Auslöser für diesen Text sind verschiedenste Gründe. Der erste ist meine persönliche Verarbeitung, der zweite ist das ‚von der Seele schreiben‘ und der dritte ist die Weitergabe von Erfahrungen an ähnlich Fühlende.
Recht kurz nach meiner letzten Beziehung meldete ich mich bei einer Dating-Platform an. Es dauerte nicht lange bis ich dein Bild auf meinem Bildschirm hatte. Bis heute empfinde ich dich als einen natürlich schönen Mann, der mich sehr anspricht. Wir schrieben eine Weile – jedoch löschte ich mich ohne Warnung vom Portal, weil ich meine bisherige Beziehung noch verarbeiten musste. Ich frage mich so oft, ob das mein Kardinal – Fehler war, dich schien das aber nicht allzu sehr abgeschreckt zu haben. Nach einiger Zeit suchtest du mich öffentlich per spotted und wir schrieben zum zweiten Mal. Diesmal ging alles schneller. An unserem ersten Treffen besuchte ich dich in deiner Stadt, wo wir beim herbstlichen Sonnenschein mehrere Stunden lang einfach nur spazierten und redeten. Auf dem Heimweg war ich so überzeugt davon, den Mann meines Lebens gefunden zu haben. In den folgenden Wochen verstärkte sich das Gefühl immer weiter. Du interessiertest dich für weltliche Themen und Harry Potter, du gehst jeden Tag im schicken Hemd zur Arbeit und bist der, der barfuß über ein Festival tanzt. Du bist am Wochenende gern bei deiner tollen Familie, wo du dich handwerklich austobst und eure gute Beziehung pflegst. Du bist gegen eine Selbstdarstellung im Internet aber schicktest mir und deiner Familie doch gerne Videos wie deine Balkontür sich plötzlich nicht mehr öffnen lässt. Du bist sentimental und vertrautest mir Persönlichstes an und kannst aber genauso mit mir lachen. Du strebst eine gute Karriere an und setzt dich ein im Job, erzählst aber auch gern von deinen Reisen und strebst neue an. Bis jetzt faszinieren mich deine Charakterzüge. Trotzdem unsere gemeinsame Zeit so kurz war, blieben viele intensive Momente und Erinnerungen. Zum Beispiel wie du mich – stilbewusst in Hemd – das erste Mal in deiner Wohnung empfingst und so eine besondere Vertrautheit zwischen uns herrschte, als ob es die Welt draußen gar nicht gäbe. Bis heute fasziniert mich an unserer damaligen Verbindung, wie natürlich und verständnisvoll wir von Anfang an miteinander umgingen, vor allem in ungewöhnlichen Situationen. Da war der Tag an dem ich was falsches gegessen hatte und du zuerst das Steuer meines Wagens übernahmst und später an einem Baum meine Haare hieltst während ich mich übergab. Du warst so verständnisvoll und fürsorglich als du mich dann bei dir absetztest, damit ich mich ausruhen und waschen konnte während du einkaufen warst. Diese Art zeigtest du auch, als du bei mir zuhause ein Vogelhäuschen repariertest oder mich an einem Samstagnachmittag mit deinem Motorrad besuchtest. Doch dann gab es da auch andere Seiten an dir. Du nahmst mich mit, zu einem Geburtstag sowie auch zu einem Umzug innerhalb deiner Familie. Deine Familie redete viel mit mir und von allen Seiten passe es, sie waren so nett und sympathisch und gaben uns durchweg grünes Licht. Doch nach einiger Zeit wurdest du anders zu mir, fast wie ein anderer Mensch, ließt mich oft stehen, ignoriertest mich, tatest als seien wir Bekannte. Es verwirrte mich und diese Art verstärkte sich zunehmend, du antwortetest spät oder gar nicht mehr auf Nachrichten, je mehr du mich ignoriertest, desto mehr zweifelte und klammerte ich. Dann gab es diesen Tag an dem ich früher als geplant aus deiner Wohnung verschwand, weil ich merkte, dass du nicht so ganz bei mir warst. Vielleicht löste das in dir den Vertrauensverlust aus, den ich bereits erlitten hatte. Bis heute habe ich den Verdacht, dass ich für dich nie einen hohen Wert einnahm, weil ich nicht im wirtschaftlichen Bereich tätig bin, Motorrad fahre oder einen starken Sport ausübe, wie du es bei einer deiner Verflossenen bewundertest. Die Wärme, den Respekt, den grenzenlosen Zusammenhalt, Treue, Loyalität und Abenteuerlust, die ich dir bot war irgendwie nie genug für dich.
Es war dann wohl aus, obwohl es nie wirklich ausgesprochen wurde, weil du dich nicht mehr meldetest - bis du mir an einem Morgen eine Viertel-stündige Sprachnachricht schicktest. Bis heute kenne ich sie streckenweise auswendig. Du sagtest, dass du viel überlegt hattest, ob du etwas oder jemanden vermisst, wenn ich nicht mehr da bin und zu dem Schluss kamst, dass du mich und unsere Gespräche und Themen und Insider vermisst und mir so viel mitzuteilen hast. Ich war glücklich und gleichzeitig verwirrt. Doch leider blieben diese Worte bloß Worte. Wiedergesehen habe ich dich nicht mehr.
Nun, ca ein Jahr nach dem allem wohne ich aufgrund eines Jobs durch Zufall in deiner Stadt. Ich wünschte ich würde dir irgendwann mal begegnen und vielleicht ein letztes Gespräch mit dir bekommen. Um endlich mal abzuschließen, um endlich mal zu erfahren, was aus deiner Sicht los war und warum wir nie miteinander sein werden. Bis heute frage ich mich, warum du dich so verhalten hast, dich einfach nie wieder gemeldet hast. Was gefiel dir an unserer Zeit nicht? Wie habe ich mich falsch verhalten? War ich zu klammerig oder zu distanziert? Warst du über eine deiner Exen nicht hinweg? War ich einfach nicht gut genug?
Ehrlich gesagt, könnte ich dich anschreiben und um so ein Gespräch bitten. Allerdings überwiegt bis heute ein ungutes Gefühl meinerseits. Ich erhalte mir lieber meine schönen Erinnerungen anstatt sie mit möglichen negativen Impressionen zu entmachten.