Ein Mann trat heran. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen sah er sich um. Sein Blick umfasste all die fleißigen Arbeiter, die seinem Geheiß folgend, die ausgearbeiteten Pläne verwirklichten. Zufrieden nickte er und erlaubte sich den linken Mundwinkel zu lupfen.
Wahrlich, was doch so manch geflüstertes Wort bewirken vermochte. Wahrlich oder erstaunlich? Diese Frage stellte sich ihm bisweilen nicht. Diese Unwürdigen taten, was ihnen aufgetragen wurde. Stets und seit jeher. So wart es überliefert, so stand es ihm zu.
»General Darco«, ein ebenso wie er, in schwarzer Platte Gerüsteter, kam herbei und kniete vor dem Neuankömmling auf einem Knie nieder. Sein Haupt senkte sich ehrfürchtig.
»Steh auf Unterführer«, grollte der offensichtliche Anführer zwischen geschlossenen Zähnen hervor. »Solange unser Banner nicht weht, müssen wir alle Zurückhaltung wahren.«
Eiligst folgte der Soldat der eindringlichen Worte und neigte verstehend den Kopf. »Verzeiht Herr ...«
Jener, der auf den Namen Darco zu hören schien, hob fragend die Brauen. Sein gegenüber bemerkte dies noch rechtzeitig und beendete den Satz entsprechend. »Hauptmann.«
»Wie steht es um unsere Bemühungen?« Darco schritt voran, in Richtung eines steinernen Gebäudes, das einer kleinen Burgenanlage glich. Zuvor befanden sich an diesem Ort das Hafengebäude wie auch einige Lagerhallen. Es waren die ersten sichtlichen Veränderungen, die der König erliess und die schwarz gerüsteten Männer beaufsichtigten. An Stelle der vorherigen Errichtungen fand man nunmehr ein wehrhaftes Gebäude, welches in Bälde den gesamten Hafenbereich als Kaserne dienen würde.
»Meiner Ansicht nach, nicht schnell genug. Trotz alledem planmäßig, Hauptmann.«
Darco blieb stehen und drehte sich. Er sah seinem Unterführer direkt in die Augen. »Es sind nicht deine Sichtweisen, die zählen. Noch fehlt es uns an Handhabung und somit gehen wir besonnen vor. Wir dürfen keinesfalls auffallen, verstanden?«
»Jawohl, Hauptmann.« Der Soldat verneigte erneut sein Haupt und kreuzte dabei die Unterarme vor der Brust. Aufgrund der metallenen Rüstung erklang es scheppernd. Für die schwarz Gerüsteten eine normale Handlung und alltäglich zu hören. Hier in Qedrela hingegen schallte es eigenartig und für Darcos Ohren viel zu laut. Er beließ es dabei. Der Tag würde kommen, an welchem auch diese Geste zum Alltag zählte.
Gemeinsam schritten sie weiter auf das Tor der Hafenkaserne zu. Ein Soldat mit finsterem Gesichtsausdruck positionierte sich mit gespreizten Beinen und auf dem Rücken verschränkten Händen. Er stand dort, als wäre er nicht bereit jemanden passieren zu lassen. Der Zugang war breit genug angelegt und würde zwei nebeneinander Reitenden ausreichend Platz bieten, doch allein dessen Erscheinung und Ausstrahlung füllte den gesamten Torbereich vollends aus.
»Darco«, begann dieser frei heraus. Der Posten verzog weder Mine, noch ließ er Anstalten erkennen, von seinem Platz weichen zu wollen. »Der hiesige König verlangt nach eurer Anwesenheit, sobald die Zeit es zulässt. Es klang nicht nach einem Befehl, eher nach einer höflichen Aufforderung. Einer Bitte.«
»So? Tut er das, ja?«
»Jawohl.«
»Hat man auch berichtet, weswegen der König mich sehen möchte?«
»Nein.«
»Vermutungen?«
»Wir haben die Docks und den Hafen unter unserer Kontrolle. Keine Missetaten und kein Verbrechen, welche wir nicht eigenhändig legitimieren. Es wird Zeit, dass wir Zuspruch erhalten, auch in den Vierteln zu agieren. Nur dann können wir weiter in für uns wichtige Ohren flüstern«, beschied der statthafte Posten selbstsicher. Nach wie vor stand er da. Wie angewurzelt, stolz und ohne jegliche Furcht. Nicht einmal eine Braue zuckte, als General Darco einen weiteren Schritt tat und sich zu diesem vorbeugte.
»Der König beschied genau diesem. Lass verkünden, dass ich fortan nicht mehr als Hauptmann tituliert werde. Mein neuer Rang ist der eines Kommandanten.« Belustigung stand ihm ins Gesicht geschrieben, war er doch einiges mehr, als nur das.
