Nun war ich wieder auf der Krankenstation.
Ein Mal in der Woche musste ich hier her, um mein Bein behandeln zu lassen.
Ich glaubte es zwar nicht, aber ich versuchte es trotzdem.
Alle sagten, dass es irgendwann richtig verheilen würde, doch auch die besten Ärzte verloren langsam die Hoffnung.
Trotzdem versuchten sie alles Mögliche.
Wenn ich ehrlich war, hatte ich es verdient.
Nicht das mit der Behandlung und so, sondern das mit meiner Bewegungsstörung.
Ich hätte sogar mehr verdient als das, doch das Leben war nicht immer fair.
Ich zog mein Kleid so weit hoch, bis man die Narbe auf meinem linken Knie sehen konnte.
Schusswunde.
Ein Nerv oder so wurde dabei beschädigt und die Kniescheibe wurde... zertrümmert. Ich konnte an der Stelle nicht wirklich viel spüren und mein Bein konnte ich auch nicht wirklich bewegen -dachten alle.
Das stimmte alles eigentlich, doch ich spielte es immer schlimmer, als es war.
Warum?
Ich habe gelernt, dass es besser war, wenn man einen unterschätzte.
Leider musste ich dies auf die schmerzhafte Variante erfahren...
Verlust Nummer eins auf meiner Liste...
Die Ärzte schauten sich mein Knie an und zogen sich in ein Zimmer zurück, das an die Krankenstation angrenzte. Da befanden sich alle Akten und der Konferenzraum.
Nervös rutschte ich auf der Liege herum, auf der ich saß und zog mein Kleid wieder runter, sodass man meine Füße gar nicht mehr sehen konnte.
Heute würde ich erfahren, ob mein Bein jemals wieder verheilen würde.
Ich bezweifelte das zwar, doch die Ärzte wollten sich eine eigene Meinung darüber bilden.
Ein Arzt kam raus.
Ethan Chase, der beste Arzt im Land. Man sah ihm an, dass er 600 Jahre auf dem Buckel hatte.
»Eure Hoheit?«
»Was gibt es für Neuigkeiten, Dr. Chase?«
»Es ist so, Eure Hoheit, wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht. Ihr müsst zuerst die gute Nachricht hören, um die schlechte Nachricht zu ... sagen wir mal verstehen.
Die Gute Nachricht ist, dass eine Chance besteht, dass Euer Bein vollständig verheilt und jetzt kommen wir zur schlechten Nachricht. Euer Bein kann nur vollständig verheilen, wenn Ihr Euren Seelenverwandten findet - und er muss heilen können.«
Meine Augen weiteten sich, doch das konnte er natürlich nicht sehen.
So ruhig wie möglich sprach ich:
»Seelenverwandten?! Meinen Sie den, den nur jede 100. Person in Alésia hat? Den, den man nur erkennt, wenn man eine starke freundschaftliche Bindung schon mit der Person aufgebaut hat und sich diese Beziehung in eine romantische verwandelt? «
Man merkt, das es mit dem ruhig Sprechen nicht wirklich geklappt hat.
Dr. Chase schaute betreten auf den Boden.
»Genau den, Eure Hoheit«, antwortete er kleinlaut.
Ich atmete tief ein.
»Er soll eine Heilgabe besitzen. Sagen Sie mir, Dr. Chase, wie viele Personen haben laut der letzten Zählung in Alésia eine Heilgabe?«
Er schaute wenn möglich noch weiter runter.
»Zehn Leute von ungefähr 3.000.000 Personen.«
Dr. Chase antwortete so leise, dass ich ihn fast nicht mehr hören konnte.
»Und sagen Sie mir, Herr Doktor, wie viele Seelenverwandtepaare gab es in den letzten 50 Jahren?«
»In den letzten 50 Jahren gab es, soweit wir wissen, 60 Leute, die ihren Seelenverwandten gefunden haben, also 30 Paare.«
Wie er immer leiser wurde, wie süß!
