Fei
(Kurz vorab: man spricht es nicht Fai sondern Fey aus)
Langsam schritt ich zum Thronsaal.
Ich spürte, wie sich mein Gewand um mich bauschte.
Die Welt sah ich heute durch einen leicht roten Filter, der durch meinen Schleier zustande kam.
Da stand ich nun vor der Tür.
Gleich würde ich meinen Vater wiedersehen.
Tief einatmen, Fei.
Du schaffst das, es ist nicht das erste Mal, dass du bei einem Prozess dabei bist.
Rücken gerade und Kinn hoch.
Ein letztes Mal atmete ich aus und stieß die Doppeltür vor mir auf. Dabei ignorierte ich die Wachen, die wie sonst auch nur dastanden und mir kurz zunickten und mich begrüßten.
Ich ignorierte Leute nicht gerne, doch mein Vater mochte es nicht, wenn ich ohne Grund mit dem >niederen< Volk sprach. Wenigstens wussten alle das, sonst wäre es unerträglich für mich gewesen.
Ich trat in den viel zu großen Saal ein. Ein Mann verkündete mit erhobener Stimme:
»Ihre königliche Hoheit, Prinzessin Fei.«
Seine Stimme hallte im großen Saal nach.
Rechts und links waren Wachen vor den Wandteppichen und Fenstern postiert. Dahinter und dazwischen konnte man den Hofstaat erkennen.
Direkt vor mir kniete ein Mann vor dem Podest, dritter Stand vermutlich.
Und auf dem Podest war der Thron. Der Thron, auf dem mein Vater saß.
Seine schwarzen Haare wiesen schon graue Strähnen auf, die nicht von seinem Alter sondern von seinem Stress zeugten. Seine emotionslosen, braunen Augen blickten zu mir. Er trug eine rote Uniform, die mit goldenen Verzierungen versehen war, mit einer schwarzen Hose und hatte seine Krone auf.
Die Krone war aus purem Gold und war mit Jade verziert.
Vorne wurde das Gold zu einem chinesischen Drachenkopf gegossen, dessen Augen aus zwei funkelnden Rubinen bestanden.
Links von ihm stand sein Berater Andrew McLane.
Graue Strähnen waren zwischen seinen braunen Haaren zu erkennen, die diesmal auf sein Alter wiesen.
Er trug die gleiche Kleidung wie mein Vater nur in schwarz und schlichter.
Neben Berater McLane entdeckte ich Cassian Li, der der jüngste Stratege und Berater des königlichen Hofes war.
Er trug genau das gleiche wie Berater McLane und war nur knapp ein Jahr älter als ich, also in ein paar Monaten 19 Jahre alt und hatte es mit sehr viel Mühe und Fleiß auf den hohen Rang geschafft.
Eine erstaunliche Leistung, doch durch diese Leistung verlor ich meinen ehemaligen besten Freund.
Ein Verlust mehr auf meiner Liste...
Langsam ging ich erhaben durch den Saal, währenddessen wurden hinter mir die Türen mit einem lautem Knall geschlossen. Ich stockte mitten im Saal kurz - die Schmerzen brachten mich um! Vielleicht hätte ich davor doch nicht im Garten spazieren gehen sollen...
Nach einer einsekündigen Pause lief ich weiter und ließ mir nichts mehr anmerken, was mit einem Schleier sehr einfach war.
Alle wussten schon Bescheid von meiner kleinen >Bewegungsstörung
Kurz vor dem Podest blieb ich stehen und nickte meinem Vater zu.
»Vater, Berater McLane, Berater Li.«
Der Mann vor dem Podest zuckte zusammen.
Alle, die mich noch nie getroffen hatten, waren es nicht gewohnt meine >Stimme< in ihrem Kopf zu hören.
Alles Strategie, um in der Stadt nicht entdeckt zu werden, wenn ich mal raus wollte. Ich trug nicht umsonst immer einen Schleier und ein langes Gewand.
Sie nickten mir zurück und ich stellte mich neben meinem Vater.
Ich musterte den Angeklagten.
Blondes Haar, sehr dünn und bleiche Haut. Die Kleidung konnte man nicht mehr Kleidung nennen, das waren nur noch Fetzen, die an ihm herabhingen.
