Eine schaurige Stille lag über dem Gehölz, dessen Boden vor einigen Stunden noch als Schauplatz für eine grausige Schlacht diente.
Wie die Geister der gefallenen Krieger legte sich nun der Nebel gespenstisch um die Bäume und über die Männer, die ihr Leben gelassen hatten, und man konnte fast meinen, dass er die Toten sanft zur Ruhe bettete. Inmitten dieser Szenerie kniete Astrid, eine junge Frau neben ihrem Geliebten. Ihr Kopf ruhte auf seiner verwundeten Brust und sie lauschte seinem immer schwächer werdenden Herzschlag, bis der Brustkorb des Kriegers vollends aufgehört hatte sich zu bewegen. Seine Finger erschlafften um das Heft seines blutigen Schwertes, doch Astrid ließ nicht zu, dass er es losließ. Nur so konnte sie sich sicher sein, dass ihrem Liebster der Zutritt zur Totenhalle gewährt wurde, wo er zusammen mit seinen Brüdern und den Göttern feiern und trinken konnte. Wenn auch dieser Gedanke für sie nur ein schwacher Trost war. Sie nämlich blieb in dieser Welt zurück, gemeinsam mit seinem ungeborenen Kind, und diese Tatsache hinterließ einen krampfenden Schmerz dort, wo sie bisher nur gähnende Leere zu spüren glaubte. Ihr wurde auf einmal übel, doch sie dachte keinen Moment daran, ihren Liebsten auf dem Schlachtfeld so zurück zu lassen, wo sich Fuchs und Rabe über seinen Leichnam hermachen konnten, dass am nächsten Morgen nur noch seine blanken Knochen übrig waren.
Ein Gedanke, mit dem sie zweifelsohne nicht alleine war. Schnell hatte sich die Kunde ausgebreitet, die bestätigte, was Astrid und die anderen Frauen im Dorf schon lange befürchtet hatten. Und so war die kalte Luft erfüllt von Ächzen, Weinen und Gesängen, die die Männer auf die andere Seite begleiten sollten. Astrid versuche jedoch, all dies auszublenden, gefasst zu sein. Denn würde sie all den Einflüssen um sich herum Bedeutung zuschreiben, würde auch sie möglicherweise unter dem schmerzlichen Verlust zusammenbrechen.
Noch bevor die Sonne untergegangen war, wurde der Abendhimmel erhellt von dem Feuer, in dem die gefallenen Männer ihren Frieden fanden. Unheimlich knacksten und knisterten die Äste, und die Funken stiegen verheißungsvoll auf, als würden die Seelen der Verstorbenen ihre letzte Reise antreten, so, wie es immer in Erzählungen und Skaldenliedern verkündet wurde. Astrids Augen brannten vor Trauer, Schmerz und dem aufsteigenden Rauch, während sie den rhythmischen Gesängen im Hintergrund lauschte.
„Das, was war, aber nicht mehr ist, wohl aber seine Saat hinterlässt. Was ist, wird gewesen sein, was gewesen war, wird wieder sein. Das Blatt verwelkt, aber der Keim wird irgendwann wieder Früchte tragen, und die Erde wird wieder einen Sohn gebären.“
Als stünde die Seherin direkt neben ihr, so klar drangen die melodischen Worte an Astrids Ohr. Die Saat in der Erde wird ihr einen neuen Sohn schenken, diese Worte hallten beinahe schon höhnisch in ihrem Ohr wider, als sie sich ob des beißenden Gestanks an Ort und Stelle übergab.