Während wir gen Westen, immer der Abendsonne nachritten, mussten wir uns in einigen unbekannten Gegenden durchfragen.
"Guten Tag, wir suchen den Söldner Usongu, wissen Sie, wo wir ihn finden können?" "Na klar, immer der Nase nach", fingerdeutend, "nach Westen! Einfach der Spur der Verwüstung folgen"...Welch ermutigende Aussichten.
Denn um ehrlich zu sein, hatten wir keinen blassen Schimmer, wohin wir mussten...
Viele Male kamen wir an seltsamen Gestalten vorbei, die in Leinentücher gewickelt den Weg entlang humpelten, von Dämonen Gebranntmarkte, nicht sehr freundlich Fremden gegenüber. Und obwohl ich eine gewisse Abscheu ihnen gegenüber empfand, taten sie mir leid. Chase erging es wohl genauso. "Schrecklich, ich würde mir wünschen, dass es sowas nicht mehr geben müsste..." sagte er einmal und sprach mir damit aus der Seele.
*
Die Zeit verging und schließlich wurde es Nacht, so dass wir gezwungen waren uns eine Bleibe zu suchen.
In einem Gasthaus in Humpenheim, ein Dorf, das in der Nähe des alten Schlachtfeldes von Grumaron lag, fanden wir noch ein freies Zimmer für uns Beide. Es war ein kleines Häuschen, das aber ein oberes Stockwerk hatte. Die Tür war, wie auch der überwiegende Rest des Gebäudes, aus Birkenholz, der die aufgestrichene dunkelgrüne Farbe schon abblätterte. Unsere Pferde wurden derweil in einen Stall untergebracht, wie sie es bezeichneten. Eigentlich waren es nur ein paar baumstammdicke Säulen, die überdacht waren. Ich sah mich einmal um, während sich Chase nach einer Übernachtungsgelegenheit für uns erkundigte. Zuerst grummelte der Wirt des Gasthauses irgendwas Unverständliches, bei dem die Worte 'seltsames Gesindel' heraus zu hören waren, aber als er die fünf Goldstücke vor sich liegen sah, die Chase ihm bot, wurde er auf einmal ganz freundlich und gab uns laut seiner Aussage sein bestes Zimmer...Eine Bedienstete brachte uns dorthin, nachdem wir uns in eine Art Register für Gäste - ein großes rotes Buch, das der Wirt aufbewahrte - eingetragen hatten. Das Zimmer trug die Nummer 13 und befand sich im oberen Stockwerk des Hauses. Die Bedienstete, die unsere Sachen nach oben hievte sah nicht sehr kräftig aus, mit ihren zierlichen Armen, den blonden Haaren, auf denen eine Kappe mit der Aufschrift "Willkommen im Humpenheimer Gasthaus 'Zum Schlachtfeld'" lag, und doch brachte sie unser gesamtes Gepäck alleine hoch und wollte sich von uns auf keinen Fall helfen lassen.
"Das wär's ja", lächelte sie, "wenn wir unsere Gäste ihr Gepäck selber tragen ließen. Dann wär ich ja arbeitslos!" Sie lachte herzlich. Ich bemerkte ein leichtes Funkeln in Chase' Augen und die Verblüffung darin, als ich das Mädchen bat:
"Kommen Sie doch nachher noch mal auf unser Zimmer, ich würde gerne mehr über das Schlachtfeld erfahren, das es hier geben soll." Chase stand in einem inneren Konflikt mit sich selbst. Sollte er mich grillen oder mich lieber umarmen? Er entschied sich für die dritte Variante und gab mir einen minder schmerzhaften Stoß in die Rippen.
"Aber natürlich gern, Sir", erwiderte sie mehr als höflich.
"Ach bitte, nennen Sie mich doch Flash. Ähm und das hier ist..." "Chase.", beendete er meine Vorstellung, gab der Bediensteten einen Handkuss, der sie sichtlich in Verlegenheit brachte und fuhr fort: "Ihr ergebenster Diener..."
"Oh, ähm", sie wusste nicht gleich, was sie antworten sollte, so kam es mir zumindest vor, besann sich dann aber auf ihren Namen:
"Mein Name ist Funny, Funny Raschira."
"Ein wunderhübscher Name", entgegnete Chase und sah ihr direkt in die Augen. Sie wirkte etwas beschämt und fragte schüchtern, ob sie uns nachher etwas zu Trinken mit hinaufbringen solle. Ich bestellte zwei Met, bat sie auch etwas für sich mit hochzubringen und ging dann mit Chase in unser Zimmer.
