Jiri ließ die Fingerknöchel knacken, als Shane eine Bewegung hinter ihm ausmachte. Ein Ast knackte, Blätter raschelten und alle drei drehten sich alarmiert zur Quelle der Geräusche um. Shane hörte noch das bestürzte Keuchen des Mädchens, als der Hüne unvermittelt nach hinten umkippte. Aus seinem Hals ragte der schwarze Griff eines schmalen Messers gerade noch soweit heraus, dass man es erkennen konnte. Dary stand in Schockstarre da und blickte auf ihren gefällten Gefährten und das Blut, das aus der Wunde quoll.
Doch Shane hatte nur Augen für Corey. Voller Entsetzten und unfähig sich zu rühren, verfolgte er, wie sie aus dem Gebüsch trat. Wie in Zeitlupe folgte sein Blick ihrer rechten Hand, die nach etwas am ihrem rechten Bein greift. Plötzlich hält sie ein schmales Messer in der Hand und noch bevor Shane irgendwie reagieren konnte, hatte sie es bereits geworfen. Ein erschrockener Schrei durchbrach die todesschwangere Stille.
Verwundert darüber, dass in keinem seiner Körperteile ein rasender Schmerz explodierte, sah er an sich herab und entdeckte die Quelle des Schreis. Das Mädchen – Dary – lag nur einen Meter von ihm, ein ähnliches Messer in der Hand, nur Millimeter neben seiner Achillessehne. Aus dem Handgelenk desselben Arms ragte Coreys Messer. Dary fletschte die Zähne und versuchte das Messer doch noch in ihr Ziel zu rammen, doch Corey hatte ihre Sehnen durchtrennt und das Messer glitt aus Darys Hand, während sie nur hilflos zusehen konnte. Ihre Augen sprühten vor Hass.
Shanes Sinne erwachten endlich wieder zum Leben und viel zu spät machte er endlich einen Schritt von ihr weg. Corey hat sich inzwischen breitbeinig über ihre am Boden liegende Rivalin gestellt, ließ sich auf ihrem Rücken nieder und nagelte Darys Oberarme mit den Knien an die Erde. Sie drückte ihr den Unterarm ins Genick und legte so viel Gewicht hinein, dass das Mädchen nach Luft schnappte und mühsam geröchelte Flüche ausstieß.
"Schnauze", kläffte Corey sie an, doch Dary versuchte sich zu schütteln, strampelte mit den Beinen und versuchte den Rücken durch zu drücken.
Corey sah zu Shane auf, der, noch immer unschlüssig was er tun sollte, zurück starrte. Darys Handgelenk blutete erstaunlich wenig. Doch sobald man das Messer entfernte, würde sich dies vermutlich dramatisch ändern. Corey hob erwartungsvoll eine Augenbraue und deute mit einer abgehackten Kopfbewegung auf Darys Füße.
"Könntest du mal...?", in ihrer Stimme lag keinerlei Drohung, doch es schwang dieser unüberhörbare Hauch eines "ich-hab-dir-grad-den-Arsch-gerettet-du schuldest-mir-was" mit.
Widerwillig folgte Shane ihrer Aufforderung, ohne sie dabei einen Moment aus den Augen zu lassen. Er packte Darys Füße und presste sie mit aller Kraft zusammen auf die Erde. Von der vereinten Kraft überwältigt, erlahmten Darynas Bewegungen endlich, doch sie wollte sich noch nicht geschlagen geben und stieß einen lauten Schrei aus.
"HIIIIER!" Die Botschaft dieses Wortes war klar: Dary wollte die anderen anlocken, um Corey durch reine Quantität bezwingen.
Sofort verpasste sie der schwächer werdenden Daryna eine brutale Kopfnuss und drückte mit der Hand auf ihren Hinterkopf und ihr Gesicht in den erdigen laubbedeckten Erdboden. Dary, kurz vor einer Ohnmacht, rührte sich einige Momente nicht, bis ihr Körper den lebensbedrohlichen Umstand registrierte, dass nur Staub und Dreck in ihre Atemwege gelangten.
"Jetzt benimm dich oder ich schneide dir langsam sämtliche Venen auf. Du wärst tot, lange bevor jemand hier wäre und wir längst über alle Berge. Willst du auf so jämmerliche Weise verrecken? Geschlachtet wie ein störrisches Schwein?"
Wir...?
Dary würgte und hustete Blut und Dreck, doch sie schüttelte schwach den Kopf. Zufrieden lockerte Corey den Druck auf Darys Kopf und Genick.
"Dann beantwortet jetzt endlich Shanes Frage."
Shane horchte auf. Damit hatte er nicht gerechnet. Alles in ihm schrie danach die Beine in die Hand zu nehmen und zu verschwinden, doch die Neugier hielt ihn fest. Und das "Wir".
