Der Unsterbliche ließ sich das Ganze ohne Gegenwehr gefallen. Er war neugierig, was genau Alex jetzt vorhatte. Eigentlich war es Hiram, der in solchen Situationen die Kontrolle übernahm und er ließ sich diese auch nicht gerne streitig machen, aber dieser junge Mann war anders … besonders. Und der Vampir konnte nicht einmal sagen, was es war, das ihn … ja, auf irgendeine Weise faszinierte. Das ihn dazu verleitete, sich in Alex’ Hände zu geben. Aber er faszinierte Hiram, das war eine Tatsache.
So ließ der Unsterbliche sich zum Bett dirigieren und als er die Kante der Schlafstätte in seinen Kniekehlen spürte, sank er auf die Matratze. Er hob den Blick und sah Alex an. Amüsiert stellte der Vampir fest, dass die braunen Augen des Anderen vor Erregung fast schwarz wirkten. Allerdings meinte Hiram auch noch einen schwachen lilafarbenen Schimmer in ihnen zu erkennen, was ihn einen Augenblick stutzen ließ. Aber nicht lange, denn Alex legte wortlos, aber frech grinsend, die Hände auf die Schultern des Vampirs, um ihn sanft, aber bestimmt auf die Matratze zu drücken. Doch Hiram packte den Dunkelhaarigen am Bund seiner Boxershorts, ließ sich nach hinten fallen und zog den jungen Mann mit. Der landete auf dem Unsterblichen, der augenblicklich die Position wechselte. So fand der junge Mann sich auf dem Rücken liegend wieder, den Vampir halb über sich. Somit hatte Hiram die Kontrolle über die Situation wiedererlangt.
»Und jetzt?«
Statt Alex’ Frage zu beantworten, begann der Unsterbliche den Oberkörper des Hexers mit seinen Lippen zu erkunden. Sanft glitt er über die Haut, ritzte diese immer wieder an und leckte das Blut von den oberflächlichen Wunden. Zentimeter für Zentimeter tastete der Vampir sich über die Brust des jungen Mannes, der sich unter den Berührungen wand, arbeitet sich langsam über dessen Bauch immer weiter nach unten. Als der Unsterbliche den Bund der Boxershorts erreichte, riss er diese einfach entzwei und warf die Reste neben das Bett auf den Boden. Nachdem nun kein störender Stoff mehr den Weg versperrte, begann Hiram sanft an der empfindlichen Haut der Leistengegend zu knabbern, während seine Finger über Alex’ Erektion glitten. Dieser keuchte vor Erregung auf und krallte sich in die Haare des Vampirs. Als der endlich seine Lippen auf Alex’ Männlichkeit legte und die empfindliche Spitze zusätzlich mit der Zunge umspielte, war es mit der Beherrschung des jungen Mannes gänzlich vorbei. Sein Körper erbebte förmlich und sein Stöhnen wurde lauter. Alex wand sich immer heftiger, was den Vampir regelrecht anfeuerte, und krallte die Finger in das Bettlaken.
»Oh Gott, bitte, hab Erbarmen mit mir. Ich halte das nicht mehr aus«, keuchte der Dunkelhaarige, als Hiram anfing, ihn zusätzlich mit der Hand zu stimulieren. Alex war nicht mehr imstande, einen klaren Gedanken zu fassen. So ließ er sich völlig gehen und als er schließlich durch das geschickte Zusammenspiel der Finger und Lippen des Vampirs zum Höhepunkt kam, bäumte er sich auf und schrie seine Lust heraus.
Völlig geschafft sank er anschließend auf das Laken zurück, schwer atmend und die Haut von einem feinen Schweißfilm bedeckt.
»Meine Güte …«, keuchte er und rang nach Luft.
»Und das war erst der Anfang«, schnurrte Hiram und küsste sich Stück für Stück wieder nach oben, »ich bin noch nicht mit dir fertig. Die Nacht ist lang und sie soll unvergesslich werden.«
-
Als Alex am nächsten Morgen aufwachte, war er alleine. Nur der leichte Geruch nach Rosmarin lag noch in der Luft. Stöhnend drehte der Dunkelhaarige sich auf den Rücken und starrte an die Zimmerdecke. Natürlich, Hiram war fort. Warum sollte er auch länger als nötig …? Ein Geräusch aus Richtung des Flurs ließ Alex zusammenzucken. Langsam setzte er sich auf. Sollte sein Mitbewohner Scott in der Nacht unverhofft nach Hause gekommen sein? Und wenn ja, wann? Alex schloss die Augen und stöhnte erneut, diesmal allerdings gequält, weil ihm der Gedanke gar nicht gefiel, dass sein Kumpel vielleicht alles mitbekommen haben könnte. Hiram und er, Alex, hatten sich nicht wirklich zurückgehalten und der junge Mann hatte, bevor er eingeschlafen war, noch gebetet, dass sich seine Nachbarn nicht würden beschweren kommen.
