Ihr Angriff begann noch mitten in der Nacht.
Caspar hatte nicht viel geschlafen. Er rieb sich unablässig die Augen, während er Jane folgte, die alle mögliche Ausrüstung trug. Das Mädchen ächzte leise unter den Geräten, aber Caspars Angebot, ihr zu helfen, lehnte sie vehement ab.
Sie begannen damit, die Fallen um das Nest herum zu platzieren. Es sollten nur wenige Blatta entkommen, dafür wollten die Papilionis sorgen. Caspar trug die Stadtkarte und den Plan mit dem Grundriss des Gebäudes, auf dem die Position jeder Falle rot eingetragen war.
Die verlassene Kirche ragte vor ihnen auf, ein düsteres, gotisches Gebäude aus dunklem Stein. Caspar fragte sich, warum Menschen so bedrohliche Häuser bauen mussten. Hätte es nicht etwas freundlicher sein können?
„Hier“, sagte er, als sie die erste Tür erreichten, eine unscheinbare Holztür, die im Vergleich zu dem Haus und besonders zu den riesigen Pfoten an der Vorderseite wie eine Katzenklappe wirkte. Jane setzte die Gerätschaften ab und stöhnte leicht: „Was kommt hier hin?“
„Stolperdraht“, las Caspar aus dem Plan: „Und Explosiva an den Türbogen. Wenn eine Blatta hier durch rennt, löst sie das Dynamit aus und die Explosion lässt die Tür einstürzen.“
„Fies“, kommentierte Jane und suchte sich den richtigen Draht heraus.
Caspar stellte sich neben sie.
„Halt mal“, sie drückte ihm zwei Stangen Dynamit in die Rechte.
Caspar musterte die roten Stangen und überprüfte, dass das Schwarzpulver nicht beschädigt war. Dann betrachtete er den Torbogen und suchte nach den Schwachstellen, wo sie das Dynamit anbringen könnten.
Wenig später gab ihm Jane ein paar Seile. Caspar musste auf die Schultern des Mädchens klettern, um die Stangen am Stein zu befestigen. Danach legten sie den Stolperdraht aus.
„Irgendwie seltsam“, meinte Caspar.
Jane sah ihn fragend an.
„Nun ja, wir planen einen richtigen Angriff. Ich habe fast ein bisschen Mitleid mit den Blatta“, erläuterte er.
Jane verzog das Gesicht: „Sie sind böse!“
„Ja, aber sie haben es sich nicht ausgesucht. Sie waren mal ganz normale Menschen.“
Jane brummte: „Jetzt sind sie es nicht mehr.“
„Es fühlt sich trotzdem unwirklich an. Hast du sowas schon mal gemacht?“, fragte Caspar.
Jane nickte und zuckte gleichzeitig mit den Schultern: „Zuhause. War anders. Wir haben … Beute gejagt. Große Tiere.“
„Fallgruben und so, nicht wahr?“, fragte Caspar. Obwohl Jane aus der Zukunft stammte, war ihre Zivilisation fast identisch mit den Menschen der Steinzeit.
Sie zogen weiter. Im Laufe des Morgens verteilten sie beinahe fünfzig Fallen. Als die Sonne aufging, trafen sie sich mit Daria und Liam, die die Kirche auf der anderen Seite umrundet hatten. Daria war dagegen gewesen, dass sie sich aufteilten, aber sie hatten nicht genug Zeit gehabt, um die ganzen Fallen als ein Team aufzubauen. Und Liam hatte gesagt, dass sie als Teams zusammenbleiben sollten. Also waren die Kinder alleine losgezogen. Caspar war ziemlich stolz auf sich und Jane. Doch jetzt wurde er immer nervöser.
Daria sah sich wachsam um: „Sie müssen uns bereits bemerkt haben.“
„Warum greifen sie nicht an?“, fragte Liam nachdenklich. Er hatte seine Revolver gezückt und sah sich suchend um.
„Sind die Blatta nicht in der Kirche?“, fragte Caspar kleinlaut. Das letzte Gefühl von Sicherheit schwand.
„Das Nest ist in der Kirche. Aber in der Umgebung gibt es sicherlich Wächter.“
Caspar sah sich um, doch er konnte nichts entdecken.
„Sie hätten uns angreifen können?“, fragte Jane entsetzt.
„Jederzeit“, sagte Daria und warf Liam einen missbilligenden Blick zu. Sie war dafür gewesen, dass jeweils ein Erwachsener bei einem der Kinder blieb, obwohl Caspar und Jane die ungefährlichere Route genommen hatten.