»Wie viele von den Leuten, die eine Heilgabe besitzen, könnten in Frage kommen? Oder habe ich überhaupt einen Seelenverwandten?«
Ich wusste, dass ich gleich aufgeben konnte.
Wir wussten nicht einmal, ob ich einen Seelenverwandten hatte!
»Ähm... Also... Es würde genau eine Person für Euch in Frage kommen...«
»Aha, und wer ist das, wenn ich fragen darf?«
»Das darf ich Euch nicht verraten. Ihr kennt ja die >Regeln
Ich seufzte.
Warum mussten die Götter diese Bedingungen stellen?
Ich kannte nicht mal eine einzige Person, die Heilkräfte besaß!
Ich würde so oder so nie meinen Partner finden, warum nicht gleich aufgeben?
Seufzend erinnerte ich mich.
Nath würde sich wünschen, dass du alles versuchst, um wieder gesund zu werden.
Was machte man nicht alles für die Familie?
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich mich alleine im Zimmer befand.
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Langsam schritt ich den Gang runter und achtete nicht auf meine Umgebung, zu sehr war ich in die ganze Seelenverwandtschaft vertieft und stolperte fast die ganze Treppe runter.
Wie gesagt, nur fast.
Wäre ich nicht gegen eine Person vor mir geknallt und auf meinen Allerwertesten gefallen.
»Pass doch auf!«, schnauzte die Person mich nun an.
Traurig schüttelte ich den Kopf, als ich die Person vor mir erkannte.
»Was ist nur mit dir passiert? Seitdem du der Berater meines Vaters bist, erkenne ich dich kaum wieder. Ich vermisse den alten Cass. Früher hättest du mir aufgeholfen und gefragt, wie es mir denn ginge, doch das Leben hier hat dich verändert.«
Schnell blinzelte ich, damit ich nicht anfing zu weinen.
Sehen konnte er es zwar nicht, doch hören konnte er es.
»Eure Hoheit, es tut mir sehr Leid, ich hätte besser aufpassen sollen. Und Ihr täuscht Euch, ich habe mich nicht verändert.«
Ich lachte auf und Berater Li zuckte zusammen.
Er war es wohl nicht gewohnt mein Lachen nicht in Echt zu hören. Sooo schade, nicht?
Früher habe ich nie mein Lachen vor ihm versteckt, doch das war lange her.
Eher gesagt zweieinhalb Jahre.
Warum hätte ich mein Lachen vor ihm verstecken sollen? Er war mein bester Freund und ich hatte es nicht nötig. Nur richtig gesprochen hatte ich nie.
Oder eher gesagt, seit meinem siebten Lebensjahr.
Ich entschied mich dazu, nicht mehr zu sprechen und mich hinter langen Gewändern und Schleiern zu verstecken, um meine Ruhe zu kriegen.
»Du hast mich immer Fei genannt, doch diese Zeiten sind anscheinend vorüber. Ich hätte dich gebraucht, weißt du? Doch du wolltest unbedingt hier her, in den goldenen Käfig. Ich habe dich gewarnt, Cass, ich habe dir gesagt, dass das Leben hier dich verändern wird, doch du wolltest nicht hören. Ich hätte dir helfen können, doch du wolltest meine Hilfe nicht und wolltest es selber schaffen. Das war schon immer eine Macke von dir, weißt du? Du wolltest alles immer perfekt haben und selber schaffen, nicht mal die kleinste Hilfe wolltest du annehmen. Und? Bist du nun zufrieden? Du hast nun das, was du angestrebt hast, doch war es das wert?«
Berater Li starrte mich an und langsam verstand ich auch warum.
Mein Schleier ist hochgerutscht und enthüllte die untere Hälfte meines Gesichtes. Schnell zog ich ihn runter, doch die langen Fächerärmel verfingen sich im Kopfschmuck.
Wie sehr ich diese Dinger doch hasste!
Berater Li wollte mir helfen, doch ich schlug seine Hand weg- zu meinem Glück wurde dabei der Schleier nicht runtergerissen.
