Deutlich angenehmer. Mit Läden verschließbare Fenster. Bilder mit Szenarien aus umliegenden Landschaften und zahlreiche Regale, gefüllt mit Schriftrollen, Büchern und Folianten. Ein geräumiger Tisch aus poliertem Holz, ein wuchtiger Armlehnenstuhl für den König und bequeme gepolsterte für Geladene gegenüber. Interessant und Aufmerksamkeit erhaschend schien die Oberfläche des Tisches. Kunstfertige Hände hinterließen darauf Landes- und anliegende Grenzflächen Hewes als Schnitzwerk.
Gefällig saß der Herrscher mit einem szenengravierten Pokal haltend da und schwenkte diesen vor seiner Nase. Der Geladene hingegen ließ seinen Kelch unberührt. Er trinke niemals zu Tageszeiten, habe er beteuert. Spätestens dann, wenn die Trinkgefäße abgeräumt werden, würde sich jemand um den erlesenen Inhalt kümmern.
»Nun Hauptmann? Oder soll ich euch nennen, wie andere es tun?«
»Schwarzer Hauptmann ... Klingt nicht wirklich sinngemäß. Wir sind keine Kinder, die sich balgen, Hoheit.«
»Mmh. Nein, das sind wir wohl wahrhaftig nicht. Ihr habt mit zugesagt, ich wäre eines Großkönigs würdig. Ihr bedürftet lediglich diverser Zusprachen und Eingeständnisse. Mittlerweile reichen eure Bestrebungen weit über das Hafenviertel hinaus und habt mehr als die Hälfte dessen als euer Refugium bestimmt. Unzählige Handwerker gehen dort ihrem Tagwerk nach. Rüsten ein, bauen nach euren Vorgaben. Reißen ein und bauen anderweitig wieder auf.«
»Hoheit«, begann besagter Hauptmann in Schwarz. »Qedrela wird nicht auf ewig unerkannt und unentdeckt bleiben. Eure prächtige Stadt ist aus dem Landesinneren heraus nur schwer bis gar nicht einnehmbar. Um diesen Umstand auch von Seeseite her sicherzustellen, bedarf es Anpassungen. Und nicht nur das. Wollen wir ... ich meine ... wollt ihr euren Machteinfluss über kurz oder lang erweitern, muss Weiher bereit sein, Stärke zu zeigen.«
»Leider wird dem so sein. Dass das Land über so viele Jahrzehnte hinweg für sich allein stand, grenzt an ein Wunder. Niemand vermag heutzutage zu bestimmen, aus welcher Richtung wir einst kamen, noch von welchem Ort. Unbestritten hingegen ist, dass ihr uns fandet und somit steht außer Frage, dass auch andere uns finden werden. Unser Volk floh einst vor dem Krieg und errichtete sich ein neues Leben. Nun scheint uns das Alte einholen zu wollen.«
»Eben aus jenem Grunde müsst ihr Volk und Land schützen.«
»Weswegen seid ihr gekommen? Ihr spracht von weiteren Schiffen.« Die Frage klang ein wenig vorwurfsvoll, als die Lippen den Rand des Pokals erreichten.
Anstatt sogleich zu antworten, nickte der Hauptmann. Offenkundig für jeden Betrachter, der ihn in Augenschein nehmen würde, läge es auf der Hand, dass dieser nach den rechten Worten suchte. Die Stimme des schwarz Gekleideten klang hörbar Matt. »Auch wir flohen. Ähnlich wie eure Leute einst. Wir wissen darum, dass jene, die euch vor geraumer Zeit vertrieben, recht nachtragend sind. Sie werden einfallen und ihre Banner hissen, wenn wir ... ihr es nicht verhindert.«
»Das waren eure Worte. Eingangs, vor nunmehr mehreren Monaten.«
»Und so klingen sie noch immer. Hoheit.« Der Sprecher faltete seine Finger ineinander. »Wir bieten nicht nur einen Weg zu dem, was euch zusteht. Auch wir sind gewissermaßen auf der Flucht.«
»Und aus diesem Grunde liegen fernab unserer Fahrtrouten weitere eurer Schiffe. Bereit zu tun, was ihr ihnen auftragt. Bereit unter meinem Banner und meinem Geheiß zu agieren? Ihr bietet mir eure Flotte?«
Seltsamerweise und irgendwie vom König gewünscht, dauerte die Antwort eben nicht länger als vier Atemzüge. Sein Gegenüber ließ sich fahren. Wirkte geschlagen und übermannt. Dennoch nickte er und hauchte seine Zustimmung. »Wir wollen nur in Sicherheit leben. Eines Tages, wenn ihr seid, dessen Weg wir beschreiten, werden wir entweder eins; einen Landstrich besiedeln, den ihr uns zutragt oder ...«
»Oder?«
»Wieder gehen. Qedrela verlassen und darauf hoffen, eine andere Heimat zu finden.«
»Einfach so?« Des Königs Brauen hoben sich, sodass dessen Stirn Falten warf.