Aufgrund dessen erlaubte sich der Soldat nun doch einer Regung. Abwertend, wenn man es benennen sollte. »Kommandant.« Ein Grunzen entwich seinem Halse. »Es wird Zeit diesem Geschmeiß zu zeigen, wer ihr wirklich seid. So darf niemand mit euch umgehen noch reden.«
Darco schien zufrieden. »Recht so aber bis es so weit ist, halten wir uns an den Plan.« Mahnend hob er den Zeigefinger seiner rechten Hand. »Wir alle haben Opfer zu bringen und meine liegen unlängst viele Jahre zurück.«
»Es geschieht, wie ihr es wünscht.«
»Wie weit sind die neuen Lagerhallen, Anleger und Unterkünfte? In Kürze wird die Erstflotte anlanden und wir brauchen sodann unsere Wappen nicht länger verstecken. Niemand erinnert sich mehr derer.«
»Allesamt bereit, Hauptmann. Verzeiht, Kommandant. Erlaubt mir eine Frage.«
»Sprich«, forderte Darco seinen Untergebenen auf.
»Ihr sagt, dass niemand sich mehr erinnert. Was ist mit der hiesigen Glaubenseinrichtung? Es wäre vermessen anzunehmen, dass Qedrela bereits so Alt sei, dass es nirgends Aufzeichnungen gäbe. Unsere Farben sind über viele Jahre hinweg gegenwärtig gewesen.«
»Mmh.« Der neu beförderte Kommandant nickte und verzog die Augen zu schlitzen. »Kümmere dich darum. Mach ausfindig, wer sich womöglich erinnern könnte und schaff uns dieses Problem vom Hals.«
»Verstanden.« Der Soldat bekräftigte, indem er dem Kopf neigte und die Unterarme vor der Brust kreuzte. Er trat sodann einen Schritt zur Seite, als gebe er den Weg frei.
»Hauptmann?« Angesprochener sah mit gerunzelter Stirn auf, behielt jedoch eine Erwiderung für sich. Darco lächelte. »Gräm dich nicht. Es wird nicht mehr lange dauern und wir bekleiden ein jeder wieder die eigenen Ränge.«
Abermals senkte Angesprochener ohne zu antworten sein Haupt.
»Sorge dafür, dass wenn die Erstflotte einläuft, unser Banner weht und die Schulterstücke gesäubert sind.«
Noch bevor Darco mit seinem Unterführer die Hafenkaserne betrat, hob er den Kopf. Seine Nase zuckte, so als rümpfe er diese. Wie ein Hund, der Witterung aufnahm. Ohne sich näheres anmerken zu lassen, ließ er seinen Blick über die Trassen gleiten und erhaschte einen flüchtigen Blick auf einen älteren Mann, der sie zu beobachten schien. »Sind alle ausgewählten Schmiede eingetroffen?«
Der kräftige Mann, der mittlerweile seitlich stand, überlegte und schüttelte den Kopf. »Es fehlt noch der eine oder andere. Viele Wege sind lang und so ...« Darco hielt die Hand vor und unterbrach den Soldaten. »Liste.«
Dem Kommandanten wurde die entsprechende Kladde mit etlichen Namen und deren Berufsbezeichnung gereicht. Nahezu alle bereits als eingetroffen und eingewiesen gekennzeichnet. Er tippte mit dem Finger auf einen Eintrag.
»Informationen eines Läufers nach passierte der Mann das nördliche Stadttor mit einem jungen Begleiter und sollte sich unlängst gemeldet haben. Er hat einige Marktstände besucht und handel betrieben, so die Berichte.«
»Wir werden von ihm beobachtet«, stellte Darco fest. »Wenn mich meine Sinne nicht trügen, ist es genau dieser Mann. Mehr noch, ich vage mich zu erinnern und verfluche den Tag, an welchem ich diesen kennen lernte. Schafft ihn runter und weist ihn ein. Ich ziehe mich derweil zurück. Wenn es tatsächlich jener Mann ist, den ich zu kennen glaube, darf es nicht an meiner Anwesenheit scheitern.«
»Wie ihr wünscht.«
»Ah. Schafft mir meine Zuchtstute und das Balg, das ich einst in ihr zeugte, herbei. Keine Zeugen.«
»Holla alter Mann. Da seid ihr ja endlich, kommt wir begleiten euch auf die letzten Meter.«
Ighert schien ertappt war hingegen nicht überrascht, dass man ihn aufgriff. Er hatte sich nicht sonderlich viel Mühe gegeben unerkannt zu bleiben, war es Absicht seine Blicke Lügen zu strafen. Allen voran wollte er seine Ankunft hinauszögern und so spielte er auf Zeit. Wie schon zuvor ließ er seinen Karren auf der Ebene der eigentlichen Stadt zurück und trat den Weg, hinab über die offizielle Wegestrecke, an.
Fortwährend beobachtete er, was um ihn herum vonstattenging. Je näher er den Docks und den Piers kam, um so gewisser wurde er.