Nach einiger Zeit schaffte ich es, ohne dass der Schleier runterfiel.
Schnell stand ich auf und wollte die Treppe runtergehen-natürlich ohne Berater Li eines weiteren Blickes zu würdigen.
Doch so wie das Schicksal es wollte, hielt er mein Handgelenk fest.
»Eure Hoheit, ich bereue nichts, doch auch ich muss zugeben, dass es ein großer Verlust für mich war. Ihr müsstet es am besten verstehen können, Eure Hoheit. Ich habe das nur für meine Familie getan.«
Ich schüttelte nur den Kopf.
»Ich habe Ihnen meine Hilfe angeboten, Berater Li, doch Sie haben dieses Angebot ausgeschlagen, dabei hätte es eine andere Lösung geben können. Ich erkenne den alten Cassian nicht mehr. Alles, was ich sehe, ist ein Berater, der meinem Vater zum Opfer gefallen ist und sich dadurch verändert hat. Wissen Sie was? Ich habe am Anfang meinen besten Freund vermisst, doch jetzt frage ich mich, ob ich denn noch mit Ihnen befreundet wäre, wenn wir jetzt nochmal die Chance dazu hätten. Sie haben sich verändert, doch nicht zum Positiven. Früher haben Sie alle Leute gleich respektiert, alle waren bei Ihnen gleichberechtigt, doch mein Vater hat Ihnen seine Denkweise eingeflößt. Sie denken jetzt schon wie er in der Ständeordnung. Sie sind herablassend geworden. Merken Sie das überhaupt? Wahrscheinlich nicht und das ist jetzt auch egal, ich möchte nicht länger mit Ihnen sprechen.«
Sonst fange ich an zu weinen...
»Ich würde mich nun in meine Gemächer begeben.
Haben Sie noch irgendein ein Anliegen?
Wenn nein, würde ich nun gerne gehen.«
Berater Li ließ mein Handgelenk los und ich drehte mich um, nachdem ich ihm ein letztes Mal zunickte.
»Ach, Eure Hoheit?«, rief er mir noch entgegen, als ich am Ende der Treppe angelangt war.
Ich blieb stehen, doch ich drehte mich nicht um.
»Esst mehr, Ihr seid wieder dünner geworden.«
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Xuemei
(Es wird Schüöe-mey ausgesprochen.
Das e ist ein e wie bei bitte und schnell aussprechen und nicht lang ziehen. Complicated, ich weiß. Also kompliziert für euch, nicht für mich. )
Es klingelte und der Lehrer gab uns die Hausaufgaben auf.
Es war Montag, das hieß, dass ich am Abend zuvor in die Menschenwelt gekommen bin, um hier zur Schule zu gehen. Am Freitagnachmittag musste ich dann zurück nach Alésia. Wie alle anderen Schüler auch, lebte ich unter der Woche in der Menschenwelt.
Hastig packte ich meine Sachen ein und wartete auf meine Freundinnen.
Wir schlenderten zu unserem nächsten Raum und ließen uns Zeit, schließlich hatten wir zwei Schulstunden Mittagspause!
Angekommen stellten wir unsere Taschen ab.
»Livia, Ori, ihr könnt schon mal vorgehen, ich hole nur noch meinen Geldbeutel raus.«
Sie nickten zustimmend und entfernten sich.
Schnell humpelte ich ihnen hinterher, als ich meinen Geldbeutel gefunden hatte, doch ich stoppte.
Ich sah mich um, doch niemand war in der Nähe, weswegen ich vor ihm kurz knickste und meinen Blick sank.
»Berater Li«, sprach ich so leise wie möglich, doch so, dass er es trotzdem hören konnte.
Langsam merkte ich, wie ich mich immer unwohler in seiner Gegenwart fühlte und wollte nur so schnell wie möglich weg.
Außerdem verstand ich nicht, warum Berater Li noch auf die Schule ging, denn eigentlich hatte er die Chance mehrere Klassen zu überspringen. Trotzdem blieb er in meiner Klassenstufe und schlug -zu meinem Leid- das Angebot ab.