»Guten Morgen, dear.« Hirams dunkle Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
Er öffnete die Augen und starrte den Unsterblichen ungläubig an, als dieser im Türrahmen lehnte und aufgrund von Alex’ Gesichtsausdruck schmunzelnd fortfuhr, »schau nicht so. Dachtest du wirklich, ich verschwinde so einfach sang- und klanglos? Ohne mich wenigstens zu verabschieden?«
»Na ja, ich war mir zumindest nicht sicher. Ich meine … es war eine absolut geile Nacht, aber halt unverbindlich. Wir sind ja nicht zusammen, also warum solltest du über das Vergnügen hinaus hierbleiben wollen?« Langsam setzte der Dunkelhaarige sich auf. »Möchtest du Frühstück oder wenigstens ‘nen Kaffee?«
»Oh, ich war so frei und habe uns eine Kanne gekocht. Frühstück? Nein, außer du möchtest etwas.« Mit diesen Worten verschwand Hiram in der Küche und kam kurz darauf mit zwei Tassen dampfendem Kaffee wieder, von denen er eine Alex reichte, bevor er sich selbst auf die Bettkante setzte. »Wenn du Milch und Zucker willst, dann hol ich dir das gerne noch.«
Der junge Mann musterte den Vampir schmunzelnd, nahm die Tasse und schüttelte dann den Kopf. »Nein, normalerweise nehme ich zwar beides in meinem Kaffee und auch im Tee, aber heute ist mir schwarz und stark lieber.« Die Erinnerung an die letzten Stunden ließ den Dunkelhaarigen leicht erröten und verlegen rieb er sich seinen Nacken.
»Ist es dir unangenehm, was wir zwei hier getrieben haben?« Hiram strich mit einem Finger über Alex’ Wange. »Ich muss zugeben, ich würde es gerne irgendwann noch einmal wiederholen.«
»Nein, es ist mir nicht unangenehm. Im Gegenteil. Ich wäre einer gelegentlichen Wiederholung auch nicht abgeneigt.« Der junge Mann nahm die Hand des Unsterblichen und strich gedankenverloren über die Narbe an dessen Handgelenk, die gestern Abend noch von einer Armbanduhr verdeckt worden war. »Was ist hier passiert?«
»Gut zu wissen, dass wir uns da einig sind!«, erwiderte Hiram lächelnd, zog die Finger zurück und rieb über die Haut. »Das … ist eine lange Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie dir ein anderes Mal. Nicht jetzt.«
Alex nickte. »Okay, du musst ja nicht, wenn du es nicht willst.« Er nahm einen Schluck seines Kaffees und seufzte wohlig. »Ich werd‘ jetzt gleich erst mal unter die Dusche springen. Kommst du mit?«
Der Vampir schaute ihn einen Moment lang nachdenklich an, bevor er den Kopf schüttelte. »Nein, ich mach das später, wenn ich zu Hause bin.«
Obwohl Alex keine andere Antwort erwartet hatte – denn schließlich war Hiram schon wieder komplett angezogen – war er doch ein bisschen enttäuscht. Aber er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen und zwang sich sogar zu einem Lächeln.
»Kein Problem. Das dachte ich mir schon. Dann geh ich halt alleine.«
Schweigend tranken sie ihren Kaffee.
Schließlich stand Hiram auf und strich Alex noch einmal durch die Haare. »Ich mach mich jetzt auf den Weg, Dear. War ‘ne tolle Nacht, die ich so schnell nicht vergessen werde. Und wie gesagt, vielleicht wiederholen wir das ja mal, wenn wir uns zufällig über den Weg laufen.« Er drückte Alex einen Kuss auf die Stirn und wandte sich um zu gehen.
»Ich hoffe es«, murmelte der junge Mann und sah dem Anderen nach, als der, ohne sich noch einmal umzudrehen, das Zimmer verließ. Als die Wohnungstür ins Schloss fiel, seufzte Alex leise, stand dann aber auf und verschwand im Bad, um die Sünden der Nacht von sich abzuwaschen.
-
Währenddessen lief Hiram die Treppen hinunter und atmete, vor dem Haus angekommen, erst einmal die kalte Morgenluft tief ein. Normalerweise machten ihm sogenannte One-Night-Stands nichts, denn er suchte alles, nur keine feste Beziehung, aber irgendetwas war dieses Mal anders. Ein seltsames, bedrückendes Gefühl hatte sich in seinem Magen ausgebreitet. Erklären konnte der Vampir es sich aber nicht.
»Zeit, dass ich hier wegkomme«, knurrte er unleidig und winkte sich ein Taxi heran. Der Weg zu seinem Loft in Hampstead war ihm zu Fuß zu weit.
Dort angekommen, warf er seine Sachen in die Wäsche und stieg unter die Dusche.