Die unheimliche Stille ließ die Papilionis nervös werden. Sie zogen sich an den Rand des Platzes zurück. Hier, im Keller eines Gebäudes, sollten Caspar und Jane auf das Ende der Schlacht warten. Sie hatten noch keine Waffen, und zu wenig Kampferfahrung. Liam und Daria schlossen die Tür und verschwanden.
In dem düsteren Kellerraum setzte sich Caspar auf eine Holzkiste. Er seufzte.
„Was?“, fragte Jane.
„Ich wünschte, wir dürften mitgehen“, sagte Caspar nur.
Jane nickte zu seiner Überraschung: „Wir müssen sie beschützen. Aber sie sind stark. Kein Sorge, Caspar.“
Er lächelte schwach. Das war so leicht gesagt!
Jane knabberte an einem Fingernagel und lauschte an der Tür: „Sehr still.“
„Ja. Irgendwas ist anders. Das sagten schon Liam und Daria“, überlegte Caspar. Er fragte sich, ob das Auftauchen von Claudius etwas geändert haben konnte, etwa die Kampftechnik der Blatta.
Er machte sich Sorgen um seinen Vater. Was sollten sie tun, wenn die beiden Erwachsenen ebenfalls getötet wurden? Wer sollte dann noch die Blatta aufhalten?
Ein Knall ertönte. Jane fuhr zusammen, und auch Caspar richtete sich auf. Fernes Poltern folgte.
„Das muss eine der Fallen gewesen sein!“, murmelte er aufgeregt.
Jane warf ihm einen Blick zu, der im Zwielicht kaum zu deuten war.
Caspar wünschte sich einen Überblick über das Geschehen. Es war unfair, dass sie sich jetzt wieder verstecken sollten wie Kinder.
Er stand schwerfällig auf und humpelte zu Jane an die Tür. Sie konnten nichts hören.
Sollten sie es wagen, die Tür einen Spalt breit zu öffnen? Andererseits waren sie auch keine erfahrenen Kämpfer. Und wenn Caspar sich vorstellte, wie eine Armee von Blatta auf den Platz vor der Kirche strömte, war sein Bedürfnis, in dem Chaos umzukommen, gering.
Er wollte dennoch wissen, was vor sich ging. Die Ungewissheit zerrte am Meisten an ihm.
Ein seltsames, klimperndes Geräusch, ließ ihn herumfahren. Jane und Caspar starrten auf einen schwarzen Kasten, der urplötzlich mitten im Raum stand.
„Der Zeitkern!“, rief Caspar erschrocken.
Wie zur Begrüßung leuchteten ein paar rote Lichter auf dem Kasten auf.
Vor dem Zeitkern lagen zwei Waffen. Das eine war ein Knüppel, ein schwerer Ast aus grobem Eichenholz. Das andere war ein vielleicht unterarmlanges Fleischermesser.
„Woher …?“, fragte Jane.
„Das muss ein Hinweis sein“, rief Caspar aufgeregt und humpelte zu dem Kasten, um das Messer aufzuheben: „Los, Jane, wir müssen da raus!“
Das Auftauchen des Zeitkerns hatte seine Entscheidung fallen lassen. Egal, wie sehr er sich fürchtete, er konnte seinen Vater und Daria nicht im Stich lassen.
Jane folgte ihm und hob den Knüppel auf: „Wenn du meinst ...“
Er nickte entschlossen. Er war jetzt kein Kind mehr, und würde sich nicht wie Eines behandeln lassen. Draußen kämpften Liam und Daria vielleicht um ihr Leben, er konnte nicht tatenlos abwarten.
Jane stieß nach einem letzten Blick zu ihm die Tür auf und sie stolperten in helles Sonnenlicht hinaus.
Der Platz war wie leergefegt. Nicht einmal ein Vogel oder ein anderes Tier zeigte sich auf dem Kopfsteinpflaster, weder Menschen noch Blatta waren zu sehen. Es gab keine Spuren eines Kampfes, nur ein Teil des Gebäudes war eingestürzt.
Atemlos sahen Caspar und Jane in den Tag hinaus und blinzelten, damit sich ihre Augen an das grelle Licht gewöhnen konnten.
„Paps?“, rief Caspar und verstummte sofort wieder, weil seine Stimme so dünn klang.
Jane drehte sich zu ihm um: „Was geht hier vor?“
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Caspar gedämpft und humpelte geduckt auf den Platz. Es war nichts zu hören. Man könnte die Stadt für ausgestorben halten.