»Da alle anwesend sind, werden wir nun mit dem Prozess beginnen«, begann Berater McLane.
»Berater Li, würden sie die Anklage vorlesen?«
Berater Li nickte kurz und empfang eine Schriftrollen von einer der Dienerinnen.
»Davis Williams, dritter Stand.
Die Bewohner des Dorfes klagten über Diebstahl von Getreide und unerlaubte Schlachtung von Stalltieren ihrer Seite. Was hast du dazu zu sagen, Davis?«
Davis hob den Kopf und schaute meinen Vater an.
Er hatte strahlend grüne Augen.
»Euer Majestät, ich bekenne mich als schuldig, doch Ihr müsst verstehen, dass ich eine Familie habe, die ich ernähren muss. Ich h-«
Mein Vater winkte ab und Davis verstummte sofort.
»Ich habe genug gehört. Es ist immer so, dass ihr Familie habt, die ihr ernährem müsst. Entweder du zahlst eine Geldstrafe oder du verbringst zwei Jahre deiner Zeit im Kerker.«
»Und was ist mit seiner Familie, Vater? Was soll sie machen?«
»Sie sollen schauen, ob sie Arbeit finden. Also, Geldstrafe oder Kerker?«
»Aber- Euer Ma-«
»Ruhe!« Die Stimme meines Vater erhob sich.
»Widerspricht man seinem König?«
»N-nein, Euer Majestät.«
»Gut, Wachen! Sperrt ihn für zwei Jahre in den Kerker!«
Davis wurde von zwei Wachen weggeschliffen.
Wild strampelnd, versuchte er sich zu befreien, es funktionierte jedoch nicht.
Er sah mich flehend an, doch ich konnte nur traurig den Kopf schütteln.
Wenn ich versuchen würde ihm zu helfen, würde mein Vater seine Familie aufsuchen und auch sie bestrafen.
»Es tut mir Leid...«, flüsterte ich ihm noch zu, bevor er dann außer Sichtweite war.
Als sich die Türen schlossen, drehte mein Vater sich wütend zu mir um.
Nicht einmal er wusste, wie ich zu dem Zeitpunkt aussah oder wie meine Stimme sich zu dieser Zeit anhörte.
Der Vorteil, wenn man nicht richtig sprach:
Man konnte seine Stimme verstellen.
»Was sollst du bei einem Prozess machen?«
Wow, er war echt wütend.
»Still dastehen und hübsch aussehen, ich weiß. Doch ich bin nicht nur irgendeine stumme Deko, ich habe auch meine eigene Meinung!« Ein Raunen ging durch den Saal. Man widersprach dem König nicht - auch nicht als sein eigenes Kind. Nur die Berater durften es und die Königin selber - nur, dass es keine Königin mehr gab.
»Du, mein liebes Fräulein, gehst jetzt in dein Zimmer! Und trete mir erst wieder unter die Augen, wenn du weißt, wer hier das Sagen hat!«
Ich schüttelte nur traurig den Kopf.
Eine einzelne Träne lief meine Wangen hinunter, doch sie sehen konnte er nicht.
»Was ist nur aus dir geworden, Vater? Selbst dein ältester Sohn kann dich nicht mehr wiedererkennen. Was denkst du, warum er nicht mehr an deinen Prozessen teilnimmt? Oder warum er dir sogut wie möglich, aus dem Weg geht?«
Im Hintergrund schüttelte Berater Li wie wild den Kopf und tat so, als würde er mit seinem Finger seinen Kopf abtrennen, doch mir war das herzlich egal. Er konnte mir nichts mehr sagen, nicht nach den letzten zwei Jahren.
Nun fing mein Vater an zu brüllen.
»Raus! Du lernst jetzt gefälligst, den nötigen Respekt vor deinem König zu zollen!« Mein König, nicht mein Vater...
Ich drehte mich um und humpelte so schnell wie möglich aus dem Saal. Vor mir wurde die Tür für mich geöffnet.
An der Tür blieb ich noch ein letztes Mal stehen.
»Ach ja, bevor ich es vergesse, Vater.
Ich respektiere nur Leute, die es verdienen.«
Mit diesen Worten verließ ich letzendlich den Saal und ließ meinen wutentbrannten Vater mit seinen zwei Beratern zurück.