»Ein Bier mein Freund?«
Ighert winkte ab. »Auch kein Wein.« Seine Stimme klang ermattet. »Danke Alam. Nein, ich bin zu aufgewühlt und weiß nicht recht.«
»Du fürchtest dich vor dem, was sein könnte«, stellte der Verkünder fest. Er wusste nicht, worum es im Allgemeinen ging, aber der Wunsch seines alten Freundes, sich einen Braunen zu borgen, klang Besorgnis erregend genug. Bereits in dem Moment, als es aus der Tür trat und die Zwei da stehen sah, bemerkte er, dass etwas nicht stimmen konnte. Den Bogner, den er einst glaubte zu kennen, würde niemals seine stolze Shalti vor den Karren spannen. »Erzählst du es dem alten Zausel aus freien Stücken oder muss ich nachbohren?« Fragend hob sich eine Braue und er senkte mit einer urig verzogenen Schnute den Kopf. Besäße diese beklemmende Situation nicht diese vehemente Ernsthaftigkeit, das Gesicht wäre Ighert eine willkommene Abwechslung. Einem Schmunzeln zweifelsfrei wert.
Die Rechte ballte der Bogner zur Faust, ganz so, als wolle er diese benutzen. Seine Züge blieben ausdruckslos, während ihm die Gelenke knackten.
»Alter Freund«, begann Alam. »Tut das nicht weh? Die Knöchel schauen bedenklich blass aus.«
»Lass das. Es ist verdammt ernst ... leider.«
Besorgnis erregend musterte Alam seinen Freund und schnalzte. »Dann erzähl mir, was dich betrübt. Gemeinsam finden wir den rechten Weg.«
Er kam der Aufforderung nur zu gern nach, brauchte er doch dringend einen Zuhörer. Jemanden der da war. Still dasaß und zuhörte. Was wäre wenn ...
Beinahe jeden Schritt, einfach alles, was er beobachten und hören konnte, berichtete er. Irgendwie schien allesamt wichtig gewesen zu sein und nichts durfte seinem Gedächtnis entrinnen. Interessiert aufgesehen hatte Alam jedoch erst in jenem Moment, als die Karacke zur Sprache kam, wie auch die offensichtliche Flucht dieses armen Teufels.
»Alam. Wir beide kannten den Geköpften.«
»Wer war es?« Schwer stützte der Glaubensvorsteher sich auf seiner Gehhilfe. Seine Stimme klang mittlerweile verbraucht und schwach. Das Gehörte schien den Mann mehr mitgenommen zu haben, als angenommen. Er war Alt, zweifelsfrei aber dessen Geist war hellwach und so manchem Voraus.
»Ein gut Betuchter aus dem Händlerviertel. Er bot Schmuck für die einen und Tant für die übrigen. Meiner Meinung nach war der Mann stets anständig und ehrlich.«
»Mmh. Was sie wohl von ihm wollten?«
»Baltha erzählte mir, dass in letzter Zeit Leute verschwinden. Einfach so.«
»Hauptmann Baltha?« Die Falten auf Alams Stirn vertieften sich sichtlich und sein Blick wirkte befremdlich. Mit der gesunden Hand wischte er sich durchs Gesicht. »Ighert. Oh mein lieber Ighert. Ihr hättet nicht herkommen dürfen. Dieser Halunke hat vermutlich Recht. Mehr als uns Lieb sein sollte. Seit diese Fremden ankamen, befindet sich einiges im Wandel. Der König hat sich verändert.«
Alam erklärte dem Bogner, was ihm zu Ohren kam und welche Befürchtungen in ihm keimten. Er ließ sich nochmals den Aufbau des Schiffes, dieser Karacke, erklären und wie sein Freund auf die Ausbesserung aufmerksam wurde. »Du hattest schon immer einen Blick für Zufälle und deren Ungereimtheiten«, bestätigte Alam. »Wie dem auch sei. Ich bitte dich nicht, ich flehe dich an. Sei im Namen aller Gottheiten bloß vorsichtig. Wir brauchen Gewissheit, keine Mutmaßungen. Wenn dem wahrhaftig so sei, würde dies sämtliche Thesen widerlegen, an welchen wir bisweilen noch glauben und hoffen mögen.«
»Aber ... es gibt sie.« Ighert flüsterte mehr, als das er mit seinem ansonsten festen Timbre aussprach, was er dachte.
»Ja. Ja du hast vermutlich ebenso Recht, mein Freund. So zumindest noch einen. Dein Enkel ...« Der Verkünder holte tief Luft und sah seinem Gegenüber in die Augen. »Der Junge ... Arryn. Er könnte der Letzte sein. Womöglich ist dies der Grund.«
»Du meinst ...«
»Dass du vorsichtig sein musst. Schinde Zeit und lasse es mich wissen. Wir brauchen dringend Gewissheit.«
Der Bogner nickte, erhob sich von seinem Platz und ging hinüber zur Tür.
»Ighert?«
Angesprochener blieb stehen, drehte sich jedoch nicht herum. Er wusste, was zu tun war und dass notfalls für Arryn gesorgt würde. Er war sich dessen vollkommen sicher.
»Komm heil und gesund zurück.«
Ein Seufzer begleitete den letzten Schritt durch die Tür hindurch.