»Du kannst wieder hochschauen, Xuemei.«
Und das tat ich dann auch.
Er trug eine normale Jeans und einen beaurdauxroten Hoodie, eigentlich ganz normal für unser Alter, doch ich war es anders gewohnt.
In Alésia sah man ihn immer in seiner Uniform.
»Schönen Tag noch, Berater Li. Ich sehe Sie nachher im Unterricht.«
Er nickte mir zu und entließ mich somit.
Nun beeilte ich mich wirklich, um Livia und Ori noch einholen zu können.
Zu meinem Glück haben sie am Eingang auf mich gewartet und ich konnte locker zu ihnen humpeln.
»Hey, warum hat es denn so lange gedauert?«, fragte Ori, während sie sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht pustete, die sich aus ihrem Dutt gelöst hatte.
»I-Ich bin Berater Li über dem Weg gelaufen.«
Mein Blick senkte sich wie von selbst.
Livia und Ori starrten mich an, als wäre ich verrückt geworden.
»Keine Sorge, es ist nichts passiert.«
Livia fuhr sich aufgeregt durch ihre braunen Haare.
»Und wenn etwas passiert wäre? Was hättest du dann gemacht?«
»Es wird nichts passieren, in den letzten sieben , fast acht, Jahren ist doch auch nichts passiert.«
Ich lächelte meine Freundinnen beruhigend an.
»Und das soll gefälligst auch so bleiben«, murmelte Ori so leise, dass ich es gerade noch so hören konnte.
Ich bin mal mal ehrlich, ich hatte echt Angst, dass etwas passieren konnte.
In unserer Kindheit hatten Berater Li und ich viel miteinander zu tun und unsere Mütter waren eng miteinander befreundet, doch er schien mich vergessen zu haben.
Und das sollte bitte auch so bleiben.
Die Chancen standen aber relativ gut für mich, fast acht Jahre lang hatte er es nicht bemerkt, warum sollte er es dann plötzlich tun?
Ich war für fast alle- und somit auch für Berater Li- einfach die stille Streberin, die verschlossen war und eine Bewegungsstörung hatte. Meistens bemerkte man mich gar nicht, höchstens nur wegen meinem Humpeln. Angeblich ein gerissener Nerv, linkes Bein.
Die Krankenschwester, Hebamme, was auch immer, die mich meiner Mutter übergeben sollte, war anscheinend nicht gerade sanft zu mir gewesen und mein Nerv riss, wodurch ich an der Stelle eigentlich nichts mehr spüren konnte und mein Bein auch nicht mehr vollständig strecken konnte.
Die Ärtze konnten es nicht mehr heilen und laut den Gerüchten, wurde die Frau gefeuert.
Die einzige Möglichkeit mein Bein zu heilen wäre, meinen Seelenpartner zu finden, der eine Heilfähigkeit besaß, das hieß also, dass ich gleich aufgeben konnte.
Die Chancen standen gleich null, dass ich meinen Seelenverwandten fand, der auch noch heilen konnte.
Ich genoss lieber mein Leben mit einem nicht vollfunktionsfähigem linkem Bein, statt mich mit jeden Jungen zu befreunden und versuchen eine romantische Beziehung mit ihm aufzubauen.
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»Xuemei, könnte ich dich kurz sprechen?«
Mit einem Blick auf Livia und Ori fügte Berater Li noch ein >Unter vier Augen?< hinzu. Nervös blickte ich zu Ori und Livia.
»Keine Sorge, wir warten am Ausgang auf dich, nicht wahr?«
Livia stieß Ori mit ihrem Ellenbogen an, die sich dann beeilte zu antworten.
»Klar, wir warten auf dich. Wir sind nur 10 Meter weiter weg.«
Den letzten Teil sagte sie vorallem zu Berater Li.
Besorgt schaute Livia mich noch ein letztes Mal an. »Schrei einfach, wenn etwas ist, okay?«
Ich nickte ihr zögerlich zu und sie wendeten sich ab.