Im Raum standen zwei große Betten und ein Schrank, sowie ein Tisch mit vier Stühlen und ein Fenster mit Holzrahmen, alles aus feinstem Ebenholz und wunderschön verziert. Doch auf diese Verzierungen achtete ich jetzt nicht weiter, mich interessierte etwas anderes viel mehr...
"Was war denn das eben?!" kam es uns beiden wie aus einem Mund. Wir fingen gleichzeitig an zu quatschen und ich verstand ebenso wenig wie er.
"Jetzt noch mal langsam.", sagte er mit Bestimmtheit. "Wieso hast du sie eingeladen?"
"Weil ich mehr über das Schlachtfeld erfahren möchte." Das war halb gelogen, aber ich mochte ihm nicht mit der Wahrheit zu nahe treten. "Und du? Wieso hast du ihr gleich einen Handkuss gegeben? Ihr ergebenster Diener…" äffte ich ihn feixend nach.
"Weil...", er kam ins Stocken, was bei ihm äußerst selten und für mich schon Antwort genug war."...es der Etikette entspricht. Man(n) begrüßt eine Frau nun mal so!" Ich musste furchtbar grinsen.
"Na gut. Jetzt mal Karten auf den Tisch, ich weiß, dass du gelogen hast und du weißt, dass ich gelogen habe. Also,... ich hab sie eingeladen, weil ich dieses Glitzern in deinen Augen versucht habe zu deuten, und allem Anschein nach, habe ich richtig gedeutet, stimmts?" Wieder flackerte es in seinen Augen auf, dieses geheimnisvolle Glitzern. Doch diesmal wusste ich nicht, ob es Wut, Liebe, oder einfach nur Scham war...
"Ich, also, na ja. Hm, du hast mich ertappt!" er grinste schief. "Und? Was machen wir jetzt? Lässt du mich jetzt hier sitzen?"
"Wo denkst du hin? Ich lass dich doch nicht zurück, nur weil du dich verliebst!" Ein Scheppern und Klirren ließ uns herumfahren. Die Tür stand einen Spalt breit offen...
Eine völlig verschreckte Funny stand dort mit weit aufgerissenen Augen. Sie bückte sich eilends um die verbeulten Zinnkrüge und das zu Bruch gegangene Weinglas auf zu heben. Chase machte die Türe ganz auf und half ihr. Funny zitterte. Beide wagten nicht sich in die Augen zu blicken. Ich wusste schon, was lief.
"Ich...geh mal schnell einen Lappen zum Aufwischen holen..." erwähnte ich so beiläufig wie möglich und verschwand dann um die nächste Ecke, wo meine Neugier mich dann doch überkam und zum Anhalten zwang. Ohne einen Mucks blieb ich dort und lauschte. Ich kam mir zwar vor wie ein dreckiger Dieb, aber das war es mir wert.
„Ent...Entschuldigung! Ich hätte nicht lauschen dürfen...", brachte Funny zaghaft hervor.
"räusper Schon in...Ordnung. Wir hätten ja auch nicht unbedingt das ganze Haus zusammen schreien sollen...haha" Beide zuckten zusammen, als sich ihre Hände berührten, bei dem Versuch einen der Krüge auf zu heben. Sie zogen sie schnell zurück und lachten unsicher.
"Kommen sie", schlug Chase vor. "Gehen wir doch erst mal ins Zimmer." Sie trugen die Krüge und das Glas zum Tisch und setzten sich auf die Holzstühle, die daneben standen. Ich bin zur Tür gegangen, um weiter zuhören zu können und trat direkt in die Soße aus Met und Wein.
'Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort', kam es mir in den Sinn.
"Nun, was soll ich sagen?", fing Chase unsicher an und lächelte plötzlich. "Verheimlichen lässt sich’s jetzt wohl kaum noch." Er machte eine Pause. "Aber ich wüsste schon gerne, was sie darüber denken..." Wieder blickte er ihr direkt in die Augen und ich glaube, selbst wenn sie es gewollt hätte, sie hätte sich nicht aus seinem Blick befreien können. Aber ich denke, dass sie es gar nicht wollte.
"Ich...ich äh...", begann sie zaghaft. "Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll, Sir."
"Ich bitte Sie noch einmal, Gnädigste. Nennen sie mich doch Chase."
"Oh, ja natürlich. Wo...wollen sie, dass ich noch etwas zu Trinken hole?" stotterte sie unbeholfen.
"Wollen sie denn?"
