Die Nacht hatte ihren Mantel schon über das Haus am Ende der langen Gasse gelegt. Überall in der Stadt waren die Lichter in den Fenstern angegangen und es lag eine friedliche Stille über den Dächern. Aufgrund der eisigen Oktoberluft, hatten die meisten Menschen die Fenster fest geschlossen. Nur vereinzelt ließ jemand die Nacht in seine vier Wände. Jedoch warf keiner einen Blick in den Himmel oder auf die Straßen der Stadt.
Wäre es anders gewesen, so hätten sie eine in Schwarz gehüllte Gestalt bemerkt, die besagte Gasse entlang schlich. Es musste ein Mann sein, denn der altmodisch wirkende Mantel ließ breite Schultern erahnen. Niemand war unterwegs und so musste er sich nicht unnötiger Weise in den Schatten der Seitengassen verbergen. Er war hier zwar ein Fremder, doch sein Anblick hätte innerhalb kürzester Zeit die halbe Stadt aufgeweckt und die Medien, wenn nicht sogar die Polizei auf ihn gehetzt. Das hatte er wirklich nicht nötig. Als ihm bewusst wurde, dass die Absätze seiner Schuhe auf dem Boden klackten und die Hauswände ein Echo erzeugten, versuchte er leiser zu gehen, zu schleichen. Es war tatsächlich mühsam geworden unentdeckt zu bleiben in letzter Zeit, denn Überwachungskameras waren heutzutage schon überall.Endlich hatte er das Ende der Gasse erreicht und stand vor dem Haus, in das er zu gehen beabsichtigte. Das Fenster im Obergeschoss war sperrangelweit offen und ein herrlicher Geruch wehte heraus, gemischt mit Zimt und Wärme. Der Fremde in Schwarz zog seine Augenbrauen hoch und seine Stirn wirde faltiger als sie es schon war. Da war also heute sein Essen. Sie hätte das Fenster nicht geöffnet lassen sollen.
Das Buch, das Elvira las, was so spannend, dass sie seit zwei Stunden nichts anders tat als es zu verschlingen. Sie hatte vergessen zu Abend zu essen und auch die Fenster in ihrem Haus zu schließen. Der Horror-Roman war einfach zu fesselnd. Seite um Seite blätterte sie durch die Geschichte und fühlte sich mitten drin in all den Schatten, Geräuschen und unheimlichen Geschehnissen. Ein leises Knarren ertönte, doch die junge Frau schenkte dem keine Beachtung, das Buch war einfach zu spannend.
Er hätte sich verfluchen können! So ein Missgeschick war ihm schon lange nicht mehr geschehen. Zum Glück jedoch hatte seine 'Gastgeberin' nicht auf das Knirschen reagiert, das er verursacht hatte als er sich durch das Fenster auf die Dielen ihres Fußbodens geschwungen hatte. Nun kam es auf jede Bewegung an. Schritt für Schritt näherte er sich der jungen Frau, die auf ihrem Bett saß und ihm den Rücken zuwandte. Er versuchte den Holzboden so wenig wie nötig zu berühren. Einen weiteren Fehler konnte und wollte er sich nicht leisten. Endlich stand er hinter ihr. Sie roch so wundervoll, so süß, so jung und frisch. Genau das liebte er. Seine Handschuhe ausziehend dachte er schon daran, was er nicht alles mit ihr anstellen würde. Dann packte er zu. Ganz plötzlich umschlossen seine knochigen Finger den schmalen Hals der jungen Frau und ehe sie sich versah hatte er seine Fangzähne in ihrem Fleisch versenkt. Ein kaltes Verlangen machte sich in ihm breit. Er würde sie in sein Versteck bringen - hier wollte er sich keines Falls diesem Genuss hingeben.