》Em•pa•thie̱
Substantiv [die]
ɛmpaˈtiː/
das Vermögen, sich in Eigenarten eines Gegenübers z. B. mit anderem kulturellem Hintergrund einfühlen zu können.
"In einem psychologischen Gespräch ist Empathie sehr wichtig."《
Danke Google für diese Definition. Empathie ist also die Fähigkeit, sich in jemanden einfühlen zu können. Okay. Gecheckt. Ist Empathie wichtig in der Pflege? Logisch!
Wie stellen wir uns denn die ideale Pflegekraft vor? Die ersten Antworten sind meist: empathisch, menschlich, freundlich, hilfsbereit. Das sind Grundkompetenzen, welche 90% aller Pflegekräfte inne wohnen, die eine Ausbildung in diesem Metier absolvieren - und das ist gut so. Dem Menschen zu unterstützen, helfen und eine Stütze sein zu wollen, sind viele Punkte, die Schüler motivieren diesen Job in Erwägung zu ziehen.
Ich als Pflegelehrkraft freue mich über jeden Einzelnen, der diesen Schritt geht. Danke!
Danke, dass ihr diesen Schritt gegangen seid. Es ist kein einfacher Weg ...
Als Lehrkraft habe ich es manchmal nicht so leicht. Stoffverteilungspläne erstellen, Sichtstunden, Unterrichtsvorbereitung bis teilweise 2Uhr morgens, Studien lesen und so weiter. Oftmals wirklich anstrengend. Das Unterrichten als obligatorische One-Man-Show gar nicht erst zu erwähnen.
Und dann blicke ich in die Gesichter meiner Schüler, die mit glasigen Augen durch mich durchsehen und eigentlich nur körperlich anwesend sind. Na ja, nicht alle, aber einige und es werden immer mehr. Zu Beginn habe ich ernsthaft an meiner Lehrweise gezweifelt, doch bekam meist nur postives Feedback zurück.
Jaaaa ... außer, dass die Schüler bei mir zu viel mitschreiben müssen (ich nenne es dürfen ^^ und ihr könnt euch freuen, wie viel Wissen ihr täglich durch uns vermittelt bekommt >.
Doch woran liegt es nun? Meist ein einfacher Grund. Die Schüler sind teilweise aus der Nachtschicht gekommen oder gingen schon den zwölften Tag am Stück arbeiten. Sie waren einfach fertig mit der Welt. Doch leider wird oft vergessen, dass auch Schule ein wirklich harter Arbeitstag ist, insbesondere wenn sie einen ganzen Tag bei mir Unterricht hatten. Da kamen danach gut und gerne vierzehn, fünfzehn beschriebene Seiten zum Vorschein. Sollte ja keiner behaupten können, dass bei mir kein Lehrstoff vermittelt wird ...
Wir sind uns alle einig, dass in der Pflege ein absoluter Personalmangel herrscht. Punkt. Ist so und es gibt da auch keine Ausreden. Doch das hat weitreichende Folgen. Mal abgesehen von Pflegefehlern, die meist unter den Teppich gekehrt werden, gibt es noch ein weiteres großes Problem: Die Empathie geht verloren. Ein Armutszeugnis für die Pflege. Gerade dieser Grundbaustein sollte stets erhalten bleiben, weil es ja einen Teil des Berufsbildes ausmacht.
Wie äußert sich so ein Verlust an Empathie? Unterschiedlich. Es zeigt sich bei den Pflegekräften, die die Klingel außerhalb der Reichweite der Patienten legen. Oder die Fach-/Hilfskraft, die zu einem Bewohner sagt, der massive Schmerzen hat: "Hab dich nicht so. Mir geht es schlimm. Ich bin die einzige Pflegekraft im Nachtdienst für 50 Personen. Deswegen jammern Sie etwas leiser, ich habe genug zu tun"
Mir wurde auch schon von einer Kollegin gesagt, als ich mit einem komatösen Patienten gesprochen hatte, dass ich das doch bitte sein lassen soll, denn der Gute habe eh nur noch das Verständnis einer Kartoffel. Ist das Empathie? Eher nicht.