Caspar blieb regungslos stehen und lauschte. Jane tat es ihm gleich. Zuerst hörten sie nichts.
Dann nahmen sie ein leises Kratzen wahr, das von weither zu stammen schien. Es schwoll immer mehr an, ein bisschen wie aufkommender Wind. Caspar spürte ein Kribbeln am ganzen Körper.
Nein, die Erde zitterte.
„Hoch“, flüsterte Jane ihm zu und zog ihn mit sie. Sie lief in das nächste Gebäude, das Treppenhaus hinauf. Caspar stolperte ungeschickt hinterher und fiel nur deshalb nicht um, weil Jane ihn hielt.
Sie erreichten eine Tür, die auf das Dach führte. Jane kletterte hinaus, Caspar folgte ihr.
Das Haus war zwei Stockwerke hoch. Es zitterte und bebte jetzt, als würde ein Erdbeben stattfinden. Irgendwo hörten die beiden Kinder Menschen schreien.
Aber es war kein Erdbeben, wie Jane richtig erkannt hatte. Plötzlich brach der Boden in der Mitte des Platzes aus, und heraus wimmelten die Blatta wie Ameisen.
Innerhalb von Sekunden glich die Welt um sie herum einem brodelnden Hexenkessel. Der Platz und die Straßen verschwanden in einem dunklen Gewimmel von Armen, Beinen und Körpern. Missgestaltene Blatta gruben sich aus der Erde. Sie kreischten und schrien wie ein ganzes Irrenhaus.
Caspar verlor fast den Halt, als das Haus schwankte. Die Erde unter der Straße war durchzogen von Höhlen und frisch gegrabenen Gängen.
Es waren unzählige Blatta. Milliarden, vielleicht Tausende. Caspar und Jane hielten auf dem Dach mühsam das Gleichgewicht.
Plötzlich waren sie in der Hölle.
Das Haus neigte sich nach vorne. Auf dem schiefen Dach schlitterten die beiden Kinder nach vorne. Das Wohnhaus setzte zu einem Kopfsprung in das nicht sehr einladende Gewimmel auf dem Platz an.
„Caspar!“, rief Jane, schnappte sich seinen Arm und grub die kurzen Finger dann in eine weiche Stelle des Mörtels. Im nächsten Moment krachte das Haus nach vorne. Caspar verlor den Boden unter den Füßen und ein harter Ruck ging durch seine Schulter, als Jane ihn festhielt. Das Mädchen knurrte grimmig. Sie baumelten nur an ihren Fingerspitzen.
Die Blatta starrten das Gebäude hoch. Einige waren von dem Stein begraben wurden, andere musterten die beiden Kinder jetzt neugierig.
Dann strömten sie auf sie zu.
Caspar zappelte an Janes Arm: „Zieh uns hoch!“
Ihr Griff um sein Handgelenk verstärkte sich. Mit einem wortlosen Brüllen zerrte sie an ihm.
Jane hatte sein linkes Handgelenk gepackt, weshalb er sich nicht an ihr festhalten konnte. Er merkte, wie ihre Finger über seine Haut rutschten.
Doch in der Rechten hielt er noch das Messer. Ohne nachzudenken warf er sich herum und stieß das Metall in das weiche Material, aus dem das Dach war.
Das Messer hielt wie ein Kletterhaken. Caspar zog sich mit einer Kraft nach oben, die er niemals erwartet hatte und hing wenig später nah bei Jane, den Messergriff unter der Achsel. Beide suchten mit den Füßen verzweifelt nach Halt.
„Da!“, Jane zeigte zur Seite. Nicht weit entfernt ragte eine verbogene Metallstange aus der Häuserwand.
Caspar biss die Zähne zusammen: „So weit komme ich nicht!“
Jane kletterte bereits über das schräge Dach, behände wie ein Äffchen. Sie erreichte die Stange und fand dort offenbar Halt: „Spring. Ich fange!“
Caspar stützte sich auf das Messer. Seine Muskeln zitterten. Hinter sich hörte er das Knurren und Zischen der Blatta, eine seltsame Mischung aus menschlichen und tierischen Lauten. Er merkte, wie das Messer sich bereits aus dem Mörtel löste.
„Los!“, schrie Jane.
Das Messer rutschte aus seinem Loch. Caspar fiel nach hinten und stieß sich verzweifelt mit den Füßen in Janes Richtung ab.
Er flog durch die Luft, das Messer in der Hand war sein einziger Halt. Hinter sich hörte er das Rumpeln von Steinen, die in die Tiefe fielen.
