, schossen nicht. Immerhin hatten sie ja was sie wollten. Doch als sie zusehen musste wie ihr Geliebter gegen seinen Willen von ihr fortgezogen wurde packte sie die Wut gepaart mit blanker Angst und Panik nichts tun zu können. Ein Schrei entwich ihr. Nicht einfach nur ein schreien, es war der so gefürchtete Harpyien Schrei. Für Mensch und Tier gleichermaßen zerreißend. Kein Lebewesen das Ohren hatte konnte diesen Laut ertragen. Alles in dem kleinen Lager hielt sich die Ohren zu oder wand sich verkrampft auf dem Boden. Besonders die Naga litt unter dem lang anhaltenden Schrei. Ihr Hinterleib schien vollkommen außer Kontrolle und peitschte wild umher. Dabei riss er ohne Schwierigkeiten ein ganzes Dutzend Menschen um und bei einige Bogenschützen löste sich ein Schuss. Einer der Pfeile traf die Harpyie in den Flügel. Eine unbedeutende Wunde in Anbetracht ihrer enormen Regenerationsfähigkeit. Dennoch unterbrach es ihren Schrei. Doch zu Stille kam es nicht. Während die Bogenschützen sich weiter auf die Harpyie konzentrierten griffen sich nun die Ausgestoßenen und die Menschen an. Mitten im Geschehen und dennoch vollkommen bewegungslos, ihr Geliebter. Es war ein leichtes den ungeübten Bauern mit ihren Bögen auszuweichen. Die Augen fest auf ihren Geliebten. Das war ihre Chance. Sie stürzte auf die Menge hernieder, schnappte sich ihren Geliebten an den Schultern und flatterte wieder in die Luft ohne das die abgelenkten Menschen es rechtzeitig merken und sie erwischen konnten. Doch was war das? Die Bogenschützen schossen weiter auf sie. Und auf ihren Geliebten! Es schien als wollte sie das wenn sie ihn nicht bekommen ihn keiner bekommen sollte. Wie egoistisch von den Menschen. Sie flog so schnell sie mit dem Zusatzgewicht konnte und bemühte sich gleichzeitig so sehr den Geschossen auszuweichen. Der Konflikt mit den Ausgestoßenen tat sein übriges um sie aufzuhalten. Die Menschen konnten nicht folgen und bald waren sie außer Reichweite. Doch noch wollte sie nicht stoppen. Sie wollte weg, so weit weg von den Menschen wie es geht. Erst rasten wenn sie beide wirklich sicher sind. Ihre Flügel schmerzten immer mehr und sie kämpfte gegen die Müdigkeit an so gut es ging. Und kurz bevor sie dachte das sie beide gleich vom Himmel stürzen würden sah sie das Meer. Es verhieß für sie der Rand der Welt. Keine Harpyie würde aufs Meer hinaus fliegen. Ihr wurde immer beigebracht das nur ein Tropfen Wasser sie erwischen müsste und sie würde untergehen wie ein Stein.
So vorsichtig es ihre krampfenden Flügel es zuließen landete sie. Sanft legte sie ihren Geliebten ab. "Wir haben es tatsächlich geschafft.", sprach sie keuchend. Noch eine Weile blieb sie sitzen bis sich ihr Atem wieder normalisiert hatte, doch dann sah sie zum Horizont an dem gerade die Sonne aufging und damit ein neuer Tag anbrach. "Ist das nicht schön?" Doch auch dieses mal blieb die erhoffte Antwort aus. "Was ist los? Warum so sprachlos?" Langsam ging sie in seine Richtung und stupste ihn mit ihrer Kralle an. Nur allmählich schlichen sich all die Details in ihr Bewusstsein die sie bis jetzt nur zu gerne übersehen hatte. Er war über und über mit Blut besudelt. An seinen Schultern waren tiefe Wunden ihrer Krallen. Fast über den ganzen Körper verteilt stecken Pfeile. An seinem Kopf war eine große Wunde.
Am Ende ist nicht sicher ob es der Sturz war als die Naga ihn hart zu Boden warf, ihr panischer Rettungsversuch oder ob die Menschen ihm den Rest gaben als sie die Pfeile durch ihn bohrten, doch sicher war nur eines. Nun war er tot.
Ihr Körper war vor Trauer und Schock so verkrampft das sie nicht mehr atmen konnte und fiel auf die Knie. Im Sand neben ihm kniend versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen, doch alles war sinnlos geworden. Ihr Leben hatte mit ihm aufgehört. Zu traurig um weinen zu können und mit flachem Atem schaute sie hinauf aufs Meer das vollkommen still vor ihr lag. Sein Leben war zu Ende und somit auch ihres. Mit einem herzzerreißenden Wimmern stand sie auf und ging ohne zögern hin zum Wasser. Schritt für Schritt ging sie tiefer hinaus ins Meer. Und Stück für Stück verschwand sie darin. Sie spürte die Schwere des Wassers wie es an ihrem Leib und ihren Flügeln zerrte. Und schon bald war sie vollkommen im Wasser verschwunden und nicht eine Luftblase stieg mehr an die Oberfläche auf. Da begann das Meer sich plötzlich zu bewegen. Das ewig reglose Meer schob sich auf einmal stückweise voran. Zuerst noch zaghaft, doch dann immer stärker, bis sich die aller ersten Wellen auf dem Wasser abzeichneten. Es war als ob ein solches Unrecht Himmel und Erde erst in Bewegung gesetzt hatte. Das Meer schien zu versuchen den Menschen vom Ufer zu holen um die Liebenden wenigstens im Tod zu vereinen. Um ihnen für ihr Leid wenigstens etwas Frieden zu schenken.
Dann, kurz bevor das Wasser den Körper von der Erde gelöst hatte, eilte einer der Verfolger bis zum Strand und zog den reglosen Körper weit vom Wasser weg. In vermeidlich rettender Absicht nahm er den toten Bauerssohn mit sich und versagte somit den beiden Liebenden ein ewiges zusammen sein. Man sagt das Meer versuche immer noch sich den Körper zu holen und die beiden endlich wieder zusammen zu führen.
Denn seither hörte das Meer niemals mehr auf Wellen an den Strand zu spülen.