"Ja, ich will. Ah, äh nein. Also, ich meine...mmmmmmhhhmmhm"
Ich lief rot an wie eine Tomate... Er küsst sie einfach so mir nichts dir nichts auf den Mund! So plötzlich wie er damit angefangen hatte, hörte er auch wieder auf...
"He, du Spanner!" Mir rutschte das Herz in die Schwertscheide. "Bist du dann auch bald mal fertig mit Versteckenspielen, Flash?" Chase hatte mich also entdeckt. Beschämt trat ich in den Raum, wo noch immer Funny auf ihrem Stuhl saß. Erschrockenheit und Scham waren in ihrem Gesicht zu lesen.
"Seit wann...?" weiter kam ich nicht... Chase' Blick sprach Bände. Er musste mich gerade eben bemerkt haben, als er - sagen wir mal - anderweitig beschäftigt war...
"Dasselbe könnte ich dich fragen! Toller Freund, wirklich!" er stürmte an mir vorbei und als ich ihn auf zu halten versuchte, war ich plötzlich verdammt froh, dass Blicke nicht töten können...
"Es tut mir leid", entschuldigte ich mich fast flüsternd bei Funny. "Ich weiß, dass es nicht viel nützt, aber mehr kann ich nicht machen..."
"Warten Sie!" rief sie mir nach, als ich schon halb aus der Tür war. "Sie können etwas tun... holen sie mir Chase zurück und... Wü...würde es ihnen viel ausmachen, mich mitzunehmen, wo immer sie auch hingehen?"
"Hab ich eine Wahl?" ich lächelte. "Ich denke, sie würden ihm auch folgen, wenn ich nicht einwilligen würde...so einen Spontankuss kriegt man schließlich nicht alle Tage, nicht wahr?"
Ich wandte mich wieder dem Gang und der Suche nach Chase zu. So wie ich ihn kannte, war er jetzt mit Askrim auf einem Ausritt, aber ich machte mir Sorgen. Bei dieser Dunkelheit alleine herumzureiten, in einer Gegend, die wir überhaupt nicht kannten, könnte ihm großen Ärger bereiten. Dann merkte ich, dass es immer noch meine Schuld war, was mich nur noch mehr anspornte ihn zu finden. Wie von Dämonen gehetzt rannte ich in den Stall und tatsächlich, Askrim war nicht mehr da...
Ich stieg auf Falums Rücken und ritt im Galopp aus dem offenen Stall. Etwas in der Ferne bäumte sich auf, ein Wiehern, ein Schrei. Ich trieb Falum zur Höchstleistung an und war in weniger als zwei Minuten bei Askrim und seinem Herrn angelangt. Ein riesiges, haariges Monster, ein vom Dämon besessener Bär, stand vor Chase, der mit ihm kämpfte. Die roten Augen des Ungeheuers blitzten böse leuchtend durch die Dämmerung. Ich stieg ab so schnell ich konnte und lief zu Chase. Émalon glitzerte im fahlen Mondlicht auf.
"Ich brauche deine Hilfe nicht!", keifte Chase mich von der Seite an. Ich nahm es ihm nicht übel.
"Chase, ich bitte dich, lass dir helfen. Ich weiß, das von vorhin war nicht in Ordnung, und ich entschuldige mich auch dafür, aber denk doch auch mal an Funny! Außerdem weißt du jetzt ungefähr wie ich mich fühlte, als ich dich in der Ecke bemerkt habe, nachdem mir Cenishenta begegnet war..." keuchend vor Anstrengung, weil ich gleichzeitig redete und kämpfte, sah ich ihn eindringlich von der Seite an. Der Bär holte mit seinen gewaltigen Pranken zum Schlag aus. Wir konnten ihn nur zu zweit parieren. Chase‘ Gesicht näherte sich meinem dabei an, ich konnte sehen, dass er nachdachte…
"Das war doch etwas ganz anderes. Schließlich habt ihr euch nicht geküsst!", brüllte er vor Anstrengung.
"Ist es eben nicht! Ich denke, dass in beiden Fällen einfach unsere Neugier gewonnen hat, oder nicht?" Wütend schlug er das Biest zurück, endlich nickte er. Ich war erleichtert und ging nun mit voller Wucht gegen das Riesenvieh vor, das es wagte uns zwei weiterhin anzugreifen. Mit zwei gut gezielten Schlägen - in Brust und Beine - brachten wir es zu Fall. Chase gab ihm den Gnadenstoß, kniete sich über das tote Tier, sprach ein Gebet und beendete die Dämonenaustreibung mit dem Satz: "Ruhe in Frieden, Jack Mustdie."