Dann schloss sich Janes Hand um seinen Oberarm. Im nächsten Moment schlug er mit dem Magen gegen die Stange und alle Luft wurde aus seiner Lunge gepresst.
Er keuchte auf.
„Cas?“, fragte Jane.
„Das war super!“, lachte er und schwang sich so herum, dass er auf der Stange hing und trotzdem atmen konnte: „Das war so cool!“
Er blickte auf. Jane, die neben ihm hing, sah ihn verdutzt an: „Cool? Das?“
Caspar grinste breit und nickte.
Das Haus stürzte hinter ihnen ein. Die Kinder retteten sich im letzten Moment durch ein Fenster in das nächste Gebäude. Das Innere zeigte die Spuren einer hastigen Flucht. Auf einem Esstisch waren Teller mit Essen zurückgeblieben. Während sie nach dem Ausgang suchten, probierte Jane ein Stück von dem Brot und kaute nachdenklich.
„Süß“, sagte sie.
Caspar warf einen Blick auf den Tisch: „Honig. Kennst du keinen Honig?“
Jane schüttelte stumm den Kopf. Caspar erinnerte sich, aus welcher Zeit sie kam.
„Wenn das hier vorbei ist, holen wir uns ein Glas Bienenhonig, versprochen.“
Jane lachte und leckte sich die Finger ab: „Gerne!“
Sie liefen wieder auf das Dach. Die Straßen waren geflutet mit Blatta. Caspar folgte Jane und hielt Ausschau nach Liam und Daria. Sie mussten doch noch irgendwo sein. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte, wie die beiden in dem Chaos auf den Straßen überleben sollten.
„Wo seid ihr?“, murmelte er leise vor sich hin. Sein Herz schlug schnell vor Angst.
Jane warf ihm einen Blick zu und drückte leicht seine Hand, die sie die ganze Zeit hielt, damit sie nicht getrennt wurden.
Das Haus unter ihnen bebte nicht. Offenbar waren die Blatta damit fertig, den Boden zu untergraben. Die Häuser am Rand des Platzes, ihres Fundamentes beraubt, schwankten. Irgendwo brach eines krachend zusammen.
Unter ihnen wimmelte ein unübersichtliche Menge, aber glücklicherweise schienen die Blatta nicht damit beschäftigt zu sein, nach zwei kleinen Kindern auf dem Dach zu suchen.
Tatsächlich schien sich die Masse um die Kirche zu zentrieren.
„Warte mal“, sagte Caspar zu Jane und hielt an. Er sah auf die Kirche. Eigentlich hatte er abgenommen, dass die Blatta ihr Nest schützen wollten. Aber in Wahrheit umkreisten sie das Haus, ohne hinein zu dringen. Sie schlossen die Türen und krabbelten übereinander.
Als würden sie etwas im Inneren halten wollen.
Jane folgte seinem Blick. Er sah an ihrer gerunzelten Stirn, dass sie nicht verstand.
„Sie schützen das Nest nicht mehr“, erklärte er: „Sie riegeln es ab. Ich – ich wette, Paps und Daria sind da drin!“
Jane wurde blass, soweit er das bei ihrer dunklen Haut beurteilen konnte.
„Das ist schlecht!“, sagte sie.
Caspar lachte trocken auf: „Schlecht ist gar kein Ausdruck! Wir müssen zu ihnen!“
Janes Blick war zweifelnd: „Das schaffen wir nicht!“
Caspar atmete tief durch. Sie hatte Recht. Sie könnten sich niemals durch diese Masse an Blatta kämpfen. Das wäre Selbstmord.
Er konnte den Blick nicht von der Kirche abwenden. Was, wenn Liam und Daria dort in der Falle saßen? Er strengte seine Augen an. Wenn er nur wüsste, wo die Erwachsenen waren!
„Cas“, drängte Jane: „Lass uns gehen!“
Eine Bewegung auf dem Dach der Kirche erweckte Caspars Aufmerksamkeit. Eine einsame Gestalt wankte auf das Dach.
„Da!“, schrie er und deutete auf den Menschen. Es war kein Blatta, obwohl die ferne Gestalt auffällig hinkte.
„Liam“, sagte Jane tonlos. Sie starrte Caspar an: „Du hattest recht!“
„Wo ist Daria?“, fragte Caspar leise. Ein Vater schien ebenfalls verletzt zu sein. Was war passiert?
Sie mussten auf das Dach gelangen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Blatta Liam erreichen würden. Die Kirche zitterte, als würde ihr Fundament zerstört.
Caspar sah sich gehetzt um. Sie brauchten einen Weg auf die Kirche. Irgendeinen Weg.
Er sah etwas, ein langes Seil, das sich über den Platz spannte. Vielleicht wurde es dafür genutzt, an Feiertagen Fahnen aufzuhängen, oder waren aus einem anderen Grund dort.
Es war jedenfalls ihre einzige Hoffnung.
„Da“, schrie Caspar und deutete auf die Leine. Jane nickte und lief wieder los, er folgte ihr. Die Leine hing am Nebengebäude. Ein beherzter Sprung über eine schmale Gasse ließ die beiden auf dem knarrenden Dach landen.
Jane sprang zuerst auf das Seil und kletterte los, wieder einmal geschickt wie ein Äffchen. Caspar schob das lange Messer in den Bund seiner Hose, griff nach dem Seil und schlang die Beine darum. Während Jane sich schnell vorwärts bewegte und fast nur an ihren Armen hing, kroch Caspar ihr hinterher, eng an das Seil geklammert und so ungeschickt, dass er trotzdem mehrmals fast gefallen wäre.
Jane zog ihn auf der anderen Seite auf das schiefe Dach. Die Kirche war ein langgestreckte Gebäude, und sie mussten ein ganzes Stück rennen, bis sie hinter einem Türmchen keuchend die Stelle erreichten, an der sie Liam gesehen hatte.
Es war Niemand zu sehen. Die Schindeln waren verlassen. Caspar drehte sich im Kreis.
„Da, eine Tür!“, rief Jane und deutete auf eine flache Luke, die nicht weit entfernt offen stand. Caspar stolperte auf die offene Falltür zu.
In der Dunkelheit darunter bewegte sich etwas, dann blitze Metall auf. Caspar sprang zurück, als eine erschrockene Stimme seinen Namen rief.
Er spähte wieder in das Dämmerlicht. Liam saß in einer kleinen Kammer, die doppelläufige Schrotflinte auf den Eingang gerichtet.
„Caspar!“, rief er nochmals: „Ich hätte dich beinahe erschossen! Was tust du hier?“
Caspar sprang durch die Öffnung, kam ungeschickt auf und stolperte zu seinem Vater. Liams Seite war blutüberströmt. Neben ihm lag Daria auf dem Boden, offenbar bewusstlos.
„Paps! Was ist passiert?“, fragte Caspar und schreckte vor der Wunde zurück.
Liam lächelte grimmig: „Die Blatta sind intelligent geworden. Ihr Nest war unter der Kirche, das Gebäude war nur eine Falle.“
Er sah auf, als auch Jane in den kleinen Raum sprang, der offenbar dazu gedacht war, die verschiedenen Seilzüge der Glocken zu warten.
„Was tut ihr hier, Kinder? Sie werden uns gleich überrennen!“
„Ihr müsst hier weg!“, widersprach Caspar. Jane schwieg und starrte auf die Wunden, die Liam und Daria bedeckten.
„Ihr versteht das nicht“, sagte Liam: „Sie haben uns in unsere eigenen Fallen gejagt. Sie sind zu intelligent und zu viele! Wir müssen sie aufhalten!“
Liam deutete auf etwas, das neben ihm lag. Caspar schnappte nach Luft, als er einen riesigen Haufen Explosiva erkannte.
„Paps, was hast du vor?“, fragte er unsicher.
„Ich warte, bis die Blatta hierhin kommen“, sagte Liam grimmig: „Und dann jage ich die Mistkerle in die Luft!“
„Das – nein!“, Jane rang nach Worten. Auch Caspar schüttelte sofort den Kopf.
„Geht!“, schrie Liam sie an: „Bevor sie uns umkreisen.“
„Ich lasse dich nicht zurück!“, rief Caspar: „Ich –“
Liam schnitt ihm das Wort ab: „Du wirst tun, was ich dir sage, Caspar! Ihr müsst entkommen. Wenigstens ihr.“
„Nein!“, sagte Caspar und trat vor. Mit einer schnellen Bewegung trat er Liam das Gewehr aus der Hand: „Du wirst nicht den Helden spielen!“
Hinter dem Rücken streckte er eine Hand nach Jane aus. Sie verstand. Er fühlte ihre kurzen Finger in der Handfläche und hörte, wie sie sich neben Daria fallen ließ.
Über ihnen kratzte etwas. Liam sah Caspar mit einem wahnsinnigen Ausdruck an, als er sich das Gewehr erneut schnappte: „Ich werde die Blatta vernichten!“
Liam schoss auf den Haufen aus Dynamit. Im gleichen Moment packte Caspar seine Schulter und schloss die Augen.