Als er mit geschlossenen Augen unter dem Wasserstrahl stand, kamen ihm Bilder der letzten Nacht in den Sinn und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Bei seinen ganzen Affairen, ob einmalig oder mehr, hatte er selten einen Partner gehabt, der so leidenschaftlich gewesen war wie Alex. Der sich so vollkommen auf ihn, Hiram, eingelassen hatte. Davon abgesehen, dass auch kaum einer dermaßen sexy gewesen war wie Alex. Und dann war da immer noch diese besondere Ausstrahlung, die der Dunkelhaarige hatte. In den Momenten völliger Hingabe und absoluter Erregung waren dem Vampir mehrfach unterschwellige lilafarbene Schimmer in Alex’ Augen aufgefallen, die er sich nicht erklären konnte, weil er so etwas noch nicht zuvor gesehen hatte. Aber danach zu fragen war ihm komisch erschienen. Genauso wie er sich keinen Reim darauf machen konnte, warum das Blut des Jungen ihn dermaßen in Ekstase versetzt hatte. Fragen über Fragen, die wahrscheinlich nie eine Antwort bekommen würden. Hiram seufzte.
Ja, alles in allem hatte der junge Mann einen ziemlichen Eindruck bei ihm hinterlassen, das musste der Unsterbliche sich eingestehen. Und nicht nur in sexueller Hinsicht. Vielleicht war es besser, wenn er doch auf ein weiteres Treffen verzichtete, denn er hatte nicht vor, sein Leben mit jemandem zu teilen. Und er hatte das komische Gefühl, dass die ganze Sache sich in eine Richtung entwickeln könnte, die ihm gar nicht recht sein würde, würde er Alex wiedersehen.
Nein!
Hiram schüttelte die Gedanken ab, wie ein nasser Hund das Wasser aus seinem Fell. Für Beziehungskram hatte der Unsterbliche keine Zeit und auch keinen Sinn. Er war mit seinem Leben so zufrieden, wie es jetzt war. An niemanden gebunden, niemandem Rechenschaft schuldig, einfach tun und lassen, wonach ihm der Sinn stand. Und so sollte es auch bleiben.
Er stellte das Wasser ab und stieg aus der Dusche, trocknete sich ab und schlüpfte in eine Jogginghose sowie ein leichtes Shirt. Er ging hinüber in sein Wohnzimmer, welches mit zwei großen Sofas aus schwarzem Leder und einem Couchtisch in derselben Farbe, einer kleinen Bar und einem schweren schwarzen Schrank eingerichtet war. Dicke, dunkelrote Teppiche lagen auf dem Echtholzfußboden des Lofts und im hinteren Teil führte eine schmale Treppe hinauf zu einer Galerie, wo das Bett und eine große Kommode standen. Ein Kleiderschrank hatte Platz unter der Treppe gefunden, denn die Schrägen im oberen Schlafbereich ließen das Aufstellen eines solchen nicht zu.
Neben dem Aufgang befand sich auch die Tür zu einer kleinen Dachterrasse, auf die Hiram jetzt hinaustrat. Die Luft roch nach Schnee, auch wenn nichts sonst darauf hindeutete, dass es schneien würde. Doch der Vampir war sich sicher, dass seine Nase ihm da keinen Streich spielte. Aber es sollte ihm recht sein. Hiram mochte Schnee. Der war ihm lieber als Regen, der ihn müde und träge machte und seine Haut jucken ließ, wenn auch nicht mehr so unerträglich wie früher. Über die Jahrhunderte hatte sein Körper sich dagegen abgehärtet. Aber die Müdigkeit war geblieben.
Hiram brummte und zündete sich eine Zigarette an.
Während er den Rauch inhalierte, ließ er den Blick über den benachbarten Park Hampstead Heath schweifen und überlegte, dass er mal wieder auf die Jagd gehen könnte. Das letzte Mal war schon eine Weile her. Ja, er war ruhiger geworden, im Gegensatz zu früher. Und heutzutage boten sich die Menschen für eine Blutspende auch regelrecht an, sodass das Jagen gar nicht mehr nötig war. Es gab sogar spezielle »Clubs«, wo sich Menschen den Vampiren hingaben, um deren Gelüste zu befriedigen. Wie ein Bordell, nur ohne Sex … normalerweise. Ausnahmen gab es nur, wenn beide Parteien sich einig waren und mehr wollten. Aber trotz all dieser Gegebenheiten, die es so schön einfach und bequem machten, an den Lebenssaft zu kommen, ab und zu brauchte Hiram es, zu jagen, um das Raubtier in sich zu befriedigen. Und … es würde ihn auf andere Gedanken bringen. Dessen war er sich sicher.
Seufzend drückte er die Zigarette aus und kehrte in den Wohnraum zurück. Der Vampir ließ sich auf sein Sofa fallen. Von dort hatte er einen barrierefreien Blick durch die großen, bodentiefen Fenster in den klaren Winterhimmel. Während er da lag und ein paar Wölkchen beobachtete, die der Wind vor sich herschob, erschien erneut das Bild von Alex vor seinen Augen. Unwillig knurrend schloss der Vampir die Lider.
»Verdammt noch mal. Geh aus meinen Gedanken, Bengel.«