Nach zwei Metern drehte sich Livia noch ein letztes Mal um, bevor sie endgültig gingen und mich mit ihm alleine ließen.
»Was ist Ihr Anliegen, Berater Li? Es ist nicht üblich, dass Sie mit mir reden wollen«, flüsterte ich.
Und genau deswegen fühlte ich mich unwohl dabei. Hätte ich seine Nähe nicht genießen sollen? Ich hatte mich doch jahrelang danach gesehnt, dass er mich wieder beachtete. Doch... Wäre ich immer noch mit ihm befreundet, wenn ich die Chance dazu hätte?
»In der Tat, Xuemei, doch das ist auch deine Absicht, nicht wahr? Du willst im Hintergrund bleiben. Redest mit Allen so leise und wenig wie möglich, willst keine Aufmerksamkeit auf dich ziehen und versteckst dich hinter deinen Freundinnen.«
Zögerlich nickte ich. Was hätte ich sonst tuen sollen? Sagen, dass alles nur eine Masche war, damit ich nicht so viel reden musste? Dass ich in Wirklichkeit so viel mehr redete und es mir nicht immer zu Gute kam?
»Kommen Sie bitte zum Punkt, denn ich habe nicht alle Zeit der Welt.«
Besonders nicht für Sie, wenn Sie mich jederzeit erkennen können...
»Natürlich, entschuldige mich. Ich brauche Informationen von dir über Seelenverwandten.«
»Warum wollen Sie diese Informationen?«
Nervös blickte ich mich nach einem Fluchtweg um, den ich notfalls nehmen könnte. Doch ich fand keinen, jedenfalls keinen, der für mich geeignet war und zu meinem Leid, war Berater Li ein schneller Läufer.
Bitte lass es ihn nicht wissen... Moiren, so sehr ihr mich hasst, mein Schicksal kann doch nicht so schlimm sein!
»Seine Majestät befahl mir, so viele Inforamtionen wie möglich über Seelenverwandte zu sammeln und ich dachte, dass du ein guter Anhaltspunkt wärest, da nur dein Seelenverwandter dich heilen könnte.«
Puh... Noch mal Glück gehabt...
»So ist das also... Ich erzähle Ihnen so viel ich weiß. Jede 100. Person in Alésia hat einen Seelenverwandten, das müssten Sie schon wissen. Als erstes muss man eine starke, freundschaftliche Beziehung aufbauen, die sich dann in eine romantische verwandelt. Dabei spielen längere Streite, Pausen und so weiter keine Rolle. Ein gutes Beispiel dafür wären Vanessa Miller und George Beckhardt 1943. Sie stritten sich zwei Jahre lang, bis George es nicht mehr aushielt und Vanessa küsste.
Das Einzige, was zählt, ist, dass eine starke Freundschaft besteht oder bestanden hat.
Die Gaben der Seelenverwandten werden verstärkt, wenn sie ihren Partner finden und bestimmte Gaben sind bei der Anwendung am Partner besonders stark, zum Beispiel die Heilfähigkeit. Die Verbindung wird durch einen beidseitigen Liebesbeweis offenbart wie ein erwiederter Kuss oder eine erwiederte Liebeserklärung - dabei sind die beiden Wörter >Beidseitig< und >Erwiedert< besonders wichtig. Man muss beachten, dass man es auf beiden Seiten aus Liebe macht und nicht aus... Lust. Durch die Offenbarung akzeptiert man automatisch den Partner, nicht so wie in vielen Werwolfsgeschichten, in denen man den Partner makieren oder sogar mit dem Partner...« Ich wurde rot und guckte überall hin, nur nicht in sein Gesicht.