Wenn ich so etwas erlebe oder höre, dann schäme ich mich für meinen Berufszweig. Es ist wirklich eine Schande!
Meine Mutti sagte einmal zu mir: "Pfleg deine Patienten so, wie du später selbst einmal gepflegt werden möchtest!". Daran hatte ich mich immer gehalten. Jedoch muss ich auch erwähnen, dass ich nicht, wie viele Andere, 30 Jahre in der Pflege gearbeitet hatte. Dennoch...Pflege hat auch was mit Respekt und Würde zu tun. Leider vergessen das immer mehr.
Doch wie soll eine Pflegekraft überhaupt ihre Empathie erhalten, wenn sie einfach mit der Gesamtsituation überfordert ist? Wie soll sie lächeln und freundlich sein, wenn sie immer mehr unter Druck gerät?
Pflege ist mittlerweile Fließbandarbeit.
Die "Waschrunde" beginnt im ersten Zimmer und ist man im letzten Raum angelangt, fängt der Spaß von vorne an. Ein Bekannter von mir verglich diesen Fakt mit einer Waschanlage. Aber weit gefehlt. Ein Waschvorgang beim Auto dauert länger...
Doch die Pflege lässt auch alles mit sich machen. Was soll sie auch tun? Im Spätdienst sollten eigentlich 2 Fachkräfte und 2 Hilfskräfte sein, doch die Hälfte meldet sich krank? So what. Irgendwie muss der Laden ja trotzdem laufen, denn unsere Schützlinge müssen ja dennoch versorgt werden. Zeit für ein Gespräch? Ein paar aufmunternde Worte? Woher sollen diese kommen? Die Pflegekraft würde ja selbst gerne alles hinwerfen. Also quält sie sich zum Dienst. Müde. Erschöpft.
Dienstfrei? No way. Irgendjemand muss ja arbeiten kommen.
Die Chefs sind zwar nicht begeistert und würden es sich auch gern anders wünschen, doch es scheint ja letztendlich immer wieder zu funktionieren. Natürlich kennen sie den Grund der hohen Krankenzahl und der ständigen Personalfluktuation. Sie sind ja nicht dumm.
Stress macht krank. Arbeit im Akkord demotiviert. Die Pflegenden sind mit ihrer Arbeit selbst unzufrieden. Sie würden gern mehr Zeit haben, doch was sollen sie tun? Eine Schülerin sagte mal: "Ich verstehe, warum die Bewohner permanent klingeln. Das ist der einzige Moment zwischendurch, wo sie uns sehen; wo wir mal fragen, ob alles in Ordnung ist." Als ich sie dann fragte, warum sich die Pflege das gefallen lässt und ihr Soll auch mit 2 statt 4 Mitarbeitern schafft, meinte sie: "Was soll ich denn machen? Ich kann die Leute ja nicht verhungern lassen." Sie wirkte traurig. Ein Gefühl, das viele ihrer Kollegen teilen. Alle sehen die Fehler, doch sie können nicht einfach mal monatelang streiken. In ihren Händen liegen Menschenleben. Jede Sache, die sie nicht abarbeiten - Medikamentengabe, Essen reichen, die Inkontinenzmaterialien wechseln und noch mehr - hätte direkte Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten.
Mit einem Bein steht die Pflege immer im Gefängnis. Das macht Druck. Druck, den sie jeden Tag schon genug verspüren. Also was tun? Durchziehen und das weg lassen, was den Bewohner nicht umbringt.
Und da schließt sich der Kreis, denn was wird aufgegeben? Die Empathie.
Man sagt Zeit heilt alle Wunden. Doch Zeit- und Personalmangel tragen die Empathie zu Grabe...