"Ich weiß es nicht, Miststück. Und ich muss es nicht wissen. Mir reicht, dass er sterben muss."
Plötzlich stieß sie ein kehliges Lachen aus.
"Aber solltest du, als sein Liebling es wissen?!"
Ihr Lachen verwandelt sich in ein schmerzerfülltes Husten, als beide Hände um ihren Hals legte und zudrückte.
"Ihr seid wir hirnlose Köter", knurrte Corey.
"Und ihr wie Hasen. Wir treiben euch in eure Höhlen, räuchern euch aus, doch es gibt nur einen Ausgang . Und dort werden wir euch längst erwarten." Shane konnte Darys Krächzen kaum verstehen, doch Corey lachte nur und drückte noch einmal Darys Kehle zusammen, bis sie japste und leicht blau anlief.
Euch sagt sie. Corey und mich. Scheiße!
"Wir werden sehen.", erwiderte Corey gelassen. "Sag mir, Dary, hat Ares selbst euch befohlen mich und ihn zu töten?"
"Ja", hauchte sie schwach die Erde an. "Von wem sonst?!"
"Ach, hätte ja sein können, dass wir jeder gegen jeden spielen. Das wäre mal interessant."
"Bist du völlig durch? Wieso sollten wir uns alle gegenseitig umbringen. So eine Verschwendung kann sich die EL nicht leisten. Aber ihr zwei werdet diesen Wald nicht lebend verlassen." Sie atmete gierig ein und nutzte jede Sekunde, die Corey sie nicht wieder würgte.
"Ach ja, ganz sicher ?", sagte Corey, ging nicht weiter darauf ein und Shane fragte sich, was sie wusste, das dieser Dary wohl entgangen war.
Shane begegnete Coreys ernstem Blick. Ihre Augen sahen in der Nachmittagssonne aus wie zwei funkelnde Bernsteine und ihre zerzausten Haare fielen lang zu beiden Seiten des sommerbraunen Gesichts über die Schultern. So abgelenkt und gefangen von Coreys Anblick, merkte er nicht, wie Darys Beine unter seinem Griff völlig erschlafften. Erst als die plötzliche Stille in seinen Ohren dröhnte, sah er, dass das trockene Laub unter Darys Kopf nass und dunkel schimmerte. Sie hatte dem Mädchen die Kehle auf geschnitten, während sie ihn angesehen hatte. Und er völlig von ihr eingenommen.
Eiskalt... Wie kann man nur so...?
Angewidert von ihr und sich selbst ließ er Darys Füße abrupt los und stolperte hastig ein Stück von den beiden weg. Das war schon der zweite Mord, den er sie verüben beobachtet hatte.
Doch sie hatte wohl kaum eine Wahl. Sie oder wir... aber diese gefühlskalte Art. er scheint sie überhaupt nicht zu kümmern.
Corey erhob sich geschmeidig, wischte ihr Messer an Darys Ärmel ab und ging dann um ihre Leiche herum zu ihren Füßen. Sie kniete sich hin und machte sich daran ihr die Stiefel auszuziehen.
Shane drehte sich weg und erwog einfach wieder davon zu laufen. Doch diesmal, würde sie ihn garantiert aufhalten. Und wer weiß was geschah.
Ich verhalte mich besser ruhig.
Er drehte sich wieder zu den Mädchen um, und beobachtete, wie Corey ihre gestohlenen Stiefel nun gegen diese eintauschte. Ohne aufzusehen, deute Corey mit dem Kopf auf den toten Hünen, der einige Meter entfernt am Waldrand lag.
"Du solltest dir seine Ausrüstung nehmen, wenn du die nächste Begegnung mit einem meiner Mitschüler überleben willst. Und zwar schnell. Wir müssen hier weg. Wer weiß ob jemand ihren Ruf gehört. Bisher hatten wir Glück."
Verschissenes Glück!
"Was zum Teufel geht hier ab? Willst du mich nicht auch umbringen?"
"Nein. Und komm mal klar. Nimm dir Jiris verfickten Scheiß und dann hauen wir hier ab. Ich dir alles was du wissen willst. SPÄTER."
Sie funkelte ihn drohend an, doch er glaubte ihr. Es war ziemlich sicher, dass er längst neben der Blondine und ihrem riesigen Freund liegen würde, wenn Corey es nur gewollt hätte. Stattdessen sollte er seinen Körper mit den Sachen des Bären schützen. Und er wollte verdammt sein, wenn er das nicht tat, nach allem was er gerade erfahren hatte. Also erhob er sich, auch wenn es ihm widerstrebte eine Leiche zu fleddern.