Helmut Burger fragte sich, wie die Journalistin in diese Situation gekommen war.
Gut, es war schon möglich, dass man bei weiteren Untersuchungen ihres Blutes noch ein Gift finden würde, aber er glaubte nicht daran. Zwar gibt es Giftstoffe, die innerhalb kurzer Zeit vom Körper abgebaut werden, aber nachdem die Patientin wohl unmittelbar nach dem Mittagessen ins Koma gefallen war und sie sofort nach Auffindung ins Klinikum gebracht worden war, hätte sich fast jede sonderbare Substanz noch im Blut finden müssen. Natürlich ist es nicht einfach, etwas zu suchen, wenn man nicht genau weiß wonach. Und das Salzkammergut war ja nicht unbedingt so das Gebiet der Meuchelmörder... oder?
Auf jeden Fall musste er veranlassen, dass polizeilich ermittelt wurde. In welche Richtung, würde sich noch herausstellen. Es war nicht auszuschließen, dass Petra Hager einer Story auf der Spur gewesen war, die sie besser nicht berührt hätte. Sie war nach seinem Empfinden noch zu schwach, um sie mit solchen Fragen zu belasten, doch jemand musste auch Sorge dafür tragen, dass ihre persönliche Habe bis zu deren Abholung im Hotel sicher verwahrt wurde. In seinem Büro angekommen, ließ er sich auf seinen schweren Ledersessel fallen. Es war ein langer, Kräfte zehrender Dienst gewesen, diesmal. Ob er erst mal die persönlichen Dinge seiner Patientin sicherstellen sollte, bevor die Polizei sie womöglich beschlagnahmen würde? Empfindliche Daten auf einem Laptop oder so? Er schüttelte unwillkürlich fast unmerklich den Kopf! Was waren das überhaupt für Gedanken? Es konnte doch wirklich nicht seine Aufgabe sein, sich um die persönlichen Belange dieser Patientin zu kümmern! Warum beschäftigte ihn das so sehr?
Schwester Elke hatte in der Zwischenzeit Tee gebracht und in eine Schnabeltasse gefüllt. Auch wenn Petra geglaubt hatte, sie könne schon aus einer Tasse trinken, Elke hatte richtig erkannt, dass sie sich nicht einmal wirklich aufrichten konnte und half ihr beim Trinken.
"Ich muss mich jetzt leider um die Dienstübergabe kümmern, Frau Hager. Aber ich werde meine Kollegin anweisen, sie besonders gut im Auge zu behalten. Wenn sie irgend etwas brauchen, zögern sie nicht, zu klingeln. Ich wünsche ihnen alles Gute! Wir sehen uns morgen Abend wieder. Versuchen sie nun, sich ein Wenig auszuruhen!"
Elke verließ den Raum und Petra blieb allein darin zurück. Alles in ihr schien kaputt zu sein. Jede Bewegung schmerzte und strengte sie unheimlich an! Sie fühlte sich, als wäre sie von einer Dampfwalze überfahren worden. Sie hoffte inständig, dass sich ihr Zustand bald verbessern würde. Dr. Burger... Helmut... würde sie schon wieder hinkriegen! Seine Zuversicht hatte sie angesteckt und sie freute sich darauf, ihn wieder zu sehen.
Mit jeder Nuance, um die sie sich besser fühlte, arbeitete ihr Gehirn an der Rekonstruktion der letzten Tage weiter. Was hatte zum Filmriss geführt? Sie war in diesem Super-Hotel gewesen und sie hätte für den gestrigen Morgen eigentlich eine großzügig bemessene Wellnessbehandlung gebucht gehabt... Aber sie war erst hier wieder aufgewacht! Wie ein Blitz durchzuckte sie plötzlich der Gedanke: "Meine persönlichen Dinge! Meine Unterlagen, USB-Sticks, die kleine Externe Festplatte und das Laptop! Das war bestimmt nicht in den Hubschrauber geladen worden! Sie musste... sie musste dringend...!
Alle Kraft verließ sie und Petra sank ohnmächtig in sich zusammen. Sie war noch nicht allzu belastbar...