»ähm... Liebe machen muss. Genauso wenig stirbt man, wenn man den Partner lange nicht gesehen hat oder er sogar tot ist. Man spürt jedoch eine ungewohnte Leere im Herzen und man verändert sich auf emotionaler Ebene. Nach der Offenbarung kommt auch ein Band zwischen den beiden Partnern zum Vorschein. Man kann dann miteinander kommunizieren oder sogar in den Kopf des anderen eindringen, wenn keine mentale Mauer oder eine, die nicht stark genug ist, vorhanden ist. Über dieses Band, kann man auch Energie des Partners abzapfen, solange die Mauer nicht vorhanden oder nicht stark genug ist. Haben Sie noch Fragen?«
Ich hoffte nicht, ich hatte keine Lust weiter mit ihm zu sprechen. Am liebsten hätte ich gar nicht mit ihm gesprochen, doch die Moiren mochten mich anscheinend nicht.
Berater Li überlegte. Ungeduldig wippte ich hin und her. Nach gefühlten Stunden antwortete er endlich.
»Merkt man vor der Offenbarung, dass ein Band besteht?«
»Nein, und genau deswegen finden so wenige Personen ihre Seelenverwandten. Sie sind vor der Offenbarung einfach normale Leute, bestenfalls sehr gute oder beste Freunde.«
Verstehend nickte er.
»Eine letzte Frage hätte ich noch: Was hat es mit den Göttern auf sich?« Ach die lieben Götter, die mir das Leben schwer machen... Wenn auch nur indirekt.
»Es gibt verschiedene Geschichten darüber, die beliebteste und realistischste handelt jedoch von Aphrodite und den Moiren. Es gab in Griechenland ein Paar, das sich so sehr liebte, als wären sie ein Herz und eine Seele. Als die Göttin der Liebe erfuhr Aphrodite das natürlich und sah es sich selbst an. Sie war so begeistert von dem Paar, dass sie die Moiren fragte, ob denn nicht jede Person jemand haben dürfte, der einen so sehr liebte, als wären sie ein Herz und eine Seele. Die Moiren waren einverstanden, doch sie hatten ein paar Bedingungen:
-Nicht jede Person hatte einen Seelenverwandten
-Man musste selber herausfinden, wer sein Partner war
-Man spürte die Bindung vor der Offenbarung nicht
-Es wird in der Zukunft mindestens einem Paar eine große Aufgabe prophezeit
-nur die Völker, die noch an die Götter glauben, dürfen mit diesem Band belohnt werden
Zu dem vorletzten Punkt gibt es sogar eine schon Prophezeiung, die ich jedoch nicht auswendig kann. Ich würde sie Ihnen morgen überreichen.
Natürlich gibt es auch Folgen. Durch die Bindung wurden magische Kräfte verstärkt und man erlangte gegenfalls durch den Partner auch neue dazu. Stirbt ein Partner, lebt man weiter, doch man wird sehr leicht depressiv oder auch agressiv, da man sozusagen eine Hälfte seiner Seele verliert.
1453 gab es zum Beispiel so einen Fall. Wilson Blackthorn verlor seine Partnerin Cecilia Blackthorn, seine verstärkten und neu erlangten Kräfte blieben jedoch und er wurde agrssiv. Sie müssen wissen, dass seine Parnerin durch eine >Hexenjagd< starb. Diese Tat entfachte Wilsons Wut und er versuchte sich an den Personen der Menschenwelt zu rächen, doch er konnte rechtzeitig aufgehalten werden. Seitdem werden alle Seelenpaare regelmäßig kontrolliert und sollte mal einer sterben, wird der andere strengstens überwacht, damit so was nicht wieder passieren kann. Sollte der Partner sterben, muss man das unverzüglich melden, damit nichts passieren kann. Das müsste es auch gewesen sein. Sollten Sie noch Fragen haben, können Sie sie mit gerne stellen, Berater Li.«
Nicht wirklich. Ich hatte keine Lust darauf, dass er mich erkannte, doch ich musste respektvoll und nett und was auch immer bleiben.