»Wen dem so sein wird, haben wir keinen Weg zueinander gefunden. Wir haben sodann einige Zeit ohne Verfolgung verbringen dürfen und wer weiß, vielleicht haben meine Schiffe als auch eure Fischer ein Land entdeckt, auf dem wir dann ein eigenständiges Leben führen können.«
»Darüber werden wir reden, wenn es so weit ist. Euer Ansinnen scheint mir recht. Lasst sie kommen. Wer weiß schon, wie lange die armen Seelen auf See ausharren.«
»Habt Dank, mein König. Meine Unterstützung sei euch gewiss.«
»Wie gehen wir vor?«
Der Hauptmann lehnte sich vor und versuchte Weihers Machtvorsteher offenkundig zu durchschauen. Er nickte, als er sah, was auch immer er sehen wollte. »Was würde es eurem Einfluss zutragen, herrschtet ihr über die Küstenstädte? Lullin, Weiher und Hewe? Wenn euch die Ebenen des Plateaus von Naporia unterstünden?«
»Ihr sprecht vom gesamten Südosten.« Die Lippen schoben sich vor, als überlege er, den schwarz Gerüsteten zu küssen. Der Blick verschärfte sich, wie bei einem Raubtier, welches Witterung aufnahm. Schnurrhaare, verfüge dieser Mann über solche, würden vor Vorfreude erzittern.
»Die Hügelkuppen, auch die Giftsteppen wären nichts weiter als ein Wimpernaufschlag einer bereitwilligen Prostitution. Im Vorbeimarsch würden sich deren Könige unterordnen. Entscheidet selbst, ob ihr sie als Vasallen halten oder aufknüpfen wollt.«
»Schöne Bilder zeigt ihr mir auf, sofern da nicht das Marschland wäre. Die Bereitwilligkeit der Bergsippen ist diesem seit dem verrückten König unanfechtbar sicher. Stamford verfügt über ein mächtiges Heer.«
»Es liegt an euch. Wenn alle Reiche sich einen. Sich Eurem Wort beugen, wird es niemals wieder einen verrückten König geben, solange ihr es nicht duldet. Der Schlüssel zum vollendeten Sieg ist und bleibt die Besetzung der alten Grenztürme.«
Alle zuvor auferlegten Siegeszüge wichen einem einzigen Moment. Was war es, das dem König die Gelassenheit so ohne weiters zu rauben in der Lage war? »Die ... diese uralten Türme? Wie sollen diese einem Sieg zielführend sein oder werden? Sie gehören uns nicht einmal und müssen geräumt werden, sobald ›Hort‹ sich erhebt.«
»Mein König, allem was ich über diese Gemäuer gelesen und gehört habe, kann mit der Realität nichts zu tun haben. Beflügelte Wesen, groß wie das Schiff, das unten vor Anker liegt? Drachen? Ernsthaft?«
»Es sind nicht nur Sagen, Hauptmann. Innerhalb der einzigen Klamm durch dieses unwegsame Gebirge liegen und rotten Überreste eines solchen. Dessen Ausdünstungen sind die Ursache der Giftsteppe. Wenn die roten Heerscharen reiten, sind wir auf Grundlage uralter Verträge dazu angehalten, diese Türme frei zugeben.«
»Ihr sagtet es eben selbst ... angehalten. Eingeborenenstämme können euch nicht ... zu gar nichts ... zwingen. Niemand weiß auch nur ansatzweise zu erklären, woher diese angeblichen Kämpfer kamen. Soweit ich informiert bin und meine Späher zu berichten wissen, gibt es keinen Weg auf diesen unseligen Berg. Wer, wenn nicht ihr wisst es besser?«
»Ihr mögt Recht haben gar behalten. Erwiesenermaßen gibt es nach heutigen Erkenntnissen wahrhaftig keinerlei Zuwegungen. Die wenigen Stämme, die innerhalb seiner Grenzen leben, sind keine Gefahr. Sie werden ebenso wenig eine schlagkräftige Armee auf die Beine stellen können, selbst wenn es eine Möglichkeit gäbe, dort hinaufzugelangen.«
Dem gab es nichts hinzuzufügen und so schwieg der schwarz gerüstete Hauptmann. Dieser faltete die Finger erneut einander und beobachtete und lauschte. Die Saat war ausgebracht.