Sie nahte. Unaufhaltsam wie wiederkehrend. Immer wieder und jedes Jahr erneut zu beinahe derselben Zeit. Immerfort, vor den kalten Jahreszeiten und darauf folgend der sommerlichen Wochen.
Es war die Weile der Pflege, des Ruhens und der Instandsetzung. Für andere begann während dieser Spanne das auf- wie vorbereiten bevorstehender arbeiten, bei den übrigen neigte diese sich dem Ende. Worauf hingegen sich allesamt freuten, waren die Abende.
Das Himmelszelt senkte sich früher denn je und lud müde Tatenkraft ein, sich ihm anzuschließen. Wahrhaftig, jene Leute, die Arryn kannte, mochten eben diese Jahreszeit am liebsten und das nicht nur, weil die Natur mit allen erdenklichen Farben zu spielen wusste. Der Herbst war nicht nur ein buntes Treiben. Es war so vieles mehr.
Feuer wurden eher entfacht, die zum Kuscheln und beisammen sein luden. Festliche Zusammenkünfte, um die geschaffte Ernte als Dank darzulegen. Gelage, denen oftmals die Männer gern wie ausschweifend zelebrierten. Die Kinder. Jungen wie Mädchen, bis zu ihrer Reife, hielten sich zuweilen bei ihren Müttern und den Alten auf. Selbstredend gingen sie ihren Aufgaben nach. Allesamt dienten ihrer Erziehung und Anstand, wobei Zeiten des Spielens, des Tollens so des Zuhörens niemals zu kurz kamen.
Geschichten gab es ausreichend zu erzählen, auch wenn viele davon sich desselben Ursprungs bedienten. Hörte man oft genug zu, gar hin, vermochte man fürwahr gleichartige Inhalte heraushören, wenngleich ein anderer ein augenscheinlich eigenes Geschehen zu verraten wusste.
Am liebsten lauschte Arryn denen, die von der Heimat berichteten. Ja genau, den Knaben, so Jung er auch sei, interessierte sich ausgerechnet für jene Geschichten, die etwas von dem preisgaben, worauf er lebte und dereinst vorhatte, vollends zu bereisen.
Er wusste, vieles von dem, was die Alten ihm und den anderen erzählten, mochte der Wahrheit entspringen. Ihm war hingegen bewusst, dass einiges davon ebenso der Fantasie geschuldet blieb. Immer dann, wenn Großvater seine Messer niederlegte und die Hände säuberte, beriet er sich mit ihm und wägte ab. Er genoss die Zeit mit ihm, auch wenn diese vornehmlich in den Abendstunden ein Ende fand.
Es gab da schließlich noch seine Mutter. Jener Mann, dem er verdankte, in ihrem Leib heranwachsen zu dürfen, war nicht mehr. Berufen als künftiger Botschafter ferner Küsten, verstarb er auf hoher See. Kaum das seine Mannschaft damals die Planken eines Großseglers betraten, zogen ungünstige Winde auf. Wochen nach ihrem Auslaufen spülte die See Teile eben jenes Schiffes an Land. Zahlreiche Matrosen, aufgedunsen durch Wasser und Sonne, sorgten für Trauer und Verlust. Der Rest der Besatzung, welche die für sich behielt, ruhte auf ewig am Grund des Meeres.
Arryn würde seinen Vater leider niemals kennen lernen und hatte sich diesen daher oftmals in Träumen vorgestellt. Wie er wohl zu Lebzeiten war? Wie er ausgesehen haben mag?
Er stand ihm nicht wirklich nahe und vermochte sich nicht weiter vorzustellen, wie es wäre. Er sah die Liebe zwischen Eltern und deren Kindern ausschließlich anderswo. Was ihm zugegebenermaßen schmerzte, war, wie deutlich seine Mutter daran zerbrach. Still und vollkommen abwesend saß sie einfach nur da. Egal wohin man sie setzte. Allein würde sie nicht einmal mehr trinken noch essen. Es war Brica, seiner Ziehtante, zu verdanken, dass er tagsüber sowie ab und an des Nachts bei seinem Großvater im Nachbardorf verweilen durfte.
Er begleitete Ighert bereits seit seinem fünften Lebensjahr und ließ sich im Handwerk des Pfeilmachers unterweisen. Mittlerweile war er ausreichend geschickt in seinem Tagwerk, sodass sie sich während ihrer Beschäftigungen oftmals über allerlei Dinge unterhielten.
Am liebsten sprach er mit seinem Großvater über vergangene Epochen. Allen voran über jene, die waren, vor der Zeit des Waffenfriedens und sogar weit davor. Er wusste darum, dass Kriege als unumgänglich galten; musste man solche deswegen verherrlichen gar mögen?