»Ihr müsst der Bogner sein, auf den wir warten. Ighert richtig?«
»Nun, wenn ich der letzte meines Berufsstandes bin, auf den ihr wartet ...«
»Zu Späßen aufgelegt was?« Sein Gegenüber schnauzte ihn regelrecht an. »Ihr hättet seit Stunden hier sein sollen. Wir warten nicht gern. Wo ist die Bestellung, Mann?«
»Oh. Verzeiht Soldat aber ich schaue mir meine Auftraggeber grundsätzlich zuvor an und entscheide sodann, ob ich einen Auftrag entgegennehme oder eben nicht. Was soll ich noch weiter sagen... Nunja, es tut mir leid. Unter gegebenen Umständen kann ich diesen nicht annehmen, geschweige denn, dass ich bereit bin, für euresgleichen tätig zu werden.«
Langsam, für Igherts Geschmack viel zu langsam, hob angesprochener Soldat den Blick und ließ seine mitgeführte Kladde fahren. Die Gesichtszüge des Mannes ihm gegenüber wurden ausdruckslos. Er kannte solch Momente. Männer deren Gemüt kurz davor stand sich zu entladen. »Seid ihr noch bei Trost? Was erlaubt ihr ...« Die Schwerthand des Mannes glitt herab und zog bereits an der Klinge, als eine weitere Stimme sich einmischte. »Wie ich sehe, haben unsere Leute es sich nicht nehmen lassen, euren Karren herabzuführen. Es ist wirklich leichtsinnig von euch, diesen einfach so ohne Beaufsichtigung abzustellen.«
Igherts Adamsapfel hüpfte, als er einen bitteren Kloß hinabzwang. Dachte er es sich doch, das ihn seine Augen nicht trügten.
»Haltet ein, Hauptmann. Wenn ihr jeden sogleich erschlagen wollt, der eure Meinung nicht teilt, sollte ich mir eure Stellung nochmals überdenken.«
Diese Stimme. Nein, er musste sich irren. Nach all diesen Jahren und andauernden Suchens konnte es schlicht nicht sein. Man konnte einander ähneln, die Stimmen mochten sich gleich anhören aber ein Toter vermochte niemals der See zu entsteigen. Dieser Mann konnte nicht jener sein, den er glaubte, vor sich zu haben.
»Es ist der Wunsch eures Königs, dass ihr hier in Weiher eurem Beruf nachgeht, Bogner. Das Schreiben, welches ihr erhieltet, war keine Einladung«, stellte Darco fest. »Über euren Lohn hingegen lässt sich verhandeln.«
Ighert sah auf und hob die Brauen. Der Mann sollte sein Spiel spielen. »Oh.«
»Was sagt ihr?«
Ighert schaute zu jenem, der ihn noch kurz zuvor erschlagen wollte. »Seid so gut und schafft mir diesen Unhold vom Leib. Ich kann nicht nachdenken, in solch einem Beisein.«
Abermals murrte gemeinte Person und zog sein Schwert etwas aus der Scheide. Warte jedoch auf Zuspruch.
»Was sind eure Bedingungen Bogner?«
»Nun, unser Anfang stand wohl unter keinem guten Stern, wie ich finde. Lasst uns erneut beginnen, ja?«
»Ich höre?«
»Da ich vermutlich eine längere Zeit über in Weiher verbringen werde und es dazu gewohnt bin, mit meinem Werkzeug zu arbeiten, ist dies meine Bedingung.«
»Ich lasse es holen.« Darco zuckte mit der Schulter. »Ich habe mir mehr erwartet, Bogner oder kommt da noch etwas?«
»Sicher, Herr. Ich traue keinem ihrer Unholde weiter als mein Arm reicht. Meine Messer sind mir alles und niemand vergreift seine schmutzigen Pfoten daran. Da wir einander erst ein Vertrauen aufbauen müssen, schlage ich vor, dass mich fünf Leute der Wacht begleiten. Wäre ja Schade um mich, würde mir etwas zustoßen nicht wahr.« Verstohlen aber sicher, dass ein jeder den Wink verstand, sah er hinüber zu dem Unterführer. »Was sagt ihr? Ich kann auch wieder gehen, gibt bestimmt noch andere gut ausgebildete und fähige Bogner.«
»Wir verfügen über ausreichend Werkzeuge. Feinste Klingen, neu dazu. Was fällt euch ein, alter Mann?«
»Lasst gut sein Hauptmann. Ich kann selbst für mich reden und der Mann hat irgendwie Recht. Kein Werkzeug, noch dazu das Beste, was aufzutreiben ist, kommt an das eigene heran. Schon gar nicht, wenn es einem so teuer ist, nicht wahr Bogner? Die besten deines Standes arbeiten bereits für uns.«
»Ausgenommen ich.«
»Ausgenommen ihr ...« Darco nickte zustimmend. »... und ihr sollt der Fähigste sein.«