»Danke, Xuemei, das wäre sehr nett von dir und das war's dann auch. Ich werde dich nun nicht weiter belästigen. Wir sehen uns morgen wieder. Könntest du mir dann morgen die Prophezeiung überreichen?«
»Das wäre kein Problem, Berater Li. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«
Ich knickste ein Mal und humpelte nach einem Nicken seinerseits so schnell wie möglich zu Ori und Livia.
Sobald ich bei ihnen ankam, begann Ori auch schon zu rufen:
»Xuemei und Cassian sitzen auf dem Baum. Küssen sich, man glaubt es kaum!«
Schnell hielt ich ihr den Mund zu.
»Sei doch mal leise!«, zischte ich ihr zu. »Bist du nun vollkommen bescheuert geworden?«
»Ist denn die Vorstellung mich zu küssen so schlimm?«
Ich erstarrte.
Langsam drehte ich mich um und sah wen?
Natürlich Berater Li und natürlich grinste er mich belustigt an und natürlich ignorierte er die Respektlosigkeit von Ori, ihn beim Namen zu nennen. Das nannte ich mal unfair!
»Berater Li«, stotterte ich kurz und knickste wieder. Ori und Livia taten es mir nach, doch sie mussten dabei natürlich nicht stottern! Nach dem, was ich hinter mir hörte, verkniff sich Ori ein Lachen, was ihr nicht sonderlich gut gelang.
Ich spürte, wie Blut in meine Wangen schoss.
Na toll! Jetzt sehe ich auch noch aus, wie eine Tomate!
»Du hast immer noch nicht auf meine Frage geantwortet.«
Noch mehr Blut schoss in mein Gesicht.
Wenn ich gerade schon wie eine Tomate aussah, dann seh ich jetzt aus wie eine ganze Feuerwehrwache!
Leise lachte er mich aus.
Das machte er doch extra!
»Ähm... Ja-äh... Nein...«
Halt einfach deinen Mund!
Danke innere Stimme, das habe ich auch schon bemerkt!
Hinter mir lachten meine Freundinnen laut los.
Ich drehte mich um und schmollte sie beleidigt an.
»Ein bisschen mehr Mitleid wäre toll, es ist doch eure Schuld, dass ich in dieser Situation gelandet bin!«
»Ist sie immer so gesprächig?«
Langsam drehte ich mich um.
Scheiße, Berater Li ist ja auch noch da!
Tief einatmen, Xuemei...Er wird dich nicht erkennen, es hat doch auch die letzten Jahre funktioniert.
»Manchmal, manchmal nicht, es kommt immer drauf an.«, meinte Livia.
»Ab-«, fing Ori schon an, doch Livia machte irgendwas und man hörte von Ori nur noch ein schmerzvolles Stöhnen.
»Wie viel Uhr ist es? Ich muss noch zum Unterricht.«, fragte ich wieder leise bei Livia nach, um vom eigentlichem Thema abzulenken und Livia hatte immer, wirklich immer eine Uhr dabei.
»16:53 Uhr.«
»Scheiße! Ich muss los! Bis Morgen, ciao! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Berater Li. Ich bringe Ihnen morgen die Prophezeiung.«
So schnell ich konnte humpelte ich schon los und wartete nicht auf eine Antwort. Klar, dass war Berater Li gegenüber nicht wirklich respektvoll, doch ich wollte definitiv nicht zu spät zu meinem Kurs kommen.
Hinter mir hörte ich noch, wie Berater Li fragte, wohin ich denn ginge. Mehr hörte ich nicht und das brauchte ich auch nicht. Wahrscheinlich versuchte Ori gerade zu erzählen, dass ich zum Malkurs musste und Livia versuchte wahrscheinlich sie daran zu hindern.
Hoffentlich verrät Ori nicht zu viel, manchmal labert sie einfach los und weiß nicht mal, was sie gesagt hat. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als zu hoffen. Vielleicht reagiere ich ja auch über? Er muss ja nicht gleich wissen, dass ich es bin, nur weil ich gerne male. Ich bin ja nicht die Einzige, die gerne zeichnet und malt. Ja, ich reagiere einfach über, mehr nicht. Mehr nicht...