2.Kapitel
Erste Opfer
Um 5.30 Uhr klingelte bereits wieder der Wecker von meinem Mann. Halb tot setzten wir uns an den Bettrand. «Ich glaube, ich schaue mal nach Peter, » meinte er. «Ich komme mit, es interessiert mich, wie es ihm geht und ob er schon erwacht ist. » Schnell warf ich mir einen Morgenmantel über und zusammen gingen wir hinauf ins Schulhaus. Es war langsam am Dämmern und das diffuse Tageslicht, beleuchtete den langen Gang. Leise öffneten wir den Singsaal und spähten hinein. Doch sogleich zuckten wir zusammen. Peter war tatsächlich weg, doch alles war in heilloser Unordnung. Jegliche Einrichtung welche nicht Niet- und nagelfest war, lag drunter und drüber, als hätte ein Orkan in unserem Singsaal gewütet. Totenbleich schauten wir einander an. Was um alles in der Welt war da passiert? Wir rannten aus dem Saal hinaus und hielten nach Peter Ausschau. Er war nirgends zu sehen.
Stattdessen, erklang im Treppenhaus der Unterstufe ein vertrautes Klappern. Dieses Klappern konnte nur von einer Lehrperson stammen, nämlich von Ulla Schmitz, einer hübschen Lehrerin, mittleren Alters, welche mit Vorliebe klapperndes Schuhwerk trug. Doch diesmal klang das Klappern irgendwie unregelmässig und hielt dazwischen immer mal wieder an. Wir bereiteten und vor, Ulla sogleich zu sehen und wollten sie über die seltsamen Vorkommnisse letzte Nacht unterrichten. Doch als sie schliesslich am Fuss der Treppe anlangte, wo wir uns aufhielten, erschraken wir zutiefst über ihren Anblick! Sie war blutverschmiert und eine halb geronnene, schwärzliche Wunde klaffte an ihrem Hals. Sie hatte eine seltsam gekrümmte Haltung und ihre Beine standen irgendwie verdreht. So dass ihre eleganten Klapperschuhe gar nicht mehr richtig an ihren zierlichen Füssen hielten und sie immer wieder seitlich wegknickte. Es wirkt wahrhaft grotesk und mir kamen die Bilder der vielen Walking dead Serien in den Kopf, welche wir uns schon reingezogen hatten. Ich fühlte mich nun selbst in dieses Walking dead Universum hineinversetzt und es gefiel mir ganz und gar nicht.
Als Ulla uns nun anschaute, lief es uns eiskalt den Rücken hinunter. Ihr Blick war leer und zugleich voller Gier. «Ulla…» stammelte ich «was… ist mir dir? » Doch anstatt einer Antwort, ertönte nur ein bedrohliches Knurren und Ulla bewegte sich auf einmal auf uns zu. Sie fletschte dabei ihre Zähne wie ein wild gewordener Hund und wollte uns ganz klar angreifen. «Weg hier!» rief mein Mann, doch ich hatte bereits meine Füsse in die Hand genommen und lief davon. Wir flohen hinaus ins Freie in Richtung des grossen Pausenplatzes, Ulla knurrend und schnauben hinter uns. Zum Glück jedoch war sie wie die Zombies in Walking dead eher langsam. Als wir jedoch auf den gepflasterten Hof hinausliefen, kam uns noch eine Gestalt entgegen. Mit Überraschung stellten wir fest, dass es sich dabei um Peter handelte. «Weg hier! » wollten wir ihm zurufen, doch dann sahen wir, dass sein Mund uns auch der Rest seines Gesichtes mit Blut verschmiert war und auch er uns mit demselben gierig gefrässigen Blick anschaute wie Ulla, die uns nun dicht auf den Fersen war. Wir schlugen einen Haken und wichen Peter aus, welcher knurrend nach uns grabschte uns jedoch verfehlte. Nun waren zwei der schrecklichen Kreaturen hinter uns her.
Wir rannten so schnell wir konnten davon. In die Wohnung konnten wir nicht, denn dort schlief Remo und wir durften nicht riskieren, dass er in Gefahr kam. Doch was sollten wir bloss tun? Es blieb uns nicht lange Zeit zu überlegen. Das war irgendwie gar nicht so einfach wie im Film. Dort gab es immer irgendeine Möglichkeit sich vor den Zombies zu verkriechen. Doch hier handelte es sich um eine Schule und bald schon würden alle Schüler und Lehrer hierherkommen und dann waren sie ebenfalls in schrecklicher Gefahr. Wir rannten die breite Treppe hinunter, welche auf den grossen Platz mit den Spielgeräten führte. Doch oh Schreck! Dort kamen uns schon die ersten Schul- Kinder entgegen. «Lauft weg! » schrien wir. «Schnell! Ihr seid in Lebensgefahr! » Wir drehten uns nach den schrecklichen Kreaturen um, welche schon das frische Kinderfleisch rochen und beinahe von uns abliessen. Doch das durften wir nicht zulassen. «Hey ihr dreckigen Mistviecher! » schrien wir den Zombies entgegen und fuchtelten mit den Armen. «Hier sind wir! » Zum Glück liessen sich diese ablenken und vergassen die Kinder wieder, welche nun zum Glück die Flucht ergriffen. Ein Stein fiel uns vom Herzen, doch noch war es nicht ausgestanden, denn die Zombies folgten uns auf dem Fuss. Wir schlugen einen Haken nach links und liefen in Richtung des kleinen Wäldchens welches zum Schulgelände gehörte. Wir hofften unsere Verfolger zwischen den Bäumen abzuschütteln. Doch als wir den Rand des kleinen Forstes erreichten, gefror uns erneut das Blut in den Adern! Es kamen uns auf einmal noch mehr der schrecklichen Wesen entgegen. Dieses mussten Jugendliche sein, welche hier hinten vermutlich, ausserhalb der erlaubten Zeiten «abgehängt» hatten (nach einigen Tagen als Zombies würden sie bestimmt auch gut «abgehangen» schmecken O.o!) Sie waren blutüberströmt. Peter hatte so wie es aussah, schon mehr angerichtet, als vermutet. Wir kannten diese jungen Leute tatsächlich. Schon oft hatten wir diese zurechtweisen müssen, weil sie immer so eine Schweinerei auf dem Gelände hinterliessen und viel zu laut waren. Wir mochten sie deshalb wahrlich nicht sonderlich leiden. Doch nun taten sie uns trotzdem leid. Sie waren schlimm zugerichtet. Aus duzend Wundern floss Blut, dem einen quoll sogar ein Teil der Innereien aus dem Bauch. Ihre Gesichter waren verzerrt und einem war sogar der Kiefer zur Hälfte weggerissen worden. All das war unglaublich schrecklich. Doch am aller groteskesten war, dass der eine sogar noch seine Bierdose in der Hand hielt. Das Saufen hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes in dieser Nacht… umgebracht. Allerdings auf etwas andere Weise, als vermutet. Als der Bierdosenträger uns nun jedoch erblickte, warf er die Dose wild knurrend von sich und stürzte sich auf uns.
Was sollten wir bloss tun? Erfüllt von Panik wichen wir den Neuankömmlingen aus. Wir liefen und liefen weiter, nun bereits 7 der schrecklichen Zombies auf den Fersen. Wohin nur, wohin? «Wir versuchen sie in das ehemalige Ziegengehege zu locken, vielleicht hält sie der Zaun ja auf! » rief mein Mann. Ich nickte keuchend, denn ich lief so schnell wie ich nicht mehr gelaufen war, seit unserer aktiven Joggingzeit vor… ungefähr… 15 Jahren. Meine Ausdauer liess wirklich zu wünschen übrig. Mein Mann hatte gerade 20 Kilo abgenommen, was ihm jetzt zu Gute kam. ;-) und ich schalt mich nun dafür, dass ich nicht auch mal auf den einen oder anderen Genuss verzichtet hatte. Hätte ich vielleicht doch etwas mehr Sport machen sollen? (Aber, ach was! Dieser schwache Moment würde auch wieder vorbeigehen!) Doch es blieb mir keine Zeit darüber nachzudenken, denn die Zombies liessen einfach nicht locker. Wir liefen und liefen, Richtung Ziegengehege. Dort hatten einst unsere vier Schulziegen gewohnt (also wirklich echte Ziegen, keine Menschlichen, obwohl es davon die eine oder andere auch schon im Schulhaus gegeben hatte). Nun befand sich daneben der Schulhausgarten. Der eine Stall war zu einem Gartengeräteschuppen umfunktioniert worden. Doch der hohe Zaun stand immer noch. «Wir laufen zur einen Tür rein und beim Tor, das sich beim Schulgarten befindet wieder raus! » wies mein Mann mich an. Er nahm meine Hand und zusammen legten wir noch einen Zahn zu. «Es hat dort ausserdem noch eine grosse Gartenkralle und eine Mistgabel, die am Schuppen lehnt! Vielleicht können wir sie mitnehmen um uns diese Monstren etwas besser vom Leib zu halten! » «Ok…» stiess ich hervor, denn mein Atem wurde langsam durch die Daueranstrengung knapp.
Voll Schrecken sah ich mit einem Seitenblick, dass immer mehr Kinder und auch Lehrer beim Schulhaus eintrafen. Mittlerweile war es 7 Uhr. Wir schrien ihnen zu, dass sie sofort verschwinden sollen. Die einen jedoch waren etwas schwer von Begriff und überlegten etwas allzu lange. Das würde ihnen früher oder später zum Verhängnis werden. Ich sorgte mich zur Zeit jedoch vor allem um meinen Sohn Remo. Was würde er machen, wenn er aufwachte und wir waren nicht da? Ich wollte schnellstmöglich zu ihm zurück. Denn man wusste nie, was uns allen sonst noch für Gefahren drohten. Der Gedanke an meinen Sohn, gab mir Kraft und ich lief noch schneller. Meine Brust brannte vom schnellen Atmen und mein ganzer Körper schrie nach Erholung, doch ich konnte mir das jetzt nicht leisten. So ignorierte ich so gut ich konnte meine Schwächen und stürzte zusammen mit meinem Mann hinein ins Ziegengehege. Die Zombies folgten uns, doch der Abstand zu ihnen war zum Glück ein wenig grösser geworden. «Schnell, schnell, rein und dann wieder raus aus dem andern Tor! » schrie mein Liebster. Ich tat wie mir geheissen.
Zwei der Zombies liessen von uns ab und liefen nun knurrend und stöhnend auf einen unserer Lehrpersonen, mit Namen Rubius Sandmann zu, der gerade bei der Schule angekommen war. Dieser arbeitete schon ewig lange hier. Er war ein ziemlicher Chaot und manchmal warf er sogar Kram, den er nicht mehr brauche konnte, aus seinem Schulzimmer- Fenster im obersten Stock, um diesen nicht die ganzen Treppen hinuntertragen zu müssen. Das konnte dann manchmal für das Reinigungs- oder Hauswartteam gefährlich werden, denn es handelte sich dabei meistens um recht schwere Dinge, die einem ohne weiteres hätten erschlagen können. Eine unserer Angestellten musste das mal am eigenen Leibe erfahren. Zum Glück war sie nochmals glimpflich davongekommen. Mein Mann und ich waren auf diesen Vorfall hin drauf und dran gewesen, eine Gefahrenzulage für uns und unsere Mitarbeiter zu verlangen. Doch bisher war es noch nicht so weit gekommen. Denn wie überall, musste auch in der Schulgemeinde an gewissen Ecken gespart werden. Wegen nur einem potenziell gefährlichen Lehrer unter Duzenden, gab es nun mal keine Gefahrenzulagen.
Doch diese hätten uns in unserer momentanen Situation auch nicht viel weitergeholfen, denn… ja verflucht… Zombies verfolgten uns jetzt, da erschienen alle andern alltäglichen Gefahren wie Peanuts!
«Verschwinde hier Rubius! » schrie mein Mann! «Das sind Zombies! » Rubius starrte einen Moment fassungslos in unsere Richtung, doch als er dann zwei der entstellten Kreaturen auf sich zu kommen sah, nahm er ebenfalls die Beine in die Hand und entschwand unseren Blicken.
Wir hofften inständig, dass er überleben würde, denn obwohl er ein Chaot war, mochten wir ihn irgendwie und von Zombies zerfleischt zu werden, wünschte man auch seinem ärgsten Feind nicht.
So waren jetzt also «nur» noch fünf Zombies hinter uns her. Wir liefen ins Gehege, packten die Gartengeräte im Vorbeilaufen und stürzten dann aus dem grossen Tor, beim Schulgarten. «Schliess du dieses Tor! » befahl mein Mann «ich laufe zurück um den Schuppen und schliesse die andere Tür ebenfalls. Dann sind sie eingesperrt! » «Alles klar! » rief ich und schlüpfte durch das Tor. Die Zombies waren nicht mehr weit und nun ganz auf mich fixiert. Ich wollte das Tor schliessen, doch als ich es beinahe geschafft hatte, klemmte es! Unsere schrecklichen Verfolger warfen sich dagegen und einer von ihnen wollte sich durch den Spalt zwängen. Ich drängte ihn verzweifelt schreiend mit meiner Mistgabel zurück. Ihre Zacken drangen in das weiche Fleisch im Gesicht des Monsters. Es war ein ekliges, abscheuliches Gefühl und zeigte kaum Wirkung. Doch als ich dem einstmaligen Jugendlichen schliesslich mit einer Zinke ins Auge stach, wich dieser endlich zurück und ich konnte das Tor schliessen. Die Zombies knurrten und stöhnten weiter und warfen sich immer und immer wieder gegen das Tor, doch der Zaun hielt… zum Glück!
Mein Blick suchte meinen Liebsten, dieser hatte mittlerweile die andere Tür auch geschlossen und verrammelte diese noch zusätzlich mit einem herumliegenden Brett, neben dem Gartenschuppen. «Schnell weg hier! » rief er dann «bevor sie begreifen, was los ist! Wir müssen unbedingt zu Remo und dann den Schulleiter und alle andren informieren. Ausserdem müssen wir die Polizei alarmieren